Freizeit

Garten-Traum am Weinberg in Schriesheim in Gefahr

Die Hobbygärtnerin Esther Molitor hat in Schriesheim ein Garten-Kleinod ganz ohne Pflanzplan und nur mit Fundstücken geschaffen. Das Idyll ist jedoch in Gefahr

Von 
Stephanie Kuntermann
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Esther Molitor hat in Schriesheim einen besonderen Garten aus Fundstücken geschaffen. © Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Was macht man zuerst, wenn man eine Wildnis in einen Garten verwandeln will? „Erst einmal Bestandsaufnahme“, sagt Esther Molitor. Das hat die Schriesheimerin jedenfalls so gehalten, als an Ostern 2022 ihr Traum in Erfüllung ging und sie ein Pachtgrundstück bekam: etwas mehr als 600 Quadratmeter, gut erschlossen am Rand der Weinberge, aber seit längerer Zeit vernachlässigt. Was sie vorfand, nennt sie eine „bucklige Wiesenlandschaft“, überwuchert von Giersch, Brennnesseln, Goldruten, Quecke und Gänsehirse, mittendrin eine verfallende Hütte.

Nichts hier hat mehr als 50 Euro gekostet.
Esther Molitor

An das Chaos von damals erinnert heute nicht mehr viel; schon vom Weg aus sieht man, dass sich hier seither viel getan hat. Und wenn man das kleine Tor öffnet, steht man mittendrin in einem grünen Paradies mit Blüten, Gemüsebeeten und gemütlichen Sitzecken. Was das Besondere daran ist, erklärt die „Hausherrin“: „Nichts hier hat mehr als 50 Euro gekostet.“

Garteneinrichtung günstig im Internet gekauft

Denn alles ist geschenkt, über Internetportale günstig erstanden, kreativ aufgearbeitet oder selbstgemacht - unter anderem aus dem, was sie hier vorfand. Aus den Ästen gefällter Bäume wurden Beeteinfassungen, aus den Trümmern der einstigen Hütte Bretter für die Hochbeete, in denen jetzt Fenchel, Knoblauch, Kohl, Mangold, Salat und Kohlrabi gedeihen. Sogar für die Unkräuter hat die Hobbygärtnerin Verwendung: „Die werden gemulcht.“

Immer wieder bleiben Spaziergänger stehen und staunen; wenn Molitor da ist, bekommen sie schon mal eine Führung. Ein Mann war so begeistert, dass er ihr aus seinem eigenen Garten Tomatenpflänzchen brachte, die mittlerweile winzige, grüne Früchte tragen. Von einem Schäfer aus der Umgebung kommen die Bohnen, die sich an Schnüren hochranken. Das Gestell wiederum stammt von einer Frau, die ihre Garage entrümpelt hat.

Pflanzplan für Garten? Molitor kommt ohne aus

„Ich werde oft gefragt, ob ich einen Pflanzplan habe“, sagt sie: „Aber den habe ich nicht.“ Dafür hatte sie eine Vorstellung, wie ihr Traumgarten aussehen sollte; aus dem einst schnurgeraden Weg machte sie einen Pfad, der sich in kleinen Windungen um die Flächen schlängelt, die sie terrassiert hat - ohne Bagger, ohne Profis, allein mit Schaufel, Hacke, guten Einfällen und Muskelkraft. Es gibt Gewächse in Töpfen, andere sind eingepflanzt; für alle hat sie einen Platz gesucht.

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Im Schatten des prächtigen Nussbaums fühlen sich Hortensien, Rhododendren, Elfenblumen, Salomonssiegel oder Spierstauden am wohlsten, in der Sonne stehen die vielen Beerensträucher, die das Grundstück rahmen: Brombeeren, Stachelbeeren, Johannis- und Himbeeren. Zum Teil brachte sie die Gewächse aus ihrem ehemaligen Hausgarten mit, zum Teil sind sie Geschenke, und zum Teil sind es Stecklinge, die sie selbst gezogen hat. Immer ändert sich hier etwas; der Zierlauch ist verblüht, dafür entfalten sich gerade die Hortensiendolden, und die Clematis breitet sich am Rankgerüst aus - das hier nach Jahren in einer Garage wieder zu neuen Ehren kommt.

Unterbau für Gartenhäuschen selbst gemacht

„Ich durchforste immer die Online-Kleinanzeigen“, nennt die Gärtnerin eine ihrer Bezugsquellen. Auf diesem Weg hat sie das Gartenhäuschen gefunden, das jemand für 50 Euro und gegen Demontage abgab. Und so wurde ein Transporter organisiert, das Gebäude in seine Bestandteile zerlegt und hierhergefahren. Beim Aufbau half die ganze Familie, doch den Unterbau aus Betonplatten stellte Molitor selbst her.

Marke Eigenbau ist auch die bequeme Bank, die den Stamm des Walnussbaums einfasst. Die Latten fand eine Bekannte von Esther Molitor auf einem Holzstapel im Wald und fragte den Besitzer, ob er sie noch brauche. „Das sind eigentlich Sauna-Bretter“, lacht die neue Besitzerin. Ihr Blick fällt auf eine weiße Sitzgruppe, und auch die gab es umsonst: „Sie ist vom Sperrmüll.“

Garten als Spiegel der Seele

Längst kennen sich die Nachbarn hier und die regelmäßigen Spaziergänger; Molitor berichtet, dass mancher schon gespannt ist, was es wieder Neues gibt. Die Steintreppe am Eingang ist selbst gebaut, das Material war früher ein Gewölbekeller; jede freie Minute verbringt sie in ihrem Garten, den sie als „Spielplatz für Große“ bezeichnet.

Mein Ziel war es, hier einen Ort für mich zu schaffen, einen Gartenraum. Oder Gartentraum.
Esther Molitor

Denn das Experimentieren, das Improvisieren hat für sie einen spielerischen Charakter. Und zugleich, sagt Esther Molitor, drücken Gärten die Seele ihres Besitzers aus: „Und mein Ziel war es, hier einen Ort für mich zu schaffen, einen Gartenraum. Oder Gartentraum.“ Doch ist das Idyll in Gefahr: Im kommenden Jahr soll das Gelände verkauft und bebaut werden. Was danach kommt? Sie weiß es nicht: „Aber es ist alles so, dass ich es auch wieder abbauen kann.“

Vielleicht ergibt sich eine neue Gelegenheit, hofft sie. Mancher Besucher hat da noch ganz andere Ideen; ein amerikanischer Fahrradtourist schlug kürzlich vor, hier ein Gartencafé einzurichten. Was der Schriesheimerin gefällt, ist die Idee der offenen Gärten. Und so will sie bei Gelegenheit einfach ein Schild an den Zaun hängen, das Vorbeikommende zum Eintreten auffordert. stk

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