Schriesheim

Ehrung für einen Schriesheimer Vorkämpfer der Demokratie

Der frühere Schriesheimer Bürgermeister Georg Rufer soll durch Benennung des Platzes vor dem Historischen Zehntkeller geehrt werden. Am Mittwoch, 25. Januar, berät der Gemeinderat darüber. Wir stellen den Namenspaten vor

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Konstantin Groß
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Schriesheims Bürgermeister Georg Rufer (r.) in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Wer die Person links ist, das ist nicht überliefert. © Archiv

Schriesheim. Am Mittwoch berät der Schriesheimer Gemeinderat über den gemeinsamen Antrag von SPD und FDP, jeweils einen Platz nach dem langjährigen Bürgermeister Georg Rufer und dem ersten badischen Staatspräsidenten Anton Geiß zu benennen (wir haben berichtet). Im Vorfeld dieser Beratung stellt der „MM“ die beiden Namenspaten vor. Wir beginnen mit Georg Rufer.

Unter den Schriesheimer Rathaus-Chefs nimmt Rufer eine besondere Stellung ein: Er ist der erste hauptamtliche Bürgermeister. Und zwei Mal muss er dieses Amt in schwierigster Zeit übernehmen, in einer Notzeit nach einem Krieg.

Geboren wird Georg Rufer 1888 in Schriesheim, besucht die Realschule in Ladenburg, später die Oberschule in Heidelberg. Danach beginnt er eine Verwaltungslaufbahn als Revisor, zuletzt in Heidelberg. Als 1920 Bürgermeister Karl Hartmann im Amt verstirbt, entscheidet der Gemeinderat, nicht mehr nur einen ehren-, sondern einen hauptamtlichen Bürgermeister zu wählen.

Auf die Ausschreibung erfolgen 19 Bewerbungen. Rufer ist der einzige Schriesheimer. Damals erfolgt die Wahl nicht durch das Volk, sondern durch den Bürgerausschuss: Mit 34 gegen 23 Stimmen siegt Rufer. Unterstützt wird er von der SPD, deren Mitglied er wahrscheinlich ist, dem Zentrum (Vorläufer der CDU) und der DDP (heutige FDP) - die „Weimarer Koalition“, anfangs die Träger der ersten deutschen Demokratie.

Mit ihr führt Rufer die Gemeinde durch die Krisen der 1920er Jahre: erstes Neubaugebiet am Mühlviertel, Verbesserung der Wasserversorgung, 1925 Wiederaufnahme des im Kriege ausgesetzten Mathaisemarktes, 1928 Bau des Kriegerdenkmals, 1930 Gründung der Winzergenossenschaft zur Unterstützung des nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 notleidenden Weinbaus.

Als 1929 die Wiederwahl Rufers ansteht, hat sich das politische Klima jedoch verändert. Die „Weimarer Koalition“ ist zerbrochen, die Liberalen steigen aus. Mit der Volkswirtschaftlichen Vereinigung, einer konservativen Splittergruppe, stellen sie einen Gegenkandidaten auf: Ratsschreiber Jakob Schumann. Rufer siegt noch mal mit 34 zu 24 Stimmen.

Doch es wird noch schlimmer. Die 1928 gegründete NSDAP-Ortsgruppe entwickelt Schriesheim zu einer Hochburg des Nationalsozialismus. Mit ihren Versammlungen und Umzügen von SA und SS prägt sie das öffentliche Leben. Rufer hält offensiv dagegen. „Wo immer die gesetzliche Möglichkeit bestand, versuchte er gegen die Propaganda vorzugehen“, schreibt die ehemalige Stadtarchivarin Ursula Abele.

Es wäre „endlich Zeit, diesem Firlefanz ein Ende zu machen“, fordert Rufer im Juni 1930 in einem Brief an das Badische Innenministerium. Doch dort lässt man ihn mit dem Problem alleine. So wird er selbst aktiv, lässt Kränze der NSDAP vom Kriegerdenkmal entfernen. Höchstpersönlich reißt er bei der Bannerweihe der SA 1930 den angetretenen Formationen die Abzeichen ab.

Doch der Aufstieg der Nazis ist unaufhaltsam. Nach der Gemeinderatswahl 1930 stellt die NSDAP bereits die Hälfte des Gremiums. Bei der Reichstagswahl im März 1933 erringt sie vor Ort die absolute Mehrheit. Siegestrunken hissen ihre Anhänger tags darauf am Rathaus die Hakenkreuzfahne. Rufer wehrt sich - das hat Folgen: Am 8. März beantragt die NSDAP ein Verfahren gegen ihn. Am 17. März wird ihm die Polizeigewalt entzogen und diese dem NSDAP-Ortsgruppenleiter Fritz Urban übertragen. Gesundheitlich angeschlagen, beantragt Rufer am 18. März seine Beurlaubung. Im Herbst 1933 wird er endgültig entlassen.

Nun versucht Urban, ihn finanziell zu vernichten, ihm das Ruhegehalt zu nehmen. Doch damit scheitert er sogar vor den NS-Gerichten und tobt: „Rufer war der gemeinste Gegner des Führers und Nationalsozialismus“, schreibt er 1942 an die „Kanzlei des Führers“ in Berlin.

Die Amerikaner sind über all das informiert. Als sie Schriesheim am 28. März 1945 besetzen, betrauen sie Rufer bereits tags darauf mit der „Leitung der Gemeinde“. Hunger, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Entnazifizierung der Verwaltung - das werden nun seine Aufgaben. Trotz aller Probleme wird er im Februar 1948, als die erste Volkswahl stattfindet, unter vier Kandidaten mit 75 Prozent im Amt bestätigt.

Doch die Jahre haben ihre Spuren hinterlassen. Aus gesundheitlichen Gründen tritt er am 30. September 1952 zurück - und muss sogar erleben, wie bei der Neuwahl sein alter Gegner, der Ex-NS-Ortsgruppenleiter Fritz Urban, den Sieg davon trägt (sein Amt aber wegen seiner Nazi-Vergangenheit nicht antreten darf).

„Es wird in Deutschland eine Generation wechseln müssen“, formuliert er in jener Zeit weitsichtig, „bis wirklich demokratische Gesinnung und demokratisches Handeln in der deutschen Politik zum Durchbruch kommt“. Rufer stirbt am 3. April 1953. Sein 70. Todestag wäre nun ein guter Anlass, den Platz vor dem Zehntkeller nach ihm zu benennen.

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