Punkt 1 von 2 Gringo Mayer, Sänger aus Ludwigshafen
"Ich werd mir die WM 2022 nicht anschauen. Ich boykottiere kein Land, weil ich den Menschen ihre Freude gönne. Aber ich boykottiere ein Sportereignis, in dem alte weiße Männer Geld über Menschenrechte und Klimaschutz stellen."
Punkt 1 von 2 Burkhard C. Kosminski, Schauspielintendant Stuttgarter Staatstheater
"Ich werde mir nur die Spiele der deutschen Mannschaft anschauen. In erster Linie ist ja die Vergabepolitik für Sportereignisse insgesamt ein Skandal. Was war das zuletzt: Peking, Sotchi und jetzt Katar. Dahin geht meine Hauptkritik. Ähnlich wie schon bei der WM 2006 in Deutschland, soll ja auch die WM in Katar irgendwie gekauft worden sein. Das kann ich nicht nachvollziehen und finde die Diskussionen gut, die jetzt stattfinden. Als Fan verhagelt das einem das Ganze total. Das sehe ich schon so. Allein der Zeitpunkt: Das, was eine WM immer ausgemacht hat – dass man sich mit Freunden trifft, draußen sitzt, grillt und gemeinsam Fußball guckt –, das ist jetzt alles nicht möglich. Und für mich als Theatermann ist der Zeitpunkt jetzt sowieso extrem schwierig. Wenn die Leute Fußball schauen, kommen sie nicht ins Theater. Ich hoffe wirklich, dass viele die WM boykottieren und dafür lieber zu uns kommen. Trotzdem würde ich selbst es nicht aushalten, die deutschen Spiele nicht zu sehen. Da bin ich zu schwach. Ich will auch unbedingt wissen, was Hansi Flick da macht. Die Situation ist ja die, dass man glauben könnte: Die fliegen eh gleich raus. Aber ich habe da ein ganz gutes Gefühl. Die haben eine gute Mannschaft, und ich hoffe, dass sie, ähnlich wie der VfB Stuttgart, das endlich auch mal zeigen. Und noch mal zurück zum Vergabeskandal. Dem folgte ja noch ein anderer: Blatter, Platini und wie sie alle heißen – die sind da mehr oder weniger unbeschadet wieder rausgekommen. Das ist skandalös! Also ich finde, diese Form von Fürstentum, die die FIFA sich da aufgebaut hat, muss dringend reformiert werden. Das ist widerlich. Der Sport wird benutzt. Und leider muss man ja sagen, dass der FC Bayern München mit seinem Sponsor Qatar Airways kein gutes Vorbild war. Ich finde schon, dass man sich da positionieren sollte. Aber es ist, wie es ist. Dass die WM jetzt, zu diesem Zeitpunkt, ist, ist einfach fürchterlich, und wie sie stattfindet, ist auch fürchterlich. Aber mein Fleisch ist zu schwach für den Totalboykott."
Punkt 1 von 2 Ralf Eisenhauer, Sportbürgermeister Mannheim
„Ich weiß es ehrlich gesagt noch nicht – ich lasse das auf mich zukommen. Ich mag Fußball, habe eine Dauerkarte beim SV Waldhof und sehe dort viele Spiele. Aber vom kommerzialisierten Profifußball in der Bundesliga, der Champions League oder eben bei einer Weltmeisterschaft habe ich mich irgendwie entfremdet, und zwar ganz unabhängig vom menschenrechtlich problematischen Gastgeberland Katar. Ich finde auch die Verschiebung der WM in den Winter befremdlich, Fußball schauen mit Glühwein passt für mich nicht so richtig. Speziell mit Blick auf Katar kritisiere ich, dass es sich allein mit Geld und auf mindestens fragwürdige Weise das größte Sportevent der Welt verschafft hat. Trotzdem würde ich nicht ausschließen, dass ich im Verlauf des Turniers doch das eine oder andere Spiel schaue.“
Punkt 1 von 2 Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar
„Ich schaue sicher einige WM-Spiele, weil ich Fußball mag und nicht erkennen kann, was ein persönlicher Verzicht an der Situation in Kataraktuell verbessern sollte. Dort liegt vieles im Argen und bei der Vergabe ist einiges gründlich schiefgelaufen, sodass man aus den Fehlern lernen sollte. Schwächelnde Einschaltquoten sind bereits eingepreist und werden zukünftige Vergaben so oder so beeinflussen.Aber ich glaube nach wie vor an das Konzept „Wandel durch Handel und Annäherung“, auch wenn es im Falle Putins aktuell gescheitert ist. Es ist auch schon etwas scheinheilig, einerseits Diener vor den Kataris zu machen, um Gas zu bekommen und andererseits denFußballfans ihre Leidenschaft zu vermiesen. Sinnvoller wäre, die Kataris darin zu bestärken, weitere Reformschritte im Sinne einer Liberalisierung zu gehen und sich weiter zu öffnen. Das geht nicht nur in diesem Fall im Dialog besser als mit Ausgrenzung.“
Punkt 1 von 2 Adeel Ahmad Shad, Imam der Mannheimer Ahmadiyya-Gemeinde
