Reiss-Engelhorn-Museen

Wie zwei Restauratorinnen der Mannheimer REM einen Mini-Ozeandampfer wieder flott gemacht haben

Zwei Restauratorinnen berichten über die komplizierte Arbeit am historischen Modell eines ganz besonderen Schiffs

Von 
Peter W. Ragge
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Gisela Gulbins (hinten) und Isabel Luft mit dem Modell. © rem / Maria Schumann

„Sehr fragil“ und „nicht transportierbar“ lautete lange die Einschätzung. Jetzt ist ein Glanzstück daraus geworden. Zwei Restauratorinnen der Reiss-Engelhorn-Museen haben ein aus den 1930er Jahren stammendes Modell des Dampfers „Deutschland“ sehr aufwendig restauriert. Nun schmückt es den Bereich der Ausstellung „Belle Époque“ im Zeughaus, der sich Luxuskreuzfahrten, der Auswanderungswelle und der Bademode um 1900 widmet. Anlässlich des Europäischen Tags der Restaurierung berichten die beiden Expertinnen am Sonntag um 11 Uhr öffentlich über ihre Arbeit – und vorab schon dieser Redaktion.

Es ist ein Schiff, das Geschichte schrieb. 1900 vom Stapel gelaufen, erhielt die „Deutschland“ ab 1901 mit dem „Blauen Band des Ozeans“ (Blue Riband) mehrfach die Auszeichnung als schnellster Dampfer. Für die Reederei „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft“ (Hapag) verkehrte er zwischen Hamburg und den USA. Es ist die Zeit, als betuchte Bevölkerungskreise an Vergnügungsreisen auf hoher See Gefallen finden, aber auch Auswanderer die Nordatlantikroute stark nutzen, so Andreas Krock, der Kurator der Ausstellung. „Die vielen Auswanderer auf dem Zwischendeck waren es, die Schiffe wie dieses erst rentabel machten“, so Krock. Dabei sei Mannheim um 1900 durch seine gute Anbindung ein wichtiges Drehkreuz des Auswanderungsverkehrs gewesen.

Erstmals ausgestellt: Lange lag das aus den 1930er Jahren stammende Schiffsmodell der „Deutschland“ im Depot, nun wurde es restauriert. © REM/Maria Schumann

Dass die „Deutschland“ als schnellster Dampfer galt, habe aber auch zu technischer Anfälligkeit und extrem hohem Kohleverbrauch geführt. „Bald hieß das anmutige Schiff nur noch The Cocktail Shaker, da es von Anfang an stark vibrierte“, weiß Krock. „Bei voller Fahrt verstand man in der Bar sein eigenes Wort nicht mehr, was durch das Klirren eines riesigen Kristalllüsters noch zusätzlich übertönt wurde“, und außerdem sei dabei stets Geschirr zu Bruch gegangen.

Daher habe die Reederei 1910 die Maschinen beim Umbau zum reinen Kreuzfahrtschiff gedrosselt. Mit weißem Rumpfanstrich stach der Dampfer nun als „Victoria Luise“ und größtes Kreuzfahrtschiff der Welt 1911 in See, so Andreas Krock.

Und so präsentiert sich der Dampfer auch im Modell. Es wurde in den 1930er Jahren im Auftrag der „Hapag“ angefertigt. „Die Reederei schickte damals Modelle in verschiedene Städte, um für Schiffsreisen zu werben“, weiß der Kurator. So sei das Modell der „Deutschland“ nach Mannheim und über das ehemalige Schlossmuseum an die Reiss-Engelhorn-Museen gekommen.

Aber da war es immer nur im Depot, nie ausgestellt – bis es Krock für die Ausstellung entdeckte und die beiden Restauratorinnen Gisela Gulbins und Isabel Luft sich des Modells annahmen. Rund 200 Stunden haben sie an dem Objekt, das einen Maßstab von 1:10 hat, gearbeitet. 209 Meter lang war der Ozeandampfer im Original, das Modell misst 209 Zentimeter und wiegt 15 Kilo.

Die Arbeit an dem Schiffsmodell sei für sie „etwas ganz Besonderes“, gewesen, so Gisela Gulbins. Zunächst musste es feucht gereinigt, der Rumpf und die abblätternden Farbschichten gefestigt werden. „Eine Herausforderung waren die Kleinteiligkeit und der Material-Mix aus Holz, Metall, Textil und Papier – jedes Material muss anders behandelt werden“, erläutert sie. Aufwendig sei vor allem auch die Takelage gewesen. „Hier mussten wir die Fäden mit ganz feinen Nadeln durch winzige Ösen führen“, erzählt sie.

Und auch ungewöhnliche Hilfsmittel wie ein Inhalationsgerät für Pferde hätten sie bei der Restaurierung genutzt. Zum „Europäischen Tag der Restaurierung“ am Sonntag, 16. Oktober, an dem sich deutschlandweit Ateliers, Museen und Denkmalämter beteiligen, werden Isabel Luft und Gisela Gulbins ab 11 Uhr (Treffpunkt an der Kasse im Museum Zeughaus C 5) den Grund verraten und erläutern, wie sie das Modell des Ozeandampfers wieder flottgemacht haben und welche Herausforderungen die Restaurierung eines solch vielseitigen Stückes mit sich brachte.

Es gibt aber noch mehr Angebote am Sonntag. Um 14 führen Restaurator Bernd Hoffmann-Schimpf und Kuratorin Franziska Kothe gemeinsam durch die Sonderausstellung „Die Normannen“ der Reiss-Engelhorn-Museen und zeigen, was angesichts der rund 300 kostbaren Leihgaben, darunter Handschriften, Textilien, Kunsthandwerk aus Gold und Elfenbein sowie Waffen, hinsichtlich des Raumklimas zu beachten ist.

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Auch das Technoseum beteiligt sich an dem „Tag der Restaurierung“. Es lädt um 13, 14 und 15 Uhr in den Montagehof und führt dort Maschinen vor, die nicht im regulären Museumsbetrieb zu sehen sind – allen voran ein Lanz „Bulldog“ von 1925, ein Ackerschlepper, den das Technoseum-Team restauriert hat. Eine Feldbahn-Lok inklusive Lorenwagen wird ebenfalls präsentiert. Diese Diesellok der Firma Henschel von 1938 war einst zur Befestigung des Rheinufers im Einsatz und wurde ebenfalls im Technoseum restauriert. Speziell für jüngere Technikfans ist ein Modell-Dampftraktor im Maßstab 1:2,7 im Einsatz.

Redaktion Chefreporter

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