Mannheim. Der „Parking Day“ hat mittlerweile Tradition in Mannheim: Nachdem er in den vergangenen Jahren in der Langen Rötterstraße und in der Jungbuschstraße stattgefunden hatte, war es Samstag zum fünften Mal die Fressgasse. Von 10 bis 18 Uhr wurden Straße und Parkplätze im Bereich von Q1 bis Q3 von verschiedenen Akteuren vor allem für Infostände und Spielbereiche genutzt. Die dort vorhandenen Parkplätze mussten freigemacht werden, der Autoverkehr wurde umgeleitet.
Das passte nicht jedem: Die „Initiative Mannheimer Einzelhandel und Gastronomie“ stellte in einem Facebook-Beitrag sogar Insolvenzen in den Raum, die durch „Demos“ wie den „Parking Day“ hervorrufen würden. Das Bündnis droht: „Neben dem wirtschaftlichen Schaden, den wir einklagen, werden wir jegliche wirtschaftliche Aktivität wie Kuchenverkauf und Ähnliches zur Anzeige bringen.“
Ob es den wirtschaftlichen Schaden wirklich gab, nur weil der Durchgangsverkehr nicht mehr durch die Straße brummte? Die Tische vor den Gastronomiebetrieben waren Samstag überwiegend belegt, tausende Menschen schlenderten durch den abgesperrten Teil über die Straße, Kinder spielten dort, drei Bands traten auf.
Ines Joneleit, Bezirkssprecherin Innenstadt des ADFC und Mitorganisatorin, erklärt zu dem Facebook-Beitrag, dass die meisten Geschäftsleute neutral reagiert hätten. Sie geht auch davon aus, dass Zonen mit weniger oder keinem Autoverkehr eher Leute anziehen, was für Handel und Gastronomie positiv sei. „Verkehrsberuhigte Flächen sind auch ein Gewinn, weil es für Fußgänger und Radfahrer sicherer wird, die Luft wegen weniger Abgase besser ist und es für Anwohner ruhiger wird.“
Ruhe wünscht sich Hannes Köppel vom rund 80 Mitglieder starken Bürgerverein Innenstadt West dringend. Am Stand der Initiative zeigt er Videos, die aus dem Fester der Wohnung der Familie gemacht wurden: Auf einem ist ein Korso mit rund 20 Autos zu sehen, die laut hupend durch die Straße fahren - um 23.20 Uhr. „Das haben wir öfter!“ Ein anderes Video zeigt ein Phänomen, das vielen unbekannt sein dürfte: Ein Wagen hupt mehrfach kurz hintereinander, ein anderer „antwortet“, dann hupt ein weiterer mehrfach kurz. Und so weiter. Das den Schlaf der Familie störende Hupkonzert fand um 22.34 Uhr statt.
Zum umstrittenen Verkehrsversuch, bei dem zwar noch alle Ziele in der Innenstadt erreichbar waren, aber Autos nicht mehr überall durchfahren konnten, sagt Köppel: „Wir waren die Gewinner!“ Jetzt sei die Kreuzung Fressgasse/Marktstraße das Nadelöhr, durch das auch ständig Poser und „Huper“ fahren. Weiter beklagt er sich über den Rauch von Holzkohlengrills in der Innenstadt, aber dagegen tue die Stadt nun etwas. Wegen dieser Probleme sei die Fluktuation bei den Anwohnern groß.
Auch der „QuadRadEntscheid“ hatte einen Infostand, die Initiative fordert seit zwei Jahren ein Bürgerbegehren für ein fahrrad- und fußverkehrsfreundliches Mannheim. Am Samstag seien dafür weitere 180 Unterschriften gesammelt worden, so Oliver Merten. Die Resonanz am Stand sei äußerst positiv, aber einige Leute sagten auch: „Interessiert uns nicht!“ Um die Ziele zu erreichen, müsste Autofahrern zwangsläufig etwas weggenommen werden, also Fahrspuren und Parkplätze.
Auch im nächsten Jahr soll es wieder einen „Parking Day“ geben
Beim Stand der Grünen erklärt Wiltrude Höschele: „Die Quadrate sind zu sehr auf den Autoverkehr ausgerichtet, die Balance stimmt nicht.“ Zwar sei auch motorisierter Verkehr notwendig, doch die Leute sollten möglichst mit dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Fahrrad kommen.
Sie wünscht sich, dass die Parkhäuser besser genutzt werden. Weniger Autos würde ihrer Ansicht nach die Lebens- und Luftqualität in der Innenstadt verbessern.
Ines Joneleit ist zufrieden mit dem „Parking Day“: „Wir haben gezeigt, was man mit öffentlichem Raum machen kann, wenn er nicht mit Autos vollsteht. Die Veranstaltung war gelungen, wir sind mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen.“ Die Genehmigung bei der Stadt sei eine Formsache gewesen. Zwar wollte die Initiative schon um 8 Uhr Stände aufbauen, doch die Stadt wollte wegen des Lieferverkehrs die Straße erst ab 10 Uhr sperren. Auch nächstes Jahr werde es wahrscheinlich wieder einen „Parking Day“ geben.
Zwar gab es direkt in der Fressgasse keinen Stau, aber die Stadt hatte den Bereich an der Konkordienkirche schlecht ausgeschildert: Diese Einbahnstraße ist eigentlich Zufahrt zur Fressgasse, aber wurde beim „Parking Day“ Sackgasse. Das entsprechende Schild stand erst direkt vor der Absperrung, so dass den ganzen Tag über Autos bei Q2 in die enge Sackgasse hineinfuhren, nicht wenden konnten und nur mühsam rückwärts wieder herauskamen. Das führte im Bereich der Kirche zum Rückstau.
Der „Parking Day“ ist ein seit 2005 international jährlich begangener Aktionstag zur Re-Urbanisierung von Innenstädten. Das Veranstalter-Bündnis möchte mit seiner Aktion auf den Flächenverbrauch durch den motorisierten Individualverkehr hinweisen. Die Akteure waren unter anderem der ADFC, der Bürgerverein Innenstadt West, die Surf Rider Foundation, FUSS, PEER 23, die Junge Diakonie, der Arbeitskreis Stadtentwicklung von Bündnis 90/ Die Grünen, Klimaliste, VOLT und Seebrücke.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-parking-day-wie-die-mannheimer-fressgasse-ohne-autos-aussieht-_arid,2245235.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html