Am vergangenen Samstagabend, da sieht ihn ein Millionenpublikum noch im Fernsehen: beim Starkbier-anstich auf dem Münchener Nockherberg, bei dem die bayerische Politprominenz deftig persifliert wird. Hubert Aiwanger ist einer, der dabei am meisten abbekommt. „Es wäre schlimmer, wenn man gar nicht erwähnt würde“, erläutert er schmunzelnd beim Pressegespräch im Frühstücksraum des Hotels Hauser. Der Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident des Freistaates, dazu Bundeschef der Freien Wähler, ist an diesem Montag Redner der traditionellen Mittelstandskundgebung des Bundes der Selbstständigen.
Punkt 17 Uhr am Festplatz. Ein halbes Dutzend Polizisten in Uniform hat Aufstellung genommen, dazu einige in Zivil. Der Gast rauscht heran, natürlich in einem BMW 745, dies mittlerweile ebenfalls selbstverständlich ein E-Mobil. Immerhin ist Aiwanger auch Energieminister.
Mit bayerischem Marsch ins Zelt
Übliches Zeremoniell: beim Hauser Pressegespräch bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen, Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, Gang über den Rummel und durch das Gewerbezelt; trotz Zeitnot geht Aiwanger auf die Menschen zu, auf Aussteller und fröhlich feiernde „Montagsmädels“. Zum Bayerischen Defiliermarsch hält er schließlich Einzug in das voll besetzte Festzelt.
Jan Dietz, Ko-Präsident des BdS-Landesverbandes, freut sich auf einen Redner, der nicht der „political correctness“ huldigt. Und wird nicht enttäuscht. Am Rednerpult angekommen, löst Aiwanger das Mikro aus dem Stativ, so dass seine Stimme lauter wird, kündigt an, seine Rede zu „nutzen, um Dinge auf den Punkt zu bringen.“ Und das macht er dann auch umgehend. „Ihr seid die, die anpacken und nicht auf der Straße kleben“, ruft er dem Publikum zur Einstimmung zu – der erste stürmische Beifall des Abends kommt auf.
Bereits mit diesen Worten „hat er sein Publikum“, wie Rhetorik-Experten formulieren würden. Und er lässt es nicht mehr los. Denn nun geht es Schlag auf Schlag, und diese „Einschläge“ treffen zunächst die Klimaaktivisten und ihre medialen Unterstützter. Talkshows etwa, in denen „Themen vom Rande der Gesellschaft“ diskutiert werden und in denen „ein 17-jähriger Klimakleber, der gerade aus seinem Urlaub in Bali kommt, wichtiger ist als ein 40 Jahre lang tätiger Handwerksmeister.“
Und er verwahrt sich gegen „Hetze gegen den sogenannten alten weißen Mann“, gegen die Generation, die das Land aufgebaut habe: „Lassen Sie es nicht zu, dass unsere Eltern und Großeltern angegriffen werden“, ruft er in das zumeist gesetzte männliche Publikum, das ihm dieses Bekenntnis begeistert dankt.
Doch es bleibt nicht bei starken Worten. Sie dienen dazu, inhaltliche Positionen klar zu machen – was ja von der Öffentlichkeit oft angemahnt wird. Aiwanger bleibt solche Positionierung nicht schuldig.
So lehnt er den gerade beschlossenen Ausstieg aus dem Verbrennermotor zum Jahre 2035 ab, mahnt vielmehr, sich alle technologischen Optionen offen zu halten. Der vorzeitige Ausstieg aus dem Verbrenner sei „wie das Schlachten der Milchkuh in der Hoffnung, dass der Esel im Stall nebenan Milch geben wird“, formuliert der Bauernsohn.
Seine Herkunft aus der Landwirtschaft prägt auch seine Haltung in Fragen der Ernährung: „Ich bekenne“, ruft er unter Anspielung auf die jüngste Entscheidung der EU-Kommission ins Zelt: „Ich esse lieber ein Schweineschnitzel als Käfer“. Den tosenden Beifall unterbricht er mit dem Zusatz: „Wer den Heuschrecken-Riegel will, der soll damit glücklich werden.“ Doch er wehrt sich dagegen, „schon Kindern ein schlechtes Gewissen einzureden“, ist gegen jeden Zwang bei der Ernährung, lehnt es ab, „mit den Käfern um die Wette fressen zu müssen.“
Und dann auch noch der Aufreger Schneekanone, im zurückliegenden Winter verschiedentlich als ökologisch verwerflich kritisiert. Doch Aiwanger hält dagegen: „Skifahren ist nichts Kriminelles.“
Seine Rede – sie ist pointiert, ja deftig, damit zu keiner Minute langweilig (was man nicht von jedem bisherigen Festredner sagen kann). Eine Sternstunde der Mittelstandskundgebung, wie Bettina Schmauder, Ko-Präsidentin des BdS-Landesverbandes, zu Recht feststellt.
Der Dank dafür wird, wie in Schriesheim üblich, mit einem Weinpräsent dargebracht, „auch wenn Sie jetzt sicher lieber ein gutes bayerisches Bier trinken würden“, wie Weinkönigin Miriam Knapp in ihrem Grußwort ahnt. Bürgermeister Christoph Oeldorf überreicht eine „Kleinigkeit“ – eine Kiste mit sage und schreibe sechs Flaschen. „Wenn das bei Euch eine Kleinigkeit ist!“ – da staunt der Gast aus Bayern.
Nach Badner Lied und Nationalhymne rauscht er denn auch im Unterschied zu fast allen früheren Festrednern nicht davon. Nein, er mischt sich, was es zumindest in den letzten Jahren noch nie gegeben hat, unters Publikum, nimmt sich Zeit für Gespräche und für Selfies mit den Besuchern. Vielleicht ja auch dies ein Rezept seines Erfolges in Bayern.
Info: Fotostrecke: www.mannheimer-morgen.de/schriesheim
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