Adeel Ahmad Shad findet es „schön“, dass „endlich“ eine Fußball-Weltmeisterschaft in einem arabischen Land stattfindet. Das sei eine große Würde, zeige großen Respekt, den man unbedingt zurückgeben sollte. Denn der Imam der Mannheimer Ahmadiyya-Gemeinde sieht in dieser WM eine große Chance für den Islam: „Mit der WM in Katar sollten auch Muslime die Chance nutzen, die wahren und friedvollen Lehren des Islam zu präsentieren: Islam heißt Frieden.“ Shad selbst ist Fußball-Fan, schaut zumindest die großen Turniere wie Welt- und Europameisterschaften regelmäßig. Vor allem die Spiele von England, Deutschland, Brasilien und Frankreich verfolgt er. Ein Boykott des Turniers? Für ihn kein Thema. In seiner Gemeinde, so berichtet er, sei die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft so groß wie alle vier Jahre. Und was hält der 37-Jährige vom Austragungsort Katar? Über die Probleme, die beispielsweise Schwule und Lesben in dem Land ausgesetzt sind, müsse man sprechen, sagt der Muslim. Die Mannheimer Eshan-Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in der Innstraße in Neckarau stehe allen offen: „Alle Menschen sind gleich“, sagt der Imam, der seit acht Jahren im Amt ist. Zwei Punkte stören Shad allerdings an der öffentlichen Debatte: Bei der Weltmeisterschaft vor vier Jahren in Russland habe das Thema Menschenrechte nicht derart stark im Blickpunkt gestanden wie momentan bei Katar. Und der Zeitpunkt der Kritik – vor zwölf Jahren wurde die WM nach Katar vergeben – gefällt ihm nicht: „Wenn das Land nicht geeignet ist, hätte es damals schon nicht auf die Bewerberliste zugelassen werden dürfen.“ lok
Punkt 1 von 2 Robert Schmid, Jugendleiter und Trainer der Fußball-A-Jugend der DJK Feudenheim
„Ich versuche, die Fußball-WM nicht zu gucken. Ob ich das hundert Prozent schaffe, weiß ich nicht“, meint Robert Schmid, Jugendleiter der Fußball-A-Jugend der DJK Feudenheim. Dass er die Weltmeisterschaft nicht im Fernsehen verfolgen will, liege allerdings nicht nur am Standort Katar, sondern am Profi-Fußball allgemein: „Es geht zu viel um Geld. Ich mag das Gehabe nicht, ich mag die Wechselfristen nicht, und wie die Fußballstars bezahlt werden, finde ich unmöglich.“ Der Jugendleiter kritisiert, dass im Gegensatz dazu viel zu wenig Geld für die Basis ausgegeben werde; da könne vom DFB viel mehr kommen. Beispielsweise könnten jedem Verein vier Kleintore zur Verfügung gestellt oder Trainer über den Badischen Fußballverband finanziert werden. Die Kreisverbände, die neue Spielformen für die kleineren Kinder machen, bräuchten jedenfalls dringend mehr Material. Schmid wundert sich darüber, dass der Austragungsort Katar jetzt so heiß diskutiert wird, obwohl die Entscheidung bereits vor zwölf Jahren getroffen wurde. „Damals hätte man genauso laut protestieren können wie heute“, findet er – nur hätte man damals vielleicht noch etwas abwenden können. Es sei außerdem eine gesellschaftliche Frage, wann man protestieren soll: Wenn die WM in dem Emirat stattfindet oder wenn man Öl kauft. „Dann sind die Katarer plötzlich nicht mehr so schlimm, da tritt man die Menschenrechte mit Füßen.“ Im Verein werde übrigens so gut wie gar nicht über das Thema gesprochen, sagt Schmid: „Die A-Jugend guckt ganz emotionslos wie immer, Katar ist kein Thema.“ vg
Punkt 1 von 2 Astrid Hedtke-Becker, Rektorin Hochschule Mannheim
„Ich bin sehr fußballinteressiert, vor allem die letzte Frauen-WM habe ich mit Begeisterung verfolgt. Üblicherweise schaue ich mir die Spiele im Freundes- und Bekanntenkreis bei Public Viewing-Veranstaltungen an, habe aber für mich persönlich beschlossen, die WM in Katar nicht zu schauen. Ich halte es diesmal nicht für richtig, die Menschenrechtsverletzungen und die prekären Arbeitsbedingungen ausländischer Bauarbeiter zu ignorieren. Eine WM auf dem Rücken von Ärmeren und Schwächeren auszutragen ist kein Fair Play.“
Punkt 1 von 2 Sabine Hamann, Vorsitzende Sportkreis Mannheim
"Die WM in Katar wird kontrovers und, wie ich finde, mit einer gewissen Doppelmoral betrachtet. Wir diskutieren in ihrem Kontext über eine neue, auch politische Sicht auf den Profifußball und investieren dennoch Millionen Euro in seinen Erhalt. Das kann mich als Vertreterin des Vereins- und Breitensports nicht bedingungslos begeistern. Nach meiner Einschätzung hätten die politischen und diplomatischen Fragestellungen längst im Vorfeld geklärt werden müssen. Ich respektiere den Wunsch der Nationalspieler, nun am größten Fußballturnier der Welt teilzunehmen, denn für die Sportler ist dies sicherlich einer der größten Höhepunkte ihrer Karriere. Dies zu ignorieren wäre in meinen Augen nicht richtig und es wäre verfehlt, von den Fußballern und den Zuschauern nun das diplomatische Agieren zu erwarten, das ihre Volksvertreter und auch ihre Verbände im Vorfeld versäumt haben. Daher werde ich die sportlichen Aspekte der Wettkämpfe wie in den Jahren zuvor mit Interesse verfolgen und sicherlich so mancher interessanten Begegnung live im TV zusehen. Durch meine Funktion als Vorsitzende des Sportkreises und Präsidiumsmitglied im Badischen Sportbund bin ich allerdings, was die Sportarten angeht, sehr viel breiter aufgