Straßenbau - Nach acht Jahren Bauzeit ist der Schriesheimer Branich-Tunnel fertiggestellt / Mit 92 Millionen Euro aktuell das größte Straßenbauprojekt des Landes Baden-Württemberg

Freie Fahrt zwischen Odenwald und Rhein

Von 
Konstantin Groß
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Der Schriesheimer Branich-Tunnel kurz vor seiner Eröffnung am Wochenende: Die grün markierten Türen führen zu den Rettungswegen. Daneben bestehen Notrufzellen und Nothaltebuchten.

© Marcus Schwetasch

Am Samstag wird der Schriesheimer Branich-Tunnel feierlich eröffnet - spätestens am Montag soll er dann auch wirklich für den Verkehr freigegeben werden. Damit verschwindet ein Nadelöhr im Straßenverkehr der Region.

An der Badischen Bergstraße kursiert derzeit ein Bonmot, das vom Selbstbewusstsein der 15 000 Einwohner der Weinstadt Schriesheim zeugt. Demnach gibt es in diesem Jahr zwei große Tunneleröffnungen in Europa: jene am Gotthard in der Schweiz und die am Branich in Schriesheim. Am Wochenende ist es nach acht Jahren Bauzeit soweit.

Dabei ist klar, dass der Bergsträßer Bruder des Gotthard weit kleiner und weniger teuer ist. Gleichwohl, mit 92 Millionen Euro ist er das aktuell größte Straßenbauprojekt des Landes Baden-Württemberg mit einer immensen Bedeutung für den Straßenverkehr in der Region: Die Verbindung zwischen den Wohngemeinden im Odenwald und den Industriestädten der Rheinebene wird verbessert, muss sich nicht mehr durch den Ortskern von Schriesheim quälen, dessen Anwohner vom Durchgangsverkehr befreit werden.

Über 30 Jahre kämpfen sie daher für dieses Projekt, als 2008 der Erste Spatenstich gesetzt wird. Fortan sprengen sich die Mineure für den Bau der Umfahrung durch den Granit des Branich, des großen Berges am Rande der Stadt. Manches Häuschen in diesem in jeder Beziehung gehobenen Wohngebiet kommt ins Wackeln, bis am 1. August 2013 die Röhre am Ostportal das Licht der Außenwelt erblickt.

Bauwerk in den Berg gesprengt

Hat es Überraschungen gegeben? "Die große Überraschung war, dass es keine gab", sagt Ralph Eckerle: "Es ist genau das eingetreten, was die rund 30 Probebohrungen vor Baubeginn erwarten ließen", sagt der Projektleiter für den Mammutbau. "Das ist schon etwas Besonderes. Denn reinschauen kann man in den Berg trotz aller Bohrungen nicht."

Für die auf derartige Projekte spe-zialisierte Firma Züblin ist der Bau nicht einfach. Auf seinen 1,8 Kilometern macht der Tunnel von West nach Ost eine leichte Rechtskurve und überwindet 40 Meter Höhenunterschied. Bis zu 130 Meter Erdmassen lasten auf der Tunnelröhre.

"Der Branich-Tunnel ist auf dem neuesten Stand der Technik" sagt Eckerle nicht ohne Stolz. Das gilt selbst für Details wie die Beleuchtung: "Er ist der erste Tunnel, in dem LED-Leuchten verwendet werden." Die sind weniger wartungsintensiv und stromsparender.

Die Luftzufuhr wird automatisch gemessen. Meistens zieht der sogenannte Talwind einfach durch, manchmal aber auch nicht. Für den Fall, dass es keine natürliche Zirkulation gibt, laufen bis zu sieben riesige Lüfter - mit ohrenbetäubendem Lärm. Die Temperatur hier unten ist dagegen ganzjährig angenehm. Im Sommer, wenn es draußen 30 Grad hat, sind es hier 15 bis 20, bei Frost im Winter fünf bis zehn Grad.

