Mannheim. „Schockierend“, „menschenunwürdig“, „absolut untragbar“, „nicht mal als Provisorium akzeptabel“ - bei den Zuständen in der Flüchtlingsunterkunft in der Bochumer Straße zeigt sich der Integrationsausschuss des Mannheimer Gemeinderats am Dienstag parteiübergreifend absolut einig.
Auf die Tagesordnung hat das Thema der Migrationsbeirat gesetzt. Dessen Vorsitzende Zahra Alibabanezhad Salem weist auch darauf hin, dass die jungen Männer in dem vorherigen Arbeiterwohnheim im Rheinau-Hafen durchweg längere Bleibeperspektiven hätten. Eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer Syrien, Afghanistan und Irak sei auf absehbare Zeit unmöglich. Diese Menschen mit Kriegs-Traumata müsse man so unterbringen, „dass sie ihre Würde behalten“. Und nicht an einem Ort, an dem nicht mal die Toiletten richtig funktionierten.
Keine klare Zusage
Der Migrationsbeirat hat daher nicht nur beantragt, die Missstände bei Hygiene und Brandschutz in dem Heim zu beseitigen. Sondern auch, spätestens bis Jahresende allen Bewohnern andere Plätze zuzuweisen. Über den Antrag lässt Bürgermeister Michael Grötsch als Sitzungsleiter gar nicht erst abstimmen. In der Beurteilung der Lage seien sich ja alle einig, und die Verwaltung arbeite bereits „mit Hochdruck“ an Abhilfe. Er „hoffe sehr“, dass die Unterkunft bis Ende des Jahres wie geplant geschlossen werden könne. Eine klare Zusage macht Grötsch hier jedoch nicht.
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Mehrere Ausschussmitglieder haken nach, ob nicht das vom Migrationsbeirat vorgeschlagene ehemalige Karl-Weiß-Heim in L 10 in Frage komme. Dazu heißt es aus der Verwaltung, nach „erster Inaugenscheinnahme“ entspreche etwa die Raumaufteilung in dem früheren Seniorenheim nicht den Ansprüchen. Man wolle aber in den nächsten Wochen eingehender prüfen, ob sich die Probleme nicht durch bauliche Veränderungen lösen ließen.
Grünen-Stadtrat Markus Sprengler erinnert daran, dass schon bei Anmietung des Gebäudes in der Bochumer Straße im Februar (Grötsch: „Ist uns allen wahnsinnig schwergefallen“) die mangelnde Eignung erkennbar gewesen sei. Die Verwaltung habe argumentiert, es gebe keinerlei Alternativen. Auch wenn man verschiedene Flüchtlingsgruppen nicht gegeneinander ausspielen dürfe, sei doch überraschend, wie schnell wenig später die Stadt für Menschen aus der Ukraine die Jugendherberge freigemacht habe.
Verweise auf Ukrainer
Ähnlich argumentiert die Migrationsbeiratsvorsitzende. Für ukrainische Geflüchtete habe die Stadt gute und kreative Lösungen gefunden, die brauche man auch für die Bewohner der Bochumer Straße. „Für 120 Menschen einen Platz zu finden, kann doch nicht so schwer sein“, so Salem. Wenn die Verwaltung das nicht hinbekomme, wie wolle sie da weitere Flüchtlinge aufnehmen?
Dass diese definitiv kommen werden, hat zuvor Fachbereitsleiterin Christiane Kruse-Michalowski angekündigt. Obwohl aktuell alle Plätze belegt seien und Mannheim seine Aufnahmequote übererfüllt habe, seien vom Land angesichts der wieder stark steigenden Flüchtlingszahlen bereits weitere Zuweisungen in Aussicht gestellt worden.
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