Volksfest

Der Schriesheimer Mathaisemarkt brummt!

Rund 58.000 Menschen haben am ersten Wochenende den 444. Schriesheimer Mathaisemarkt besucht und ausgelassen gefeiert. An einer Stelle wurde es ganz still im Festzelt.

Von 
Konstantin Groß
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Zehntausende sind dabei, als der Festzug (hier der Wagen der "Eintracht" mit Ehrenvorsitzendem Helmut Hölzel am Steuer) durch die Straßen zieht. © Marcus Schwetasch

Schriesheim. Sonntagnachmittag, 15 Uhr. Die Temperaturanzeige an der Volksbank-Zentrale in der Bismarckstraße vermerkt zu dieser Zeit stolze 21 Grad. Dazu herrscht praller Sonnenschein. Muss man mehr sagen? Dank traumhafter Witterung, „Mathaisemarktwetter“ eben, erlebt die 444. Auflage des Bergsträßer Traditionsfestes ein furioses erstes Wochenende.

Das schlägt sich auch in konkreten Zahlen nieder. Laut offiziellen Schätzungen verbucht das erste Wochenende etwa 58.000 Besucher. Alleine den Festzug am Sonntag sehen demnach 35.000 Menschen.

Im Festzelt herrscht eine Minute lang totale Stille

Dabei kommt auch dieses Fest an den tragischen Ereignissen vom Beginn der Woche nicht vorbei. Am Eröffnungsabend bittet Bürgermeister Christoph Oeldorf die Besucher im voll besetzten Festzelt, sich zu einer Schweigeminute für die Opfer der Amokfahrt von Mannheim zu erheben, als Zeichen „der Anteilnahme, des Mitgefühls und der Solidarität“.

Und siehe da: In dem Festzelt mit fast 2.000 Besuchern, das eben noch geradezu brodelt, ist es für diese eine Minute so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören könnte. Ein zutiefst beeindruckender, ja bewegender Moment. Und eine wichtige und gelungene Initiative der Verantwortlichen.

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Und auch im Stadtbild lassen sich die Folgen der Tat in Mannheim nicht übersehen. Als Konsequenz daraus sind die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft, die Zufahrten zum Festgelände blockiert, in der Talstraße durch quergestellte riesige Lkw, in der Bismarckstraße durch Betonpoller, aufgestellt von der Mannheimer Firma FST. Dazu im Vorfeld durch Absperrungen, bewacht von privater Security. Denn: Nicht auszudenken die Folgen, sollte bei einer solchen Menschenmenge an den Straßenrändern Ähnliches geschehen wie in Mannheim.

42 Wagen und Fußgruppen ziehen durch die Straßen

Das bleibt zum Glück aus. Im Gegenteil: Für die gute Stunde, die der Festzug an den Schaulustigen vorbeiflaniert, und natürlich darüber hinaus auf dem Fest erhalten die Menschen die Gelegenheit, von der rauen Realität abzuschalten.

Auf dem kilometerlangen Weg durch die Innenstadt, vorbei auf Menschentrauben, schlängeln sich 42 Zugnummern, gestaltet zumeist von Vereinen, als Wagen mit ideenreichen Aufbauten oder als Fußgruppen in tollen Kostümen. Dazu Weinhoheiten und Musikgruppen aus der ganzen Region.

Außergewöhnliche Kostüme und Give aways für die Besucher

Gelungen sind vor allem die Kostüme. Die Aktiven des Obst- und Gartenbauvereins etwa tragen kleine Bäumchen auf ihrem Kopf. Den Vogel schießen jedoch die Handballer ab: als Schlümpfe verkleidet und geschminkt (sogar ihre Gesichter sind hellblau), auf einem Wagen, der passend zum „Wackel“-Lied kräftig schwankt. Der letzte Mann in der ökumenischen Fußgruppe der Kirchen schwenkt wiederum das Weihrauchfass.

Gedenkminute im Festzelt für die Opfer der Amokfahrt von Mannheim. © Marcus Schwetasch

Ideenreich auch die Give aways, die von den Zugbesatzungen an die Besucher am Straßenrand verteilt werden und weit über Karamellbonbons hinausgehen, diesen Lindwurm damit eben nicht einfach zu einem unkostümierten Abklatsch von Fasnachtszügen eine Woche zuvor machen. Der Odenwaldklub überreicht den Besuchern Äpfel, der Tennisclub die leuchtend gelben Bälle für den Center Court, die Altenbächer wiederum, mit Spitznamen ja „Kochlöffel“ genannt, eben diese hölzernen Stöckchen. Doch das schönste Give away ist natürlich der Wein, mit dem die Zugbesatzungen am Straßenrand den diesbezüglich erfahrenen Besuchern in die mitgebrachten Gläser befüllen.

Wahre Kunststücke werden auf der Straße vorgeführt

Manche Aktive vollführen auf der Straße kleine Vorführungen. Der Reitverein demonstriert die Legende von Sankt Martin, indem sich der imaginäre Bettler auf die Straße platziert und vom Heiligen auf einem Holzpferd einen dicken Mantel umgehängt bekommt. „Ideal bei diesem Wetter“, scherzt Moderator Joachim Müller angesichts von mehr als 20 Grad.Die Viet Vo Dao Kämpfer des KSV wiederum zeigen ihre Künste auf der Straße ebenso wie die Kinderturnabteilung des TV. Da werden auf dem Asphalt Räder geschlagen und andere Kunststücke vorgeführt, auf einer Matte, die zu diesem Zweck den ganzen langen Weg entlang mitgeführt und ab und zu auf der Fahrbahn ausgerollt wird.

Kinder und einheimische Honoratioren werden bejubelt

Begeisterung kommt natürlich vor allem auf, wenn Kinder und Jugendliche vorbeiflanieren, wie etwa die „Römerstrolche“ aus dem gleichnamigen Kindergarten. Aus der Jugendabteilung des Fußballclubs SV flaniert eine riesige Gruppe in ihren knallroten Trikots vorbei, die gar nicht aufzuhören scheint. Beeindruckend!

Originelle Idee: Die Handballer als Schlümpfe. © Marcus Schwetasch

Für die Einheimischen liegt ein Reiz des Zuges auch darin, bekannte Personen aus dem Ort zu sehen. Helmut Hölzel etwa, der Ehrenvorsitzende der „Eintracht“, steuert den Traktor seines Vereins, Altstadträtin Isolde Nelles steht auf dem Wagen der Branich IG, der sie viele Jahre lang vorstand. Und natürlich der Gemeinderat mit Bürgermeister Christoph Oeldorf an der Spitze.

Musikgruppen und Weinhoheiten aus der Region ergänzen den Zug

Und immer wieder Weinhoheiten aus der Region, allen voran natürlich jene aus Schriesheim. Maren Gadzalli, Anne Havemann und Kim Röger können von ihrem Wagen herab zeigen, dass sie das huldvolle Winken, die sogenannte „liegende Acht“, bereits bestens beherrschen.

Immer wieder schön anzusehen: Die Kleinsten beim Festzug, hier die Kinder der „Römerstrolche“. © Marcus Schwetasch

Und wie immer gibt es viel Musik. Bei der Musikschule sitzt eine ganze Band auf dem Wagen, die „Crushing Jars“. Die Musiker, die zu Fuß unterwegs sind, bleiben stehen und geben ein kleines Platzkonzert, so etwa die Jagdhornbläser. Und manche Gruppen entführen besonders die Gäste aus den benachbarten Großstädten wie Mannheim oder Heidelberg in eine andere Welt, wie etwa die Feuerwehrkapelle Laudenbach oder die Trachtenkapelle Heiligkreuzsteinach. Und der Großstädter staunt, wie viele Jugendliche darin finden.

Die neuen Weinhoheiten beherrschen das huldvolle Winken schon ausgezeichnet. © Marcus Schwetasch

Vor allem den Fahnenträgern in ihren schweren heraldischen Uniformen, die ihre quadratmetergroßen Stoffe den ganzen Weg entlang über die Köpfe der Zuschauer schwenken, sieht man die hohen Temperaturen jenes Tages an. Viele können das gute Wetter kaum fassen. Denn: „Bei diesem Anlass“, so erinnert sich Moderator Joachim Müller, „hatten wir auch schon mal Schnee“.

Lautstarke Begleitung beim Festzug zum 444. Mathaisemarkt sind die „Zahlekracher“ aus Heddesheim. © Marcus Schwetasch

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