Mannheim. Die Stammkundschaft staunt nicht schlecht, als ihr Blick auf das neue Schild am Eingang der Neckarstädter Konditorei fällt. Über dem Buchstaben „O“ leuchten seit ein paar Tagen zwei Karotten. Scheinbar verwandeln sie den, wie in dieser Zeitung mehrfach berichtet, immer wieder vielumstrittenen Namen von Mohrenköpfle in Möhrenköpfle. Hat sich also die Inhaberfamilie dazu entschlossen, das Firmenlogo des Friedens willen zu verändern?
Und wenn ja, können zwei zu Umlauten umfunktionierte Runkelrüben die beiden Lager der immer wieder aufkeimenden Rassismus-Debatte besänftigen? Im Gespräch mit einer Deutschen mit nigerianischen Wurzeln sowie den Chefs der Konditorei und des Kulturzentrums Capitol reichen die Ansichten zu dem Gemüse-Logo von „Unsinn“ bis zu „Versöhnungsgeste“.
Schärfe aus der Debatte nehmen
Angefangen hat alles in einer lauen Herbstnacht vor zwei Jahren. „Da haben ein paar Buben über das O zwei Karotten gesprayt“, erzählt Markus Wenzlaff: „Wir haben das damals nicht wegmachen lassen, es war doch lustig, wie die zwei Umlaute bei der Rock-Band Motörhead.“ Als jetzt die Renovierung der Außenfassade des Hauses in der Mittelstraße anstand, „haben wir uns vom Leuchtreklamebauer zwei schöne Möhren gestalten lassen“, erzählt der Konditormeister: „Mit LED-Lampen, das ist stromsparender.“
Konditorei Mohrenköpfle
- 1979 haben Lutz und Luise (alias „Gwendolyn“) Wenzlaff das 1954 gegründete „Mohreköppl“ vom Vorbesitzer übernommen. Schon damals hieß es Mohrenköpfle. Sohn Markus steht heute als Konditormeister mit in der Backstube. Seine Frau Simone ist mit der Schwiegermutter für Verkauf und Service verantwortlich.
- Die Mannheimer Familienkonditorei stellt in zweiter Generation Torten her, die der Kunde in einer rotierenden gläsernen Vitrine betrachten kann.
- Das Mohrenköpfle hat von dienstags bis samstags von 10 bis 18 Uhr sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr in der Mittelstraße 11 in der Neckarstadt-West geöffnet. Montags ist es geschlossen.
- Gleichnamige Cafés gibt es unter anderen in Ulm und Ludwigsburg, beide bereits in dritter Generation. mai
Keineswegs habe das Familienunternehmen vorgehabt, den Namen zu ändern: „Wir haben nicht umfirmiert“, stellt Wenzlaff klar: „Wir wollen hier ja keine politische Gesinnung verkaufen, sondern Backwaren.“ Er habe mit den Möhrchen lediglich „etwas von der Schärfe aus der Debatte nehmen wollen. Lachen ist doch schön.“ Mit den schwarzen Bewohnern und Einzelhändlern aus der Nachbarschaft sei er ohnehin in bestem Einverständnis: „Die kaufen alle bei uns ihren Kuchen.“ Dennoch hätten einige „Hardliner von der anderen Seite“ an den Umlaut-Rüben Anstoß genommen. Die Wenzlaffs würden sich angeblich Überempfindlichkeiten beugen: „Unsinn“, schließlich wolle er gar nicht politisieren: „Ich will einfach ruhig schlafen und hoffe, dass beide Seiten ein bisschen lächeln können.“
Zu den Stammkunden, die Markus Wenzlaff auf den neuen Schriftzug angesprochen haben, zählt auch der SPD-Fraktionsvorsitzende und Geschäftsführer des Mannheimer Kulturzentrums Capitol, Thorsten Riehle. Vor drei Jahren ist der einst als Kino konzipierte Veranstaltungsort wegen seiner Sarotti-Mohr-Skulptur im Foyer in die Kritik geraten (wir berichteten). Die Betreiber ließen die Figur 2019 für einige Wochen in Christo-Manier verhängen: „Und das machen wir auch im kommenden Frühjahr wieder bei unseren Aktionstagen“, versichert Riehle, um denen, die allzu leichtfertig mit der Rassismus-Thematik umgehen, den Spiegel vorzuhalten.
Dennoch: Er schätze den „augenzwinkernden Umgang“ der Mohrenköpfle-Betreiber. Es könnte ein Versöhnungsangebot an die Menschen sein, die sich durch das Logo gestört fühlen: „Und zwar mit Humor.“ Allerdings mit einer ihm ausgesprochen wichtigen Einschränkung: „Ich bin als weißer Mann nicht betroffen.“ Er maße sich nicht an, zu wissen, ob betroffene Menschen zwei Möhrchen als witzige Attitüde empfinden können.
Zu denjenigen, die dem Wurzelgemüse-Emblem weder besonderen Witz noch Versöhnungsgesten-Tauglichkeit bescheinigen, zählt die Mannheimer Schulamtsdirektorin Florence Brokowski-Shekete. „Augenzwinkernd? Das kann man nur so sehen, wenn man nicht betroffen ist“, sagt die Verfasserin etlicher diskriminierungssensibler Publikationen. Gleichwohl habe sie Verständnis für die Situation der Mohrenköpfle-Inhaber: „So eine Umfirmierung geht in jeder Hinsicht mit hohen Unkostensummen einher.“
Konflikt fokussieren
Das sei eine Sache, findet die Autorin. Die andere jedoch betreffe die Position derer, die sich diskriminiert fühlen: „Jeder Mensch weiß doch, dass es kein Möhrenköpfle gibt. Das wirkt veräppelnd.“ Die Karotten-Umlaute würden den Herabwürdigungscharakter des Begriffs nicht abschwächen, sondern geradezu fokussieren: „Sie deuten nochmals explizit darauf hin.“
Letztendlich, so Brokowski-Shekete, sei ja nur ein Ziel wichtig: „Dass wir gesellschaftlich aufeinander zugehen sowie wertschätzend und respektvoll miteinander umgehen. Und Dinge nicht zulassen, die Menschen herabwürdigen, kränken oder verletzen.“
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