Der AfD-nahe „Schriesheimer Demokratie- und Kulturverein e. V.“ wird vom Verfassungsschutz bislang nicht überwacht. Eine solche Beobachtung ist jedoch möglich, sobald „tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen“. Dies teilte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage der Schriesheimer Landtagsabgeordneten Fadime Tuncer (Grüne) mit.
Der „Schriesheimer Demokratie- und Kulturverein“ wird laut Handelsregister am 3. Mai vergangenen Jahres gegründet. Satzungsmäßiges Ziel ist unter anderem „die Förderung und Pflege der deutschen Kultur in Schriesheim und Umgebung“. Vorsitzender ist Thomas Kröber, der seit der Wahl 2019 für die AfD im Schriesheimer Gemeinderat sitzt.
Mit seiner Gründung erwirbt der Verein als Schriesheimer Organisation gemäß der geltenden Regularien für das Amtliche Mitteilungsblatt der Stadt das Recht, darin eigene Beiträge zu publizieren. Im Veröffentlichungsteil für Vereine äußert sich der AfD-Stadtrat in seiner Funktion als Vorsitzender dieses Vereins seither regelmäßig zu aktuellen politischen Themen aus AfD-Sicht.
So verbreitet Kröber am 21. September die umstrittene Theorie von einem „Bevölkerungsaustausch“, auch wenn diese „von Regierungsseite, den angeschlossenen Medien und vom abhängigen Bundesamt für Verfassungsschutz . . . vehement bestritten“ werde. Am 5. Oktober begründet er hier sein Fernbleiben bei der offiziellen Einbürgerungsfeier der Stadt: „Ist damit gemeint, dass man vermehrt Frauen mit Kopftuch und langen Mänteln sowie Männer mit Bärten auf den Straßen sieht?“
„Deutsch, national, männlich“
Auch andere Mitglieder des Vereins pflegen derartige Diktion: „Was, bitteschön, soll an der deutschen Nationalmannschaft noch deutsch, national oder männlich sein?“, fragt etwa Lukas Huber im Sommer 2021: „Eine deutsche Fußballnationalmannschaft, die ihrem Namen gerecht werden will, ist als Kulturträger und sportlicher Repräsentant des Deutschtums in der moralischen Pflicht, in aller Konsequenz deutsche Tugenden . . . zu vertreten.“
Konzentriert verbreitet der Verein seine Inhalte außerdem in einer eigenen Zeitung; sie wird von der Firma ProPrint in Hirschberg gedruckt und bislang drei Mal flächendeckend in der ganzen Stadt verteilt.
Derartige Vereinsaktivitäten von AfD-Funktionären sind in der Region allerdings kein Einzelfall. Das zeigen der Verein „Jugend für Demokratie und Europa e. V. “ in Hockenheim oder der „Verein konservativer Kommunalpolitiker“ in Waghäusel.
Das bewog Fadime Tuncer zu einer parlamentarischen Anfrage. Darin beantragt sie Auskunft darüber, wie die Landesregierung die Aktivitäten solcher Vereine einschätzt - speziell „mit Blick auf eine mögliche juristische Relevanz wie beispielsweise Volksverhetzung beim Schriesheimer AfD-Stadtrat und Vorsitzenden des Schriesheimer Demokratie- und Kulturvereins in kommunalen Mitteilungsblättern“.
Die Antwort der Landesregierung liegt nun vor, und sie fällt zweigeteilt aus. „Es liegen keine belastbaren Erkenntnisse im Sinne der Fragen vor“, antwortet Innenminister Thomas Strobl (CDU): „Aus dem Umstand, dass die hier angeführten Vereine Bezüge zur AfD aufweisen oder AfD-Mitglieder die Gründung von Vereinen initiiert haben bzw. in den Vereinsvorständen vertreten sind, folgt nicht zwangsläufig, dass sich der Beobachtungsauftrag des Landesamtes für Verfassungsschutz auf diese Vereine erstreckt.“
Doch das ist nur der Ist-Zustand: „Welche Strukturen die AfD initiiert bzw. unterhält, um einen verfassungsfeindlichen Kurs voranzutreiben, ist Gegenstand der weiteren Beobachtung.“ Für den Tatbestand der Volksverhetzung bedeutet dies laut Strobl: „Sofern der Polizei Hinweise auf strafbare Handlungen vorliegen, werden diese konsequent verfolgt.“
Tuncer ist mit der Antwort des Ministers sehr zufrieden. Zentral ist für sie „die Erkenntnis, dass eine Beobachtung dieser Vereine für die Zukunft nicht ausgeschlossen ist“.
Bei einer anderen Stellschraube, den Regularien für Veröffentlichungen im Mitteilungsblatt, herrscht dagegen derzeit Stillstand. Im September letzten Jahres hatte der damalige Bürgermeister Hansjörg Höfer eine Neuregelung in den Gemeinderat eingebracht, die derartige Veröffentlichungen unmöglich gemacht hätte. Da davon jedoch alle Vereine betroffen gewesen wären, scheiterte er damit im Rat - auch an den Grünen.
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