Neckarau. Natur erleben auf der Reißinsel – unter diesem Motto führte Biologe Thomas Kilian kurz vor der jährlichen Schließung Besucher durch Mannheims ältestes Naturschutzgebiet. Eingeladen hatte die Neckarauer Lokale Agenda 21, rund 50 Naturinteressierte folgten der Einladung und erkundeten unter der fachkundigen Leitung Kilians, der als Experte bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Mannheim tätig ist, die einzigartige Rheinauen-Landschaft im Neckarauer Rheinbogen
Bei strahlendem Sonnenschein erfuhren die Teilnehmer mehr über die Bedeutung des Schutzgebiets für seltene Tier- und Pflanzenarten sowie den Wert der Reißinsel für die Stadt und ihre Bewohner. Besonders beeindruckend waren die artenreichen Biotope, darunter Hochwasserrinnen, Auwiesen und die weitläufige Streuobstwiese mit alten Obstsorten. Der Spaziergang bot spannende Einblicke in die ökologische Vielfalt der Reißinsel und zeigte, wie wertvoll ungestörte Naturräume für den Artenschutz sind.
Was mit 40 heimischen Apfelsorten im Naturschutzgebiet geschieht
Der Biologe Thomas Kilian informierte beim Spaziergang über die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt der Reißinsel. Besonders erwähnte er den seltenen Eichenheldbock, dessen Population sich hier erholt habe. Auch giftige Pflanzen wie die Herbstzeitlose dürfen in dem Naturschutzgebiet ungestört wachsen. Dass die Pflanze auch Schwiegermuttertod genannt wird, sorgte bei einigen Teilnehmern für Schmunzeln.
Eine weitere Station war die große Streuobstwiese. Rund 40 Apfelsorten werden hier geerntet und an die Bio-Kelterei Falter verkauft, um den Baumschnitt zu finanzieren. Birnen, Zwetschgen und Kirschen bleiben der Natur überlassen. Die Bäume dürfen alt werden und erst nach dem Umfallen ersetzt werden – bevorzugt durch regionale Sorten.
Wilde Weinrebe ist die wichtigste Pflanzenart auf der Reißinsel
Eine der seltensten und wichtigsten Arten der Reißinsel ist die Wilde Weinrebe. Sie kam früher im Oberrheingebiet zu Tausenden vor; heute gibt es im Oberrheingebiet nur noch etwa 40 Exemplare. Nur ein Nachzuchtprogramm konnte das Verschwinden der wilden Weinrebe auf der Reißinsel verhindern.
Vor 35 Jahren beschloss der Gemeinderat erstmals, Besucher von März bis Juli gänzlich von der Rhein-Halbinsel zu verbannen. Erst im Sommer, nachdem Sumpfrohrsänger, Hohltaube und Co. ihre Nester gebaut, Eier gelegt und Jungen aufgezogen haben, sind Jogger und Spaziergänger wieder willkommene Gäste - bis März. Hunde und Radfahrer müssen, da das Gebiet auch formal unter Naturschutz steht, sowieso das ganze Jahr über außerhalb des eingezäunten Areals westlich des Bellenkrappen bleiben.
Bann- und Schonwald seit den 1980er Jahren auf der Reißinsel
Nach dem Tode Karl Reiß´, der die damalige Fasaneninsel 1881 erworben hatte, wurde sie erstmals 1914 für jedermann geöffnet - und zwar einmal wöchentlich für einige Stunden. Zu Lebzeiten des Mäzens fanden auf den Wiesen Kinderfeste statt.
Mitte der 1980er Jahre wurden Teile der Reißinsel zum Bann- und Schonwald erklärt, die Auenlandschaft entwickelt sich hier seither völlig ohne Eingriffe des Menschen. Bis 1990 gab es mehrere Zugänge zu dem Gebiet, die nach einem heftigen kommunalpolitischen Streit bis auf einen geschlossen wurden. Seit 1993 schließt die Stadt die Insel während der Vogelbrut-Monate komplett.
Thomas Kilian erinnerte bei dem Rundgang an das soziale Engagement der Familie Reiß, die einst bedürftige Menschen mit Obst versorgte. Schon vor über 100 Jahren wurden Kinder eingeladen, die Natur der Insel zu entdecken. Heute ist die Reißinsel nicht nur ein wertvolles Naturschutz- und Vogelschutzgebiet, sondern auch Lebensraum für bis zu 3.000 Tierarten. zg/lang
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