Stadtteilgeschichte

Wie die Mannheimer Innenstadt wurde, was sie heute ist

Orte betreten, die sonst nicht zugänglich sind: Das ist Mannheimern bei einem Rundgang des Bürger- und Gewerbevereins durch die Innenstadt ermöglicht worden. Welche Geschichten sich dabei offenbart haben

Von 
Sylvia Osthues
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Wolfgang Ockert und Alexander Wischniewski (v.l.) begrüßen die Teilnehmer in der barocken Schlosskirche. © Sylvia Osthues

Mannheim. „Ganz überwältigt vom großen Zuspruch“, war der Vorsitzende des Bürger- und Gewerbevereins Östliche Innenstadt, Wolfgang Ockert. Nach drei Jahren pandemiebedingter Pause nahmen mehr als 40 Personen teil am historischen Stadtteilrundgang Westliche Oberstadt mit Tanja Vogel (Reiss-Engelhorn-Museen) und Wolffried Wenneis (Bürger- und Gewerbeverein Östliche Innenstadt).

Der Vereinsvorstand hatte ein interessantes Programm zusammengestellt mit Besuch von Räumen, die nur schwer oder gar nicht zu begehen sind. Der Stadtrundgang begann an der Schlosskirche. Sie diente von 1731 bis 1777 als Hofkapelle der Kurfürsten von der Pfalz. 1874 wurde die Kirche an die Altkatholische Gemeinde übergeben. „Im 2. Weltkrieg brannte die Schlosskirche aus und wurde in den 50er Jahren wieder aufgebaut“, berichtete Alexander Wischniewski, Priester im Ehrenamt.

Normalerweise nicht zugänglich ist die kleine Gruft unter dem Altar, die Carl Philipp für sich und seine morganatische, also nicht seinem Adelsrang entsprechende, dritte Gemahlin Violante Gräfin von Thurn und Taxis einbauen ließ. In den Wirren der Nachkriegszeit wurden die Särge 1946 aufgebrochen und geplündert.

Das Haus einer Mannheimer Ehrenbürgerin

Das nächste Ziel war das ehemalige Wohnhaus von Heinrich und Julia Lanz in A 2, 6 und 7, das viele Jahre Teil der Hedwigsklinik war. Während seines Zivildienstes hat Kunsthistoriker Tobias Möllmer eine Beziehung zu dem Haus aufgebaut. Er berichtete: „Das Haus A 2, 6 mit seiner Fassade aus weißem Sandstein wurde 1873 erbaut.“ Julia Lanz ließ 1909 nach dem Tod ihres Mannes Heinrich 1905 das Haus A 2,7 durch den Mannheimer Architekten Rudolf Tillessen errichten. Die Fassade ist aus grauem Muschelkalk. „Dabei wurde auch der Altbau modernisiert und die beiden Wohnungen zu einem Komplex zusammengefügt,“ erklärte Möllmer.

Besonders interessant für die Teilnehmenden war der Blick in das normalerweise nicht zugängliche Gebäudeinnere. Trotz jahrzehntelanger Nutzung als Krankenhaus ist die Innenausstattung aus der Erbauungszeit noch in großen Teilen erhalten: Üppige Stuckverzierungen, Holzvertäfelungen, Tapeten aus Leder, die teilweise geprägt und bemalt sind, und Parkettfußböden aus verschiedenen tropischen Edelhölzern.

„Erwähnenswert ist, dass Julia Lanz als erste Frau 1910 für ihre karitativen und sozialen Verdienste zur Mannheimer Ehrenbürgerin ernannt wurde“, ergänzte Wolffried Wenneis. Eigentümer des Gebäudekomplexes sind heute die Barmherzigen Brüder Trier, die beide Häuser einer Mischnutzung aus Wohnen, inklusivem Café und Tagespflege zuführen werden, wie Claus Radan, stellvertretender Hausoberer, erzählte.

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Weiter ging es von Familie Lanz zu Familie Engelhorn. „Im circa 1730 erbauten barocken Haus in C 4, 6 hat Friedrich Engelhorn als Goldschmied gearbeitet und gewohnt, hier wurden auch seine drei Kinder geboren“, erzählte Wenneis. Einer Legende nach sei in einer abendlichen Zechrunde mit seinem Untermieter bei Engelhorn die Idee entstanden für eine Gasfabrik in Mannheim - „Zündfunke“ für die spätere BASF. Seit 2013 ist die Stadt Mannheim Eigentümerin des Hauses. Als Archäologen der Reiss-Engelhorn-Museen das Grundstück untersuchten, kam als Besonderheit eine repräsentative Rokoko-Treppe zum Vorschein.

Abschluss des kurzweiligen Stadtrundgangs war ein Besuch in der ehemaligen Mannheimer Börse, heute städtische Musikschule in E 4, 12-16. Das neobarocke Gebäude wurde 1899 nach Abriss des Hotels Portugal errichtet. „Reste im ehemaligen Börsensaal erzählen vom einst bedeutenden Produktenhandel mit Weizen und anderem Getreide“, so Ockert. Heute wird der Saal von der Städtischen Musikschule für Aufführen und Proben genutzt. Achim Ringle, Sachgebietsleiter Streichinstrumente, erzählte von einstigen Proben, bei denen es in den Telefonzellen noch geklingelt hat.

Historisch sind auch die im gleichen Komplex gelegenen Räume des Cafés Prag, wo der Stadtrundgang seinen Ausklang fand bei Kaffee und Kuchen, spendiert vom Bürgerverein.

Freie Autorin

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