Krieg

ZI arbeitet in Mannheim an Übersetzungsprogramm für Geflüchtete

Geflüchtete sollen trotz Sprachbarriere ein Gespräch mit Therapeuten führen können. Dafür gibt es eine Förderung vom Land. In Bezug auf Schutzsuchende aus der Ukraine ist das ZI indes überrascht.

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 
Übersetzung im Tablet-Format: Ärztinnen und Ärzte des ZI forschen an einem neuen Programm für Therapiegespräche. © istock

Mannheim. Es gibt in der Medizin wohl wenig andere Bereiche, in denen es so stark auf das Beschreiben und Umschreiben des eigenen Zustands ankommt wie in der Psychiatrie. Während in anderen Disziplinen etwa Röntgenbilder, Blutdruckmessungen, ein EKG oder auch Tastbefunde helfen können, hilft in der Psychiatrie und der Psychotherapie eines: die Sprache. Wie aber können Menschen, beispielsweise Geflüchtete, nach traumatischen Erlebnissen ihre Probleme präzise beschreiben, wenn sie die Sprache des Therapeuten oder der Therapeutin nicht sprechen?

„Es gibt kein Übersetzungsprogramm und keine Software, die darauf trainiert ist, psychiatrische Gespräche zu übersetzen“, erklärt Janina Schweiger. Mit ihrem Arztkollegen Alexander Moldavski arbeitet die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) an der Entwicklung eines solchen mobilen Übersetzungssystems.

Förderung in Höhe von insgesamt 50.360 Euro

Das Land fördert das Forschungsprojekt, an dem Expertinnen und Experten des ZI gemeinsam mit solchen vom Karlsruher Institut für Technologie arbeiten, erneut über zwölf Monate mit insgesamt 50 360 Euro. Im Gegensatz zu vorhandenen Programmen soll die Software Begriffe genau in dem Kontext übersetzen, der für die Behandlung relevant ist. „Es geht um Worte, die Stimmungen, Bewusstseinszustände oder die Realitätswahrnehmung beschreiben“, sagt Schweiger. Gemeint ist nicht nur Fachvokabular, sondern auch Alltagssprache, die im Therapieraum aber eine andere Bedeutung annehmen kann. „Wenn man mit einem Automechaniker über Autos spricht, haben bestimmte Begriffe andere Bedeutungen als im normalen Gespräch.“

Auch Menschen, die zum Studium hierher kommen, können Probleme haben
ZI-Ärztin Janina Schweiger

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war das Jahr 2015. Flüchtlingskrise. Viele Menschen, vor allem aus dem arabisch sprechenden Raum kommen nach Deutschland. Menschen, die zwar Hilfe benötigen, sich gegenüber Therapeutinnen und Therapeuten aber nur schwer ausdrücken können.

Auch deshalb wird an dem Programm zunächst für die arabische Sprache geforscht - aus aktuellem Anlass soll aber auch die Übersetzung ins Ukrainische bald möglich sein. Das gesprochene Wort wird dabei auf einem Bildschirm schriftlich in die Sprache des Patienten oder der Ärztin übersetzt. Haben Menschen Probleme mit dem Lesen, kann das System vorlesen. Nicht lösen könne man dagegen Fälle, bei denen Menschen Probleme mit dem Sprechen (also dem tatsächlichen Formen von Lauten) hätten. „Das ist aktuell noch nicht berücksichtigt.“

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Menschen, die Krieg, Vertreibung und Flucht erleben, hätten generell „ein höheres Risiko, an Depressionen oder Traumafolgestörungen zu erkranken“, sagt Schweiger. Ob indes Geflüchtete aus Syrien häufiger oder weniger häufiger Hilfe benötigen als Schutzsuchende aus der Ukraine, sei Spekulation, weil Daten zur aktuell laufenden Fluchtbewegung noch fehlen.

Die Flucht muss aber nicht der alleinige Grund für psychische Probleme sein. Man dürfe nicht vergessen, dass Menschen vor ihrer Flucht psychische Probleme gehabt haben können, die weiterbehandelt werden müssten, sagt Schweiger. „Auch Menschen, die zum Beispiel zum Studieren kommen und hier eine völlig neue Umgebung vorfinden, können Probleme entwickeln.“

Mehr zum Thema

Arbeit

Stress und Angst machen die Seele krank

Veröffentlicht
Von
Wolfgang Mulke
Mehr erfahren

Moldavski, der in der Geflüchtetenambulanz des ZI arbeitet, weist indes darauf hin, dass bislang weniger Schutzsuchende aus der Ukraine das Institut aufgesucht hätten als erwartet. „Wir werden am ZI von ukrainischen Flüchtlingen nicht unbedingt überrannt.“ Die Fachärzte führen das auf mehrere Gründe zurück.

So sei noch wenig bekannt, dass das ZI als Reaktion auf den Krieg etwa ein therapeutisches Angebot auch in der Muttersprache geschaffen habe. Auch sei „die Stigmatisierung bei psychischen Krankheiten in Osteuropa stärker ausgeprägt“, sagt Moldavski. Weil andere Aspekte - beispielsweise die Wohnsituation oder die Integration in den Arbeitsmarkt - dringender erschienen, würde die Behandlung psychischer Probleme hinten angestellt. Im Gegensatz zu 2015 kommen vor allem Frauen und Kinder. „Viele haben Ehemänner an der Front zurückgelassen“, sagt der Mediziner. „Da kommen Schuldgefühle auf, wenn man im sicheren Deutschland psychiatrische Hilfe in Anspruch nimmt.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen