Die Eröffnung des Branich-Tunnel, der das Nadelöhr zwischen Odenwald und Rheinebene entschärft, ist ein bedeutendes Ereignis für die Region, vor allem aber für Schriesheim. Die Festlichkeiten zu den einzelnen Etappen des Mammutprojektes sind daher Meilensteine der Stadtgeschichte, aber zuweilen auch politisch turbulent, wie die heutige fünfte und letzte Folge unserer kleinen Artikelserie über das Projekt zeigt.
Nachdem am 17. November 2008 der erste Spatenstich durch Innenminister Heribert Rech (CDU) gesetzt ist, muss die Frage entschieden werden, wer das Amt der Tunnelpatin übernehmen soll; traditionsgemäß soll sie ja für die Sicherheit beim Bau sorgen. Bei großen Tunneln erledigt das oftmals die Frau des jeweiligen Ministerpräsidenten.
Einer Bitte von Regierungspräsident Rudolf Kühner entsprechend, erklärt sich Birgit Ibach-Höfer, die Frau des Bürgermeisters, bereit. Die CDU läuft Sturm: "Es ist doch Ironie, dass dieses Amt ausgerechnet die Frau eines Bürgermeisters übernimmt, der noch als grüner Stadtrat mit seiner Fraktion gegen den Tunnel gekämpft hat", erregt sich CDU-Fraktionschef Paul Stang.
Erste Sprengung im Februar 2012
Doch eine Alternative hat auch er nicht parat. So übernimmt Birgit Ibach-Höfer die Würde und die symbolische Handlung für den Baubeginn: den Tunnelanstich mit der ersten Sprengung am 1. Februar 2012.
Welch ein Tag für Schriesheim! Schon das Erscheinungsbild des Schauplatzes an der Tunnelbaustelle gerät eindrucksvoll. Im eiskalten Wind flattern die Fahnen der Stadt und des Landes. Auf der im Zuge des Tunnelbaus neu errichteten Feldweg-Brücke finden sich Hunderte von Schriesheimern ein, um das Geschehen zu verfolgen.
Bürgermeister Hansjörg Höfer greift zu einem großen Wort: "Spätere Generationen werden die Stadtgeschichte einteilen in die Zeit vor und nach dem Tunnel." Dann aber gehört die Bühne seiner Frau: In orangefarbenem Bauarbeiter-Overall, gelben Gummistiefeln und mit Helm drückt sie den Sprengknopf.
Die evangelische Pfarrerin Suse Best und ihr katholischer Amtsbruder Ronny Baier segnen das Projekt, der Posaunenchor intoniert das "Barbara-Lied". Die folgenden Bauarbeiten bleiben ohne Unfälle - die Tunnelpatin erfüllt ihre Aufgabe also gut, und das mit großem Engagement, wie ihr bescheinigt wird.
Die Arbeiter, Mineure genannt und oft fern ihrer Heimat im Einsatz, werden zu Weihnachten beschenkt oder an Mathaisemarkt von ihr eingeladen. Derart motiviert schaffen sie es, dass bereits am 1. August 2013 am Ostportal der Durchstich erfolgt.
Durchstich im August 2013
Gute 35 Grad prasseln auf die riesige Menschenmenge, die sich zur besten Mittagszeit dort einfindet. Bereits über eine Stunde zuvor ergießt sich ein langer Strom von Schaulustigen zur Baustelle.
Doch nicht alle können bis vor zum Tunnelmund gelangen. "Sicherheitsgründe" erläutert Peter Siepe, Chef des Straßenbauamtes Heidelberg. Immerhin sei das hier trotz allem noch eine Großbaustelle (das kommt einem bekannt vor). Die Ehrengäste stehen am Tunnelmund, das Gros der Schaulustigen oberhalb der Einfahrtsschneise. Doch von dort haben sie idealen Galerieblick.
Dann ist es so weit: Die Tunnelpatin steigt eine hölzerne Treppe empor und klopft mit dem Hammer dreimal an die Tunnelwand. Von innen arbeitet sich deutlich hörbar eine Bohrmaschine durch das Gestein. Exakt um 14.55 Uhr ist der symbolische Durchstich geschafft.
Doch mehr noch als der Presslufthammer sorgt die Begrüßungsrede Hansjörg Höfers für Erschütterungen: Ausgerechnet Peter Riehl vergisst er zu erwähnen. Und wir wären nicht in Schriese, führte dies nicht zu einem Sturm der Entrüstung.
"Eine Schande!", erregt sich CDU-Ortsverbandschef Daniel Schneegaß. Höfer entschuldigt sich mit der Aufregung dieses historischen Tages auch für ihn: "Es war nicht bös' gemeint." Und er versichert, nicht wieder zu vergessen, Riehl zu begrüßen. Er hält sich daran. Sicher auch und gerade heute.
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