Wallstadt. Immer wieder gibt es anfangs Zwischenrufe, wird teils hämisch gelacht. Und danach stehen noch lange teils erregt, teils frustriert diskutierende Grüppchen zusammen. Denn es ist „ein bitterer Abend für Wallstadt“, wie der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Fulst-Blei die Veranstaltung der Evangelischen Kirche zum Verkauf und Abriss des Gemeindehauses der Petruskirche zusammenfasst.
„Das macht mir ja auch keinen Spaß“, seufzt Dekan Ralph Hartmann, nachdem er mehrfach angegriffen wird. Aber er sehe sich in der Verantwortung, auf die gesunkene Zahl von Kirchenmitgliedern zu reagieren. 2019 sei der Sanierungsstau für die 32 Kirchen des Dekanats, noch ohne Gemeindehäuser, auf 21,5 Millionen Euro geschätzt worden. „Heute sind es sicher 30 Millionen Euro“, so Hartmann. Als Budget stehen aber nur sechs Millionen Euro zur Verfügung. Und während 1968 eine Kirche auf 5.000 Gemeindemitglieder gekommen sei, so wären es heute 2.000. „Wir hätten schon viel früher anfangen müssen, uns von Gebäuden zu trennen“, so Hartmann selbstkritisch. Aber inzwischen stehe fest, dass man von 32 Kirchen nur zwölf dauerhaft behalte, von 14 Gemeindehäusern fünf bis sechs.
Sanierungsstau von etwa 630.000 Euro
Für Wallstadt bedeutet dies, dass die Petruskirche erhalten bleibt, man sich vom Gemeindehaus aber trennen werde. An dem Haus aus den 1950er-Jahren gebe es „Schäden an der Bausubstanz, es fällt aber nicht morgen zusammen“, so Daniel Koch, Leiter der Bauabteilung des Dekanats. Es gebe, da die Leitungen alle noch aus der Bauzeit stammen und das Gebäude nicht gedämmt ist, indes einen Sanierungsstau von etwa 630.000 Euro. „Das ist für die Kirche nicht abbildbar“, so Koch. Die laufenden Betriebskosten für das Gemeindehaus beziffert Pfarrerin Sina Kaiser auf 30.000 Euro im Jahr – bei 3.000 bis 4.000 Euro Mieteinnahmen.
Schade, dass nur auf Kosten geschaut wird, wo ist die Kirche noch nahbar?
Die könnten höher sein, wenn sich die Kirche nicht weigern würde, an politische Parteien zu vermieten, hält ihr da die frühere SPD-Stadträtin Claudia Schöning-Kalender entgegen. Mehrere Gemeindemitglieder beklagen, die Kirche argumentiere immer nur mit Geld. „Schade, dass nur auf Kosten geschaut wird, wo ist die Kirche noch nahbar?“, fragt SPD-Bezirksbeirat Jürgen Anselmann: „Ich bin sehr traurig!“ Mehrfach wird darauf verwiesen, dass der Park ehrenamtlich angelegt worden sei und ehrenamtlich gepflegt werde. „Da steckt viel Eigenarbeit drin!“, so Martin Straub, 33 Jahre Kirchenältester. Und besonders empört einige Wallstadter, dass auch ein Teil des Petrusparks mitveräußert werden soll, der bis 1857 als Friedhof diente. „Das ist unmöglich, da liegen Verwandte von mir drin!“, ruft ein Mann.
Die Fläche stehe im Eigentum der Kirche. Knapp die Hälfte des Parks solle, so Hartmann, an einen neuen Nutzer abgegeben werden – in Erbpacht. „Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Parkfläche bleibt“, versucht er, die Gemüter zu beruhigen. Schließlich dürfe rein baurechtlich in Wallstadt nicht das gesamte Grundstück bebaut werden. Wahrscheinlicher künftiger Pächter ist die Theodor-Fliedner-Stiftung, die hier vermutlich betreutes Wohnen realisieren will. Bis zum Sommer werde man mit ihr exklusiv verhandeln auf Basis eines Wertgutachtens, nach dem sich dann der Erbbauzins errechne. Laut Bebauungsplans handelt es sich um eine Gemeinbedarfsfläche – kommerzieller Wohnungsbau wäre also derzeit ausgeschlossen.
Suche nach Übergangslösung
Laut Pfarrerin Kaiser gibt es kaum kirchliche Veranstaltungen, für die man das „große Raumvolumen“ brauche. Für die Treffen von Gruppen und Kreisen sei man mit der Katholischen Kirche für eine Mitnutzung der Gemeinderäume im alten Kindergarten von Christ-König im Gespräch, der Posaunenchor könne auch zusammen mit dem Posaunenchor Feudenheim proben und für die Petruskirche laufe eine Machbarkeitsstudie, um sie mit einem kleinen Pavillon zu ergänzen. „Wir müssen die Kräfte bündeln“, so die Pfarrerin, denn ab 2026 seien ohnehin die Gemeinden Feudenheim, Vogelstang, Wallstadt und Käfertal zu einer Gemeinde zusammengefasst. „Es gibt eben gesellschaftliche Veränderungen, das retten wir nicht“, so Sina Kaiser.
„Wir haben keine Chance mehr, das zu revidieren“, bedauert CDU-Bezirksbeirat Uli Köhler den Abschied vom Gemeindehaus. Er appelliert aber an die Kirche, den Vereinen so lange eine Nutzung zu ermöglichen, bis das Kultur- und Sportzentrum von der Stadt fertig gebaut ist. „Sonst stehen viele Vereine vor dem Aus!“, so Manuela Müller, FDP-Bezirksbeirätin. „Man muss auf jeden Fall verhindern, dass die ganze Struktur wegbricht und das Licht ausgeht“, warnt Fulst-Blei, da ja auch die katholische Kirche ihr Gemeindehaus aufgebe. Hartmann sagt zu, mit dem künftigen Pächter eine Lösung zu suchen, dass die Räume nutzbar bleiben, bis der Abriss erfolgt – was sicher noch etwa zwei Jahre dauern werde, nimmt er an. Voraussetzung für diese Übergangslösung sei aber, dass sich jemand finde, der die Verantwortung für das Gebäude trage, denn die Kirche könne und wolle es nicht mehr sein.
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