Mannheim. Der Vormittag des dritten Prozesstages um ein abgestelltes Sauerstoffgerät im Mannheimer Theresienkrankenhaus (TKH) endet mit einer Überraschung. Rechtsanwalt Alexander Klein, der die 73-jährige Hatun C. vertritt, die am 29. November 2022 zwei Mal das Sauerstoffgerät ihrer Zimmernachbarin auf der Covid-Isolierstation des TKH abgestellt haben soll, hält fast schon eine Art Zwischenplädoyer. Darin beschreibt Klein, wie die Verteidigung die bisherigen Beweise und Zeugenaussagen wertet - und bittet das Schwurgericht um ein Gespräch.
Ziel sei es, mehr darüber zu erfahren, wo die Kammer stehe, sagt Klein - um zu entscheiden, ob die Verteidigung weitere Beweisanträge stellen werde oder nicht. „Das ist eine große Wiese, die wir noch beackern können“, sagt er. Hatun C. muss sich seit Anfang September vor dem Mannheimer Landgericht verantworten, weil sie das Sauerstoffgerät ihrer Bettnachbarin im TKH zwei Mal abgestellt haben soll - offenbar, weil sie sich durch die Geräusche der Apparatur gestört fühlte.
Die 79-Jährige musste wiederbelebt werden, wenige Wochen später starb sie an Multiorganversagen. Aber: „Das Abschalten des Sauerstoffgeräts war für den Eintritt des Todes nicht ursächlich“, sagte Oberstaatsanwältin Katja König zu Beginn des Verfahrens.
Konnte Angeklagte Appell der Krankenschwester verstehen?
Am dritten Prozesstag erklärten Sachverständige, wie sie zu dieser Einschätzung kamen. Im Gehirn hätten sich zwar Veränderungen gezeigt, die auf einen Sauerstoffmangel zurückzuführen seien. Diese mit dem Vorfall 18 Tage zuvor in Zusammenhang zu bringen, sei aber „nicht ausreichend möglich“, so der rechtsmedizinische Gutachter, der auch die vielen Vorerkrankungen der 79-Jährigen beschrieb.
Später an diesem Prozesstag bittet Klein dann um das Gespräch mit der Kammer. Hatun C., seine Mandantin, sei wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt, sagt Verteidiger Klein. Doch einen bedingten Tötungsvorsatz könne die Verteidigung nicht erkennen. Klein hob die mangelnden Sprachkenntnisse der 73-Jährigen hervor. Er bekräftigte seine Zweifel daran, ob sie überhaupt habe verstehen können, was die Krankenschwester zu ihr sagte, als sie an Hatun C. appellierte, das Gerät nicht wieder abzustellen, weil ihre Zimmernachbarin sterben könne.
Was der psychiatrische Sachverständige über Hatun C. sagt
Auch habe Hatun C. nicht zwangsläufig schlussfolgern können, dass der Alarmton des Geräts eine echte Gefahr ankündigte. „Das Piepsgeräusch war im Laufe des Tages schon circa 20 Mal losgegangen, ohne weitere Konsequenzen“, sagt Klein, der eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung für angemessen hält. Bereits in der Anklage hatte die Oberstaatsanwältin darauf hingewiesen, dass die 79-Jährige die Atemmaske mehrfach selbst abgezogen hatte.
Am Nachmittag weist der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz ein Gespräch zurück, verweist auf die Urteilsbegründung, in der die Kammer ihre Einschätzung kundtue. Dann bittet er den Psychiatrischen Sachverständigen um seine Einschätzung. Wegen der „fehlende Mitwirkungsbereitschaft“ der Angeklagten habe er sie nicht persönlich begutachten können, so der Sachverständige. Seine Erkenntnisse habe er aus den Akten und der Hauptverhandlung gezogen, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, der keine verminderte Schuldfähigkeit festellen konnte. Dann stellt Klein weitere Anträge, will mehr Zeugen hören, die etwas zu den Sprachkenntnissen von Hatun C. sagen sollen.
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