Kommunalpolitik

Gemeinderätin mit Liebe zur Lyrik

Sie studierte mittelalterliche Literatur, schreibt Gedichte und engagiert sich für Nachhaltigkeit: Seit der letzten Kommunalwahl ist Hannah Mieger-Höfer (29) für die Grüne Liste Mitglied des Schriesheimer Gemeinderates.

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Konstantin Groß
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Hannah Mieger-Höfer vor der Weltkarte in ihrem Wohnzimmer. © Konstantin Groß

Schriesheim. „Hier leben, lieben, lachen die Höfers“ lautet das Schild an der Wohnungstür. Und an der Wand des Wohnzimmers mahnt ein künstlerisch gestalteter Sinnspruch von Oscar Wilde: „Von vielem kennt man den Preis, aber nicht den Wert.“ Man spürt: Hier wohnt jemand, dem Sprache, Literatur am Herzen liegt.

Und diese auch selbst zu gestalten weiß, wie der Newsletter der Grünen Liste Schriesheim offenbart: „Ich schaue mich um und sehe sie/ Die Welt so schön, so bunt wie nie/Es ist ein Strahlen, es ist ein Licht/ Doch das sehen manche nicht“ – so lautet die erste der acht Strophen eines von ihr verfassten Gedichtes.

Eine Dichterin im Schriesheimer Gemeinderat – so etwas gibt es bislang noch nicht. Bis zur jüngsten Kommunalwahl. Denn seither sitzt Hannah Mieger-Höfer für die Grüne Liste im Gremium. Dabei steht sie mit beiden Beinen im Leben: als berufstätige Mutter einer anderthalbjährigen Tochter; Ehemann Jan ist Lehrer für Sport und Geografie am privaten Heinrich-Sigmund-Gymnasium auf dem Branich. Getraut wurden beide von Jans Vater, dem damaligen Bürgermeister Hansjörg Höfer, beurkundet vom damaligen Ordnungsamts-Chef Achim Weitz.

Mieger-Höfer selbst stammt zwar nicht aus Schriesheim. Gleichwohl kennt sie die Stadt bestens, wächst sie doch im benachbarten Dossenheim auf. Oma Erika Rehberger ist dort eine bekannte Persönlichkeit, Wirtin der „Goldenen Rose“, später der Weinstube am Scharfen Eck.

Nach dem Abi am St. Raphael-Gymnasium in Heidelberg studiert die junge Hannah Germanistik, Italienische Literatur- und Sprachwissenschaften sowie Geschichte mit Schwerpunkt Mittelalter. Ein Jahr ist sie in Bologna, vertieft dort ihre Kenntnisse in beidem: der Geschichte und der italienischen Sprache, aber auch der dortigen Lebensart, wie sie noch immer schwärmt. Derzeit liegt sie in den Endzügen ihrer Doktorarbeit. Thema: „Macht in Bewegung: Briefe als Handlungsträger in höfischer Epik.“ Uff!, denkt sogar der Redakteur, mit Sprache ja selbst nicht unerfahren. Mein Gegenüber merkt das: „Das ist eine Thematik, die sehr aktuell ist“, erläutert sie verständnisvoll und nennt einige ihrer Fragestellungen: Wer schreibt? Wem wird geglaubt? Wer hat die Wahrheitshoheit? „Das sind alles Fragen, die man heute ja auch an Elon Musk anlegen kann.“

Eine wissenschaftliche Karriere wäre möglich wie auch das Lehramt, zumal sie bereits einen Lehrauftrag am Liselotte-Gymnasium in Mannheim hatte. Doch sie entscheidet sich anders: Seit 1. Juli ist sie in Heidelberg für die Bürgerwerke tätig, dem Zusammenschluss von 120 Energiegenossenschaften, die vor Ort die Energiewende begleiten wollen. Und auch hier bringt sie ihr Wissen und Können in Sachen Sprache ein: Sie gestaltet die Social-Media-Aktvitäten, konkret die Online-Magazine, die für das Anliegen der Energiewende werben sollen, zumal es gegen diese ja nicht nur in Schriesheim auch Gegenwind gibt.

