Schönau. Igel zählen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den „besonders geschützten Arten“, man darf sie weder fangen, verletzen, noch töten. Sie sind beliebt und genießen besondere Aufmerksamkeit, das Internet und die Sozialen Netzwerke sind voll mit Tipps von Nabu, Bund Naturschutz oder Igelstationen, wie man kranken oder verletzten Igeln helfen kann.
Die Tiere halten etwa von November bis März Winterschlaf, weil sie in der kalten Jahreszeit keine Käfer und Würmer zum Fressen finden und der Stoffwechsel auf Sparflamme läuft. Für ihren Winterschlaf eignen sich Erdmulden, Hecken oder Reisighaufen, wo sie nicht gestört werden. Ein brachliegendes Grundstück bietet alle drei Möglichkeiten im Überfluss, daher kommt es für die Igel als Überwinterungsquartier infrage.
Leerstehendes Haus soll demnächst abgerissen werden
Auf einem Grundstück im Stadtteil Schönau ist dies der Fall. Dort befindet sich ein leerstehendes Haus, das demnächst von einer Projektentwicklungsfirma abgerissen werden soll. Das Grundstück ist bereits eingezäunt, die üppigen Grünflächen rund um das Haus wurden bereits zurückgeschnitten. Tierschützer beobachteten die Arbeiten mit keinem guten Gefühl, denn von den Nachbarn wurde bestätigt, dass sich auf dem Grundstück Igel im Winterschlaf befinden.
Doch wenn sie schlafen, warum sieht man sie dann? Sie schlafen nicht den kompletten Winter durch, sondern haben kurze Wachphasen. In diesen Phasen und auch schon im Sommer gab es Sichtungen, und zwar von Nachbarn und Tierschützern, die sich um auf dem Gelände frei lebende Katzen kümmerten, die der damalige Eigentümer nicht mehr versorgen konnte. Die Katzen sind inzwischen an neue Besitzer vermittelt.
Tierschützerin Birgit O’Hearn dokumentierte die Aussagen und richtete sich ans Tierheim Mannheim. „Der Nachbar sagte Ende Januar in meiner Gegenwart, dass sich mehrere Igel auf dem Grundstück befinden“, schreibt die Tierschützerin in einer Mail. Die Baufirma einigte sich mit dem Tierheim, das Buschwerk auf etwa 60 Zentimeter zurückzuschneiden und dabei darauf zu achten, ob sich Igel auf dem Grundstück befinden. Angeblich wurden keine gesichtet.
Rodungsarbeiten wurden Nachbarn zufolge nicht gestoppt
Für die Fortsetzung der Arbeiten einigte sich das Umweltdezernat mit der Baufirma darauf, einen Gutachter kommen zu lassen: „Da in dem Bereich Bauarbeiten vorgesehen sind, wurde die zuständige Baufirma gemäß den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes informiert. Sie wurde aufgefordert, vor Beginn der Maßnahmen ein Fachbüro mit der Überprüfung der Igelbestände zu beauftragen“, schreibt Pressereferent Kevin Ittemann.
Konkrete Pläne, was auf dem brachliegenden Grundstück entstehen soll, gibt es noch nicht. Das baufällige Haus wird abgerissen, ein Bauantrag für einen Neubau liegt noch nicht vor. Laut Nachbarn wurden jedoch die Rodungsarbeiten nicht gestoppt, sie beobachteten in der Zwischenzeit, dass es einen weiteren Rückschnitt gegeben haben musste, obwohl der Termin mit dem Gutachter noch nicht stattgefunden hatte.
O’Hearn ist enttäuscht und befürchtet, dass es für die Igel zu spät sein könnte. Das Grundstück betreten darf nur der Bauherr, daher lässt sich nicht sagen, wie es den Tieren geht. „Laut Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es nicht erlaubt, Igel aus dem Winterschlaf zu wecken. Bei dem Grundstück stand ein Mähfahrzeug, ein kleiner Bagger. Wie soll man auf Igel achten, wenn man damit fährt?“, sagt O’Hearn.
Eine Zeitlang herrschte Unklarheit, Nachbarn und Tierschützer warteten auf das Ergebnis des Gutachterbüros. Nun kam Bewegung in den Fall, die Mitarbeiter des Büros untersuchten das Grundstück auf die Anwesenheit von Igeln und zusätzlich von Fledermäusen, die sich eventuell unter dem Dach des Haupthauses oder in den Schuppen befinden könnten.
Eventuell auch Fledermäuse auf dem Grundstück
„Während der Begehung wurden keinerlei direkte oder indirekte Hinweise (Kot) auf Fledermäuse oder Igel festgestellt. Insgesamt kann ein Vorkommen von Igeln sowie Fledermäusen jedoch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden“, schreibt Ittemann. Igel suchen sich in der Regel Bereiche „mit bodennahen, frostsicheren Strukturen“.
Das Haus sowie die weiteren Schuppen haben insgesamt „ein mittleres Quartierpotenzial für Fledermäuse“, zum Beispiel in Spalten im Dachbereich oder an den Fassaden. Mit der Naturschutzbehörde wurde abgestimmt, dass der Rückschnitt „der verbliebenen, bodennahen Vegetation“ manuell stattfinden soll, unter „ökologischer Baubegleitung“. Wird ein Igel gefunden, soll dieser „fachgerecht geborgen“ werden.
Dasselbe gilt für die Fledermäuse, zu erwartende Arten sind die Zwergfledermaus und die Breitflügelfledermaus. Beim Rückbau des Hauses und der Schuppen muss daher auf ein Vorkommen der äußerst kleinen Insektenfresser geachtet werden. Auch sie werden in diesem Fall geborgen und versorgt. Bei beiden handelt es sich um kältetolerante Arten, die auf Wetterwechsel reagieren und zwischendurch wach werden. Für sie würde das Umsiedeln an einen sicheren Ort lediglich eine Störung bedeuten. Die Tierschützer hoffen nun darauf, dass weder Igel noch Fledermäuse einen Schaden erleiden.
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