Mannheim. Erst war das Auto weg, dann war es wieder da – und hatte plötzlich gleich zwei Besitzer, die sich zwar nie begegnet, aber auf Umwegen doch miteinander verbunden sind: über Rumänien. Zumindest irgendwie.
Was klingt wie der Anfang eines absurden Krimis, ist in diesen Wochen in Mannheim und Dortmund tatsächlich so passiert. Im Mai hat das „zurück geklaute Auto“ bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, nachdem ein Mannheimer wegen Diebstahls festgenommen worden war. Selbst ein Sprecher des ansonsten eher für nüchterne Bewertungen bekannten Polizeipräsidiums Mannheim spricht am Montag auf Nachfrage dieser Redaktion von einem „seltenen Kuriosum“, das Behörden in beiden Städten beschäftigt.
Die kuriose Geschichte beginnt im April. Ein Mannheimer fährt nach Rumänien, um dort sein Auto zu verkaufen, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund. Doch die zwei vermeintlich am Kauf Interessierten bringen das Auto nach einer Testfahrt nicht zurück. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ortet der Mannheimer sein Fahrzeug mit einer App in Dortmund. Praktisch, wird er sich wohl gedacht haben. Er reist ins Ruhrgebiet, öffnet dort mit seinem Zweitschlüssel das auf dem Gelände eines Autohändlers stehende Fahrzeug – und fährt es einfach wieder nach Hause. Doch damit ist die Geschichte längst nicht zu Ende.
Von Rumänien über Dortmund wieder nach Mannheim
Denn nun ist es der Dortmunder Autohändler, der das ihm abhanden gekommene Fahrzeug ortet – und es in Mannheim lokalisiert. Und weil er nachweisen kann, das Auto mit dem Lenkrad auf der rechten Seite wiederum bei einem rumänischen Autohändler mit Sitz in England erworben zu haben, nimmt die Polizei den Mannheimer wegen Diebstahls fest. Der allerdings weist ebenfalls nach, das Auto vor einigen Jahren gekauft zu haben.
Und nun? Wem gehört das Auto? Wer ist hier Opfer und wer Dieb?
„Ich wüsste nicht, dass wir einen solchen Fall schon einmal hatten“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund. Die Ermittlungen jedenfalls seien noch nicht abgeschlossen. Nach bisherigen Erkenntnissen aber haben sich weder der Mann aus Mannheim noch der aus Dortmund strafbar gemacht. So habe der Autohändler glaubhaft nachweisen können, dass er das gestohlene Auto von einem Händler erworben hat, mit dem er seit Jahren eng zusammenarbeitet, erklärt der Sprecher. Auch habe er zwei Schlüssel bekommen, die auf Echtheit geprüft wurden. Der rumänische Händler mit Sitz in England wiederum hat den BMW in Rumänien gekauft. Bei wem, ist unklar. Die Verkäufer sind nicht mehr erreichbar.
Und wer ist jetzt im Recht? Bislang sieht es so aus, als ob der Mannheimer rechtlich der Eigentümer des begehrten Fahrzeugs ist. Schließlich mache sich jemand nur strafbar, wenn er eine fremde Sache entwendet, erklärt der Staatsanwalt. Auf der anderen Seite können Fremde an gestohlenen Gegenständen kein Eigentum erwerben, selbst wenn sie es „gutgläubig“ kaufen – so wie der Dortmunder und der rumänische Autohändler es getan haben.
Ich wüsste nicht, dass wir einen solchen Fall schon einmal hatten.
„Im Prinzip haben wir drei Opfer – wobei eines der Opfer, der Ursprungsbesitzer, sein Auto ja möglicherweise wiederbekommt. Die anderen beiden bleiben aber möglicherweise auf ihrem Geld sitzen und haben kein Auto mehr“, erklärt der Staatsanwalt. „Die einzigen Kriminellen in diesem Fall scheinen zwei Menschen in Rumänien zu sein, die nicht identifiziert sind.“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Diebstahls in Rumänien gegen Unbekannt. Bis zum Abschluss der Ermittlungen bleibt das Auto beschlagnahmt.
Sprecher Polizei Mannheim: „Raten dringend von eigenmächtigen Aktionen ab“
So kurios sich der Fall liest, so sehr warnt die Polizei vor Alleingängen. „In einem Fall, in dem das mutmaßlich entwendete Eigentum vom ursprünglichen Besitzer wiederentdeckt wird, sollte vor weiteren Handlungen die Polizei verständigt werden“, sagt der Sprecher des Präsidiums. So könnten Missverständnisse am ehesten vermieden und Besitzverhältnisse am besten geklärt werden. „Wir raten dringend von einem eigenmächtigen Tun ab, das auch schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann“, warnt er und nennt neben juristischen Folgen vor allem körperliche Gefahren.
Beim Diebstahl eines Autos sollte die Polizei umgehend informiert werden. Hier kann ein unnötiger Zeitverzug dazu führen, dass das Fahrzeug außer Landes geschafft wird.
Ein Fall wie dieser aber ist im gesamten Polizeipräsidium Mannheim 2024 nicht vorgekommen. Im Stadtgebiet Mannheim sind 2024 insgesamt 87 Anzeigen wegen versuchtem oder vollendetem Autodiebstahls angezeigt worden. Eine Statistik darüber, in wie vielen Fällen das Auto wiedergefunden wurde, gibt es nicht. Der Sprecher aber erzählt, dass es immer wieder vorkommt, dass Anzeigen statistisch nicht erfasst werden, weil vermeintlichen Opfern beispielsweise doch noch einfällt, das Auto nur anderswo als üblich geparkt zu haben. Auch kommt es vor, dass Angehörige das Auto nutzen, entsprechende Absprachen aber vergessen wurden.
Dennoch sollte die Polizei „umgehend“ informiert werden, wenn ein Auto vermisst wird. „So kann ein unnötiger Zeitverzug dazu führen, dass das Fahrzeug außer Landes geschafft wird.“
Übrigens gibt es im Kriminalfall des zurück geklauten Autos eine weitere Besonderheit – mit einem Komparsen. So erzählt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, dass der Mannheimer nach der Rückholaktion mit seinem neuen alten Auto eine Panne hatte – und deshalb einen Abschleppdienst rief. Der hatte das Auto auf seiner Ladefläche, als die Polizei zugriff. „Für den Abschleppunternehmer muss das auch spektakulär gewesen sein. Der wusste schließlich wirklich von gar nichts.“
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