Und so sind wir auch schon bei politischem Engagement, das bei ihr früh beginnt. „Bei uns zu Hause wurde immer über Politik gesprochen“, erzählt sie. Von daher ist es kein großer Sprung zu Engagement, sei es im gesellschaftspolitischen Raum als Lektorin in der katholischen Gemeinde bei Pfarrer Ronny Baier oder sechs Jahre im Jugendgemeinderat.

Zur Kommunalpolitik findet sie dann aber doch eher durch Zufall: Ökologisch bewusst wie sie ist, entscheidet sie nach Geburt ihrer Tochter im Mai 2023, nachhaltig Stoffwindeln zu verwenden. In Heidelberg wird ein solches Verhalten gefördert. In mehreren Mails an die Schriesheimer Stadtverwaltung regt sie an, auch in Schriesheim so zu verfahren, erhält jedoch jeweils Absagen.

An einem Infostand der Grünen Liste erzählt sie Fraktionschef Christian Wolf davon. Und der, mit Blick für Talente, bietet ihr an, sich dafür im Rahmen der Grünen Liste zu engagieren. Und schon ist sie voll dabei. Engagiert sich auch hier mit dem, was sie kann, bringt den müden Online-Auftritt der GL auf Trab.

Themen Jugend, Nachhaltigkeit und Stärkung der Demokratie

Schließlich wird sie zur Gemeinderatswahl 2024 aufgestellt – und gewählt. „Ein großer Vertrauensbeweis, der mich stolz macht“, bekennt sie. Auch wenn manche sagen, der Name Höfer habe geholfen. Da muss sie schmunzeln. Denn: „Das ist doch ein schönes Kompliment für ihn.“ Denn seine Amtszeit kann ja nicht schlecht gewesen sein, wenn sie wegen ihm gewählt worden sein soll. Doch im Ernst: „Ich habe höchste Hochachtung vor seinen Leistungen. Aber ich will in niemandes Fußstapfen treten, sondern, um im Bild zu bleiben, eigene setzen.“

Ihr Thema im Gemeinderat ist etwa die Jugendpolitik. „Die Jugend frühzeitig in politische Prozesse einzubinden, ist unerlässlich.“ Davon lässt sie sich auch nicht durch Statistiken abschrecken, wonach gerade die Jüngsten am stärksten AfD wählen: „Im Gegenteil: Gerade jetzt müssen wir hier aktiv werden“, sagt sie. Ihre erste Rede hält sie denn auch letzten Mittwoch, als eine Satzungsänderung für den Jugendgemeinderat ansteht; und diese Rede besitzt eine sprachliche Qualität, die man an diesem Ort nicht immer hört.

Und dann die Energiepolitik. So ist sie neben dem Haupt- und dem Marktausschuss auch Mitglied der Dialoggruppe mit Dossenheim, in der die beiden Gemeinden den Einstieg in die Windkraft erörtern.

Wichtig ist ihr aber auch der große politische Rahmen. So engagiert sie sich in der Initiative „Gemeinsam für Demokratie“. Und hat dabei persönlich schon manch unschöne Reaktion von Gegnern erleben müssen.

Dabei ist der Kontakt mit Menschen das, was sie an Kommunalpolitik liebt; Landes- und Bundespolitik locken sie derzeit nicht. Natürlich darf die Frage aller Fragen an die Schwiegertochter eines Ex-Bürgermeisters nicht fehlen: Kann sie sich selbst im Rathaus vorstellen? „Aktuell konzentriere ich mich auf mein neues Amt als Gemeinderätin. Aber im Leben öffnen sich immer Türen, an die man zuvor gar nicht denkt.“ Die Antwort einer Dichterin eben.

Hannah Mieger-Höfer

Geboren 1995 in Heidelberg

Familie: verheiratet, eine Tochter (anderthalb Jahre)

Beruf: Doktorandin an der Universität Heidelberg, Energiewende-Botschafterin bei den Bürgerwerken Heidelberg

Fraktion: Grüne Liste

Stimmenzahl: 3081 = Platz 5 des Grünen-Wahlergebnisses

Ausschüsse: Haupt- und Finanz-, Markt- und Kulturausschuss. Dialoggruppe Windenergie mit Dossenheim. -tin

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