Oberstes Prinzip ist Sicherheit. Und diese beginnt mit ganz Banalem, der Höhenkontrolle. Ein Lkw wird bereits auf seiner Zufahrt zum Tunnel mehrere hundert Meter vor dem Eingang automatisch vermessen; ist das Gefährt höher als 4,50 Meter, schaltet die Ampel auf Rot, eine Schranke senkt sich, damit der Lkw nicht trotzdem weiterfährt.

Dass dies kein irreales Szenario ist, zeigt vor wenigen Jahren ein Vorfall in Eppelheim, als ein Lkw an einer Brücke hängenbleibt, die in Folge dessen abgerissen werden muss. Apropos Aufprall: An den Eingängen befindet sich ein Aufprallschutz, für all die, die aus Versehen oder mit Absicht gegen die Eingangswand geraten. Er besteht aus einem Ensemble von meterhohen Metallzylindern. "Wenn ein Auto dagegenfährt, ziehen sie sich leicht zusammen und federn den Aufprall ab", so Eckerle.

Separater Rettungsstollen

Doch Sicherheit, die betrifft natürlich vor allem den Brandschutz. Der Horror im Mont-Blanc-Tunnel hat sich weithin ins Bewusstsein eingeprägt. Für diesen Fall der Fälle, der in einem regionalen Tunnel - toi, toi, toi - noch nicht passiert ist, "ist alles Menschenmögliche getan", versichert Projektleiter Eckerle.

Bei Feuer wird ein ganzes System automatisch in Gang gesetzt - bis hin zu einer Lautsprecherdurchsage vom Band. "Die ist bereits besprochen." Alle 300 Meter besteht eine mit grünen Leuchten markierte Tür, die durch Schleusen in den Rettungsstollen führt. Wird sie geöffnet, springt ein Lüfter an, der in diesem Zwischenraum Überdruck erzeugt. Beim Öffnen der Tür in den Rettungsstollen kann der tödliche Rauch nicht folgen.

Fünf Rettungswege gibt es, vier ans Westportal, einer, 110 Meter lang, direkt auf die Talstraße. Der große Rettungsstollen besteht aus einem separaten 1,2 Kilometer langen Tunnel parallel zur Hauptröhre. Mit 2,25 Meter Breite ist er so dimensioniert, dass ihn die Feuerwehr mit einem speziellen Fahrzeug, einem sogenannten Quad, befahren kann.

Unterhalb des Ostportals befindet sich ein 70 Kubikmeter fassendes Löschwasserreservoir. Koordiniert wird der Hilfseinsatz von der Rettungsleitstelle in Ladenburg, wo der Alarm aufläuft. Alles ist kameraüberwacht. "Es gibt keinen einzigen toten Winkel", sagt Eckerle. Die Bildschirme befinden sich im Betriebsgebäude ebenfalls unter der Erde, das allerdings nicht rund um die Uhr besetzt ist. Ständige Kontrolle erfolgt durch die Tunnel-Task-Force im Landratsamt, die auch für die Bauwerke in Weinheim, Neckargemünd und Schwetzingen zuständig ist.

Keine Unfälle beim Bau

Zwei Drittel der Fahrzeuge, die sich bislang durch den Ortskern quälen, also etwa 8000, werden gemäß den Prognosen den Tunnel benutzen. Alle können durch, auch Motorräder und Lkw.

Eckerle ist zufrieden. Unfälle beim Bau hat es nicht gegeben - "mit Ausnahme gequetschter Finger und anderer Kleinigkeiten." Die Baubude des Straßenbauamtes, die acht Jahre sein täglicher Arbeitsplatz war, ist bereits abgerissen.

Die Arbeit geht Eckerle jedoch nicht aus: Nun widmet er sich dem Neubau an der Brücke der Autobahn 656 über die Bahngleise bei Mannheim-Friedrichsfeld. Doch der Branich-Tunnel bleibt natürlich etwas Besonderes: "So etwas hat man eben in seinem Berufsleben als Ingenieur voraussichtlich nur einmal."

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