Mannheim. Die Unterkunft liegt abgeschieden im Rheinauer Hafengebiet. Rings herum sind nur Firmen. Eigentlich handelt es sich hier in der Bochumer Straße um ein Arbeiterwohnheim, das günstigste Bett soll normalerweise neun Euro pro Nacht kosten. Doch seit Jahresbeginn hat die Stadt Mannheim das Haus gemietet und darin Flüchtlinge untergebracht. „Aus der Not heraus“, wie sie selbst sagt. Darin befinden sich rund 120 Männer, in erster Linie Syrer, Afghanen und Iraker. Zimmer und sanitäre Anlagen seien in einem „desolaten Zustand“, kritisiert der Mannheimer Migrationsbeirat. Er fordert in einem Antrag an den Gemeinderat, mit dem sich an diesem Dienstag ab 16 Uhr der Integrationsausschuss befasst, die Missstände bei Hygiene und Brandschutz dringend zu beseitigen. Auch Ausstattung und Lage seien den Bewohnern kaum zumutbar. Spätestens bis Jahresende sollten alle anderswo untergebracht werden.
Einige Fenster scheinen kaputt
Von außen sieht das graue, dreistöckige Gebäude tatsächlich wenig einladend aus. Die Fassade ist verdreckt, einige Fenster scheinen kaputt zu sein. Vor einem stehen Schuhe zum Auslüften, aus einem anderen ist leise Musik zu hören. Sonst wirkt alles wie ausgestorben, auch der Bolzplatz auf der Rückseite. Die Einrichtung eines WLAN-Anschlusses werde noch geprüft, teilte die Stadt dem Migrationsbeirat mit. Kürzlich sei immerhin ein Sammelbriefkasten installiert worden.
An der Haustür versperrt ein Securitymann den Weg. Er verweist auf einen Aushang mit der Handynummer des Heimleiters. Der will gleich wieder auflegen, von der Presse halte er gar nichts. Aber als er hört, worum es geht, sprudelt es regelrecht aus ihm raus. „Das hier ist natürlich keine Luxusherberge, kein Steigenberger.“ Er betreibe vielmehr eine schlichte Unterkunft für einfache Arbeiter mit wenig Geld. Von denen habe sich auch noch nie jemand beschwert. Nun jedoch seien die Zustände in der Tat unhaltbar. „Schuld daran ist allein die Stadt“, schimpft der Mann. Sie habe die Bewohner überhaupt nicht im Griff. Die würden alles kaputtmachen und vermüllen, „die schleppen halbe Couchgarnituren vom Sperrmüll an“. Seinetwegen könne das Mietverhältnis sehr gerne wieder enden.
Zu den Vorwürfen des Vermieters teilt Stadtsprecherin Carolin Bison mit, bei den Bewohnern handele es sich fast ausschließlich um sehr junge Männer mit Fluchterfahrung, die zum Teil einen hohen Unterstützungsbedarf hätten und Tagesstrukturen benötigen. Die Heimleitungen des Fachbereichs Arbeit und Soziales kümmerten sich um ihre Anliegen, Integrationsmanager böten Sprechstunden an, der Sicherheitsdienst sei rund um die Uhr im Einsatz. „Auftretende Probleme werden im Regelfall im Zusammenspiel der Fachkräfte vor Ort gelöst.“
Kein WLAN in der Unterkunft
Auf die Frage, ob alle Bewohner - wie vom Migrationsbeirat gefordert - bis Jahresende verlegt werden können, antwortet Bison: „Die Stadt arbeitet mit Hochdruck an der Akquise neuer Unterkunftsmöglichkeiten. Aktuell gibt es dazu jedoch keinen neuen Sachstand.“ Die maximale Kapazität von 670 Plätzen für sogenannte kommunale, also Mannheim zugewiesene Asylbewerber sei ausgeschöpft. Zusätzlich verschärft habe sich die Situation mit den rund 4000 Flüchtlingen aus der Ukraine.

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Weitaus besser als auf der Rheinau haben es Asylsuchende dem Vernehmen nach auf Spinelli. Ihr seien noch keinerlei Klagen zu Ohren gekommen, bestätigt Veronika Wallis-Violet vom Feudenheimer Flüchtlingsforum. Das hatte sich nach der zwischenzeitlichen Schließung der Unterkunft 2020 aufgelöst. Aber weil darin mittlerweile wieder Menschen - in erster Linie Familien und Frauen - untergebracht sind, engagieren sich Wallis-Violet und ihre Mitstreiterinnen erneut. Derzeit suchen sie vor allem Einheimische, die Geflüchtete etwa bei Arztbesuchen und Behördengängen begleiten.
Dass es in der Bochumer Straße bisher noch nicht mal WLAN gibt, kann die Feudenheimerin nicht verstehen. Das sei für die Bewohner der Unterkünfte doch „elementar wichtig“ - sowohl um Kontakt in die Heimat zu halten als auch, um sich hier zurechtfinden zu können.

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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Flüchtlinge aus anderen Ländern als der Ukraine darf man nicht vergessen