Schriesheim. Es ist ein Richtfest mit gemischten Gefühlen: Freude über den fertigen Rohbau für den neuen Kindergarten Kunterbunt, aber auch Trauer um den Zimmermann, der im Dezember auf der Baustelle tödlich verunglückt war. „Wir wollen trotzdem versuchen, ein Richtfest hinzubringen“, sagt Zimmermeister Georg Grüber zu Beginn. Das wäre auch im Sinne des verstorbenen Kollegen gewesen. Vor den traditionellen Ritualen des Richtfests gedenken die Anwesenden des Verstorbenen in einer Schweigeminute.
Seit dem Spatenstich im August 2023 haben die Zimmerleute und die anderen beteiligten Firmen in der Conradstraße zwei Geschosse in Holzbauweise errichtet. „Recht viel Glück“ wünschen die Zimmermänner Marcel Ahl, Nickel Grüber und Andreas Ortmann in ihrem Richtspruch dem Gebäude; Lehrling Aaron Meier stimmt auf der Trompete das „Schriesemer Lied“ an. Bürgermeister Christoph Oeldorf äußert sich zuversichtlich, dass das Gebäude ein „echter Hingucker in Schriesheim“ werde.
Eine Kindergartengruppe mehr wird Platz finden
Das nach aktuellem Stand 7,5 Millionen Euro teure Gebäude soll im Frühjahr 2025 fertiggestellt werden. „Wir freuen uns, wenn wir hier einziehen können“, sagt „Kunterbunt“-Leiterin Kerstin Hoffmann. In dem 1500 Quadratmeter großen Neubau soll noch eine Kindergartengruppe mehr Platz finden als im Altbau in der Mannheimer Straße. Dieser wird abgerissen; an gleicher Stelle soll ein neues Gebäude für den Kindergarten „Wolkenschloss“ entstehen.
Im Rohbau sieht man aktuell vor allem jede Menge Nadelholz. Nur an wenigen Stellen finden sich Beton oder Metallelemente. Man habe so viel Holz wie möglich eingesetzt, sagt Architekt Marcus Teske, zähle sich aber nicht zu den „Fetischisten“ des Holzbaus: Falls nötig, dürfe es auch mal ein Stahlträger sein.
Tragende Elemente aus Holz sind kein Brandrisiko
Während das Holz auch nach Fertigstellung die Außenansicht des Gebäudes dominieren wird, kann es in den Innenräumen nicht ganz so sichtbar bleiben. Das sei unter anderem dem Lärmschutz geschuldet, erklärt Teske: „Wir müssen die Decken verkleiden, um die Akustik im Griff zu behalten.“ Auch für den Brandschutz seien freiliegende Holzflächen ungünstig, fügt Tragwerksplaner Patrick Minkus hinzu. Um die Brandsicherheit müsse man sich aber auch bei einem Holzbau keine Sorgen machen: Die tragenden Bauteile seien darauf ausgelegt, einem Feuer eine halbe Stunde standzuhalten, so Teske.
Ein besonderes Element ist aus Sicht des Architekten ein rund 1,60 Meter breiter Laubengang auf beiden Etagen, der sich an einer Ecke zu einer kleinen Terrasse weitet. „Damit schlagen wir mehrere Fliegen mit einer Klappe“, so Teske: Er dient den Kindern als überdachte Spielfläche an der frischen Luft, fungiert über eine Treppe als zusätzlicher Fluchtweg und verschattet die Innenräume.
Der Laubengang soll zum Teil mit Holzlamellen verkleidet werden. laut Teske sorgt das dafür, dass die Grenzen zwischen innen und außen optisch „fließen“. So entstehe auch ein Übergang zu den umstehenden Bäumen. Außerdem wird die Fassade durch die Lamellen zusätzlich strukturiert. Ein „klares Raster und eine klare Form“ zu finden, ist aus Sicht Teskes „die erste Grundregel des Holzbaus“.
Der Neubau soll aber nicht nur schön aussehen, sondern auch hohen Ansprüchen an den Umweltschutz genügen. Dafür sorgen neben dem CO2-neutralen Baustoff Holz eine Photovoltaik-Anlage auf dem Flachdach und vor allem die Anlagen für Heizung und Kühlung. Für beide Zwecke kommt in erster Linie eine Wärmepumpe zum Einsatz. Sie ist an eine rund 60 Zentimeter dicke Betonplatte unter dem Fundament angeschlossen. Diese Betonplatte diene, je nach Jahreszeit, als Wärme- oder Kältespeicher, erklärt Ingenieur Dietmar Defièbre, dessen Firma für die Gebäudetechnik verantwortlich ist.
Teure Lüftungsanlage ist ein echtes Multitalent
Dazu kommt eine aufwendige Lüftungsanlage. Wegen ihrer hohen Kosten - Stand 2022 rund 195 000 Euro - hatte sie im Gemeinderat für Diskussionen gesorgt. Dafür kann die Anlage auch Einiges: Sie „befeuchtet, entfeuchtet, macht frische Luft“, erklärt Defièbre. Bei Bedarf kann die Lüftungsanlage außerdem zusätzlich kühlen. Bei dieser „adiabatischen“ Kühlung wird, wie beim Schwitzen, die Kälte genutzt, die beim Verdunsten von Wasser entsteht. Unterm Strich, so Defièbre, könne es innen damit rund fünf Grad kühler werden als außen.
Der Einbau der Gebäudetechnik gehört nun zu den nächsten Schritten, die auf der Baustelle anstehen. Außerdem wollen die Zimmermänner ihrem verstorbenen Kollegen noch ein kleines Denkmal setzen: An der Stelle, an der er verunglückte, werden sie eine Kapsel in ein Bauteil einarbeiten. Darin wollen sie zum Gedenken ein Dokument mit ihren Unterschriften legen.
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