Mannheim. Für das Interview steht eine knappe Stunde zur Verfügung – wenig Zeit für die vielen Fragen zu den großen Herausforderungen, vor denen Mannheim steht. Trotzdem wirkt Oberbürgermeister Peter Kurz entspannt. Er spricht unaufgeregt und konzentriert über die Finanzen, den neuen Gemeinderat und das große Thema Bahnlärm. Von Stefan Proetel und Timo Schmidhuber
Herr Dr. Kurz, es sind keine vier Jahre mehr, bis die Bundesgartenschau beginnt. Wie empfinden Sie die Stimmung in der Stadt?
Peter Kurz: Wir hatten im Vorfeld kontroverse Debatten, wie bei anderen Bundesgartenschauen auch. Die Zustimmung zu dem Projekt steigt aber, was sich aus den Daten ergibt, die Sie erhoben haben.
Im „MM“-Bürgerbarometer im März haben 64 Prozent gesagt, sie finden es gut, dass die Buga 2023 in Mannheim sein wird.
Kurz: So lange vorher ist keine Euphorie zu erwarten, da es noch kein konkretes Programm gibt. Insofern befindet sich die Stimmungslage im Vergleich mit anderen Bundesgartenschauen im Normalbereich.
Es sind noch entscheidende Fragen zur Buga zu klären. Dazu gehört der Transport der Besucher zwischen Luisenpark und dem Spinelli-Gelände. Beunruhigt Sie das?
Kurz: Unser Partner, die Deutsche Bundesgartenschau-Gesellschaft, hat beim Verkehr viel Erfahrung. Daher ist die Sorge gering. Die Verknüpfung zwischen den Parks ist über die Seilbahn definiert. Wir haben aber das Spinelli-Gelände noch nicht erworben. Insbesondere bei der Anpflanzung von Bäumen haben wir durch die notwendige Asbest-Entsorgung ein Jahr verloren. Zum Teil kann man das über Geld ausgleichen, indem man größere Bäume kauft.
Können Sie die Übergabe des Geländes beeinflussen?
Kurz: Wir versuchen das, aber die Übergabe und die Arbeiten davor, wie derzeit das Beseitigen der Altlasten, ist nicht unser Geschäft, sondern das des Bundes. Über Versuche, wie Appelle, Kontaktaufnahmen oder den Wunsch nach Beschleunigung, hinaus haben wir keine Instrumente. Wir sitzen nicht am längeren Hebel.
Wann rechnen Sie damit, dass die Stadt das Gelände erhält?
Kurz: Die Übergabe war für diesen Herbst vorgesehen und wird sich einige Monate verzögern. Ich setze darauf, dass wir die Verhandlungen in den nächsten Wochen oder Monaten abschließen können. Beides ist auf dem Weg, jedoch mit einer Verzögerung bis 2020. Wir müssen viele Dinge aufholen. Wir haben für das, was gebaut werden muss, keinen Zeitpuffer mehr, weil wir nicht aufs Gelände konnten.
Was wird die Seilbahn kosten, wenn die Stadt sie mietet?
Kurz: Es wird ein Betrag noch im einstelligen Millionenbereich sein.
Sehen Sie die Seilbahn im Rahmen der bisherigen Finanzplanungen für die Buga abgebildet?
Kurz: Wir haben zwei Haushalte. Das eine ist die Investition, die all das umfasst, was dauerhaft bleibt. Dazu zählt die Landschaftsgestaltung. Das Zweite ist das, was für die Veranstaltung selbst ausgegeben wird. Dazu gibt es eine Kalkulation mit einem Gesamtzuschuss der Stadt Mannheim in einer Größenordnung von sieben Millionen Euro. Dieses Budget ist bisher angelegt für über 40 Millionen Euro. Die Rechnung wird sich während der Umsetzung konkretisieren – mit der einen oder anderen Verschiebung. Aber in diesem Rahmen wird das Thema Seilbahn abzubilden sein.
Im Dezember entscheidet der Gemeinderat über den Haushalt für die kommenden zwei Jahre. Es stehen einige „Finanzierungsbrocken“ an: Für die Sanierung des Nationaltheaters muss die Stadt in den nächsten Jahren mindestens 130 Millionen Euro aufbringen. Auch das Klinikum ist noch auf Zahlungen angewiesen. Wie kann die Stadt dies alles finanzieren?
Kurz: Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung, die die nächsten vier Jahre umfasst. Unser Haushaltsplan, den wir vorlegen werden, wird von den bisherigen Eckdaten nicht dramatisch abweichen. Die Planung ist nach wie vor die, dass wir historisch einmalige Dimensionen von Investitionen ohne Neuverschuldung realisieren werden.
Beim Theater beispielsweise. Was rechnen Sie darüber hinaus dazu?
Kurz: Wir investieren in fast allen Bereichen. So haben wir im letzten Herbst für Schulen ein Programm über 124 Millionen Euro über die Dauer von vier Jahren beschlossen. Das ist ungefähr das doppelte Volumen wie zuvor. Über einen Zeitraum von einigen Jahren investieren wir generell etwa doppelt so viel wie im Schnitt der vergangenen Jahre. Der Investitionszeitraum, der jeweils auf vier Jahre angelegt ist, wurde vor zwei Jahren geplant – ohne Netto-Neuverschuldung. So planen wir auch für die Zukunft. Wir haben nach wie vor sehr gute Ergebnisse, auch die Prognose für 2019 sieht gut aus. Eine Abschwächung der Wachstumskurven haben wir in die Planungsgrundlage aufgenommen.
Wie optimistisch sind Sie, dass Sie für das Nationaltheater noch private Sponsoren finden werden – über die Unterstützung hinaus, die von Bund und Land zugesagt ist? Ist eine Kampagne dazu angedacht?
Kurz: Selbstverständlich. Das ist die Aufgabe des Theaters. Diejenigen, die für kulturelle Institutionen in der Leitungsverantwortung stehen, haben die Zugänge und die Überzeugungskraft, für ihre Anliegen zu werben. Es gibt Teilbereiche, die nicht in dieser Planung berücksichtigt sind, die sich das Theater aber wünscht.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Kurz: Es gibt den Wunsch, das Opernhaus auch als Konzertsaal nutzen zu können. Dieses und andere Projekte sind Teilprojekte, die wünschenswert sind und die gute Chancen haben, über Stifter und Mäzene realisiert zu werden.
Finden Sie den Zusammenhalt in der Region – Stichwort „Pfalzbau“ in Ludwigshafen – stark genug für solch eine umfassende Sanierung, die die gesamte Region betrifft?
Kurz: Ja. Wir haben uns intensiv damit befasst und festgestellt, dass es zwei legitime Anliegen gibt, die nicht so einfach zu kombinieren sind. Das eine ist die eigene Profilgebung und Bespielung für das Pfalzbau-Publikum. Zum anderen ist es für uns notwendig, unser Repertoire zeigen zu können. Dazu brauchen wir eine Infrastruktur, die schnelle Wechsel von Produktionen ermöglicht. An einem Tag Fidelio zu spielen und drei Tage später Don Giovanni, das geht in Fabrikhallen nicht. Dafür benötige ich ein stehendes Theater, wofür der Pfalzbau ideal ist. Wir sind in den Schlussgesprächen, um einen Kompromiss zu finden.
Im neuen Gemeinderat sind die Grünen stärkste Kraft. Welche Folgen wird dies aus Ihrer Sicht für die Arbeit im Gremium haben?
Kurz: Jeder neue Gemeinderat hat eine Phase der Eingewöhnung. Wenn ich die anfängliche Konstellation 2014 mit der nach der jetzigen Neuwahl vergleiche, gibt es aus meiner Sicht keinen Anlass, pessimistisch zu sein und zu glauben, dass das Finden von Konsens oder eine Mehrheitenbildung schwieriger werden. Dadurch, dass sich Einzelstadträte anderen Parteien angeschlossen und sich Fraktionen gebildet haben, ist die Situation übersichtlicher geworden, als sie es im letzten Gemeinderat war. Als einzige Gruppierung gibt es die FDP, ansonsten haben wir sechs Fraktionen. Die Verständigung von SPD, CDU und Grünen kürzlich, dass sich die neuen Ergebnisse auch auf der Dezernentenbank abbilden sollen, ist recht harmonisch gelaufen.
Bauen Sie als Oberbürgermeister auf eine Mehrheit aus SPD, Grünen und der linken Fraktion LI.PAR.Tie?
Kurz: Die Verwaltung baut darauf, dass es eine Stabilität gibt für langfristige Entwicklungen und dass diese Stabilität möglichst viele im Gemeinderat umfasst. In der Vergangenheit sind die Haushalte von SPD, Grünen und CDU getragen worden. Die Dezernentenbank wird voraussichtlich ab Herbst – inklusive meiner Person – mit zwei Sozialdemokraten, zwei Grünen-Dezernenten und zwei CDU-Dezernenten besetzt sein. Insofern setze ich mit Blick auf das Thema Haushalt im Kern auf diese Konstellation.
Die Entwicklung auf dem früheren Kasernengelände Turley in der Neckarstadt hat im Frühjahr für viele Diskussionen gesorgt. Die städtische Projektentwicklungsgesellschaft MWSP hat im Juni die Verträge mit dem Investor Tom Bock Group (TBG) gekündigt – auch, weil Absprachen nicht eingehalten wurden, zum Beispiel der Bau der Tiefgarage. Was bedeutet die Kündigung für die Zukunft des Turley-Geländes und für die Projekte, die mit der TBG auf dem Franklin-Gelände vorgesehen waren?
Kurz: Das bedeutet für Franklin, dass die Projekte der TBG so nicht weiterverfolgt werden. Ich glaube nicht, dass es Investoren gibt, die das eins zu eins übernehmen werden. Bestimmte Grundgedanken werden aber weiterverfolgt, denn sie sind gemeinsam entwickelt worden, und an denen haben wir Interesse.
. . . also die Idee, auf den betroffenen Flächen Neubauten mit der Sanierung bestehender Gebäude zu kombinieren.
Kurz: Die Grundidee wird sich nicht verändern. Aber in den Details bringt jeder Investor eigene Gedanken ein.
Gibt es einen neuen Investor?
Kurz: Nein. Wir werden damit auf den Markt gehen, und es gibt großes Interesse dafür. Diesbezüglich habe ich keine Sorge.
Und wie sieht es auf Turley aus?
Kurz: Dort wollen wir vorankommen und den Stillstand auflösen. Danach sieht es aus. Wir sind, was die Tiefgarage angeht, in guten Gesprächen mit Investoren, die sie realisieren könnten. Auch bei der Planung für die Baufelder vier und fünf sind wir in fortgeschrittenen Gesprächen. Der Bau wird in den nächsten Monaten beginnen.
Ist eine rechtliche Auseinandersetzung mit der TBG zu erwarten, womöglich mit Schadenersatzforderungen an die MWSP?
Kurz: Die Sache liegt in der Hand der Anwälte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt. Der Schritt ist ja gegangen worden, weil wir keinen produktiven oder überhaupt keinen Dialog mit der TBG mehr hatten. Dies hat sich nicht verändert.
Ein anderes Thema, das viele Mannheimer umtreibt, ist der Lärm durch Güterzüge. Auf der geplanten ICE-Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim sollen nachts auch Güterzüge rollen, die auch das Stadtgebiet passieren werden. Streckenanwohner fordern einen Tunnel oder eine Umfahrungsstrecke für Mannheim. Für wie realistisch halten Sie das?
Kurz: Ich war nie pessimistisch, aber ich bin im letzten halben Jahr noch deutlich optimistischer geworden, dass wir zu produktiven Lösungen für die Stadt Mannheim und die Region kommen können.
Wie sehen die aus? Eher ein Tunnel oder eher eine Umfahrung?
Kurz: Man kann klar sagen, dass ein Tunnel in Sachen Entlastungswirkung deutlich höhere Effekte hat. Und zwar nicht nur, weil ein Tunnel per se keinen Lärm abstrahlt, sondern auch weil man über einen solchen innerstädtischen Tunnel mehr Züge abwickeln kann als mit einer Umfahrungsstrecke. Es gibt also auch für die Bahn funktionale und betriebliche Vorteile.
Ein Tunnel ist aber deutlich teurer als eine Umfahrung. . .
Kurz: Keine Frage, aber mein Optimismus gründet sich auch darauf, dass die Bahn aus Gründen der Kapazität auch ein Eigeninteresse an einem Tunnel hat. Wenn Sie einen Tunnel im Wesentlichen nur mit Schutzinteressen der Bevölkerung begründen, dann stehen Sie vor einer anderen Hürde, als wenn Sie auch die Interessen der Bahn mitbedienen. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir zu guten Ergebnissen kommen können.
Sprechen wir dann von einem Tunnel von der Blumenau bis zum Rangierbahnhof?
Kurz: Die Prognose ist, dass man in solche Dimensionen kommen wird. Wenn Sie die Strecke – und nur so ergibt es aus unserer Sicht Sinn – auch für den Güterverkehr nutzbar machen wollen, dann haben Sie bestimmte technische Anforderungen. Die Züge müssen ja unter die Erde kommen und sie müssen wieder hochkommen, und das mit entsprechenden Neigungswinkeln und Streckenlängen. Wir können davon ausgehen, dass das technisch machbar und nicht weltfremd ist.
Im April 2023 eröffnen Sie die Buga. Wollen Sie noch Oberbürgermeister sein, wenn die Buga im Oktober endet? Wollen Sie also für eine dritte Amtszeit kandidieren?
Kurz: Das werde ich zu gegebener Zeit bekannt geben.
Wann ist die „gegebene Zeit“?
Kurz: Sicher noch nicht 2020 oder 2021.
Wie oft denken Sie darüber nach?
Kurz: Im Moment gar nicht.
Das glauben wir nicht!
Kurz: Okay, mal im Urlaub, aber ich hab’ da für mich auch noch keine Antwort.
Winfried Kretschmann hat genau im Urlaub eine Antwort gefunden.
Kurz: Genau. Der Urlaub war aber auch anderthalb Jahre vor seinem Wahltermin.
Info: Das Interview wurde persönlich geführt und zur Autorisierung vorgelegt.
Peter Kurz
- Peter Kurz (SPD) ist seit 2007 Mannheims Oberbürgermeister. 2015 wurde er im Amt bestätigt.
- Davor war der heute 56-Jährige hauptamtlicher Bürgermeister für Bildung, Kultur und Sport in Mannheim.
- Kurz machte am Tulla-Gymnasium Abitur, studierte in Mannheim und Heidelberg Rechtswissenschaften und wurde 1994 Verwaltungsrichter. 1995 promovierte er.
- Seit 2018 ist er Präsident des baden-württembergischen Städtetags. Als Vertreter des Deutschen Städtetags ernannte ihn der Rat der Europäischen Union zum Mitglied des Ausschusses der Regionen.
- Kurz ist verheiratet mit Daniela Franz. Sie haben zwei Kinder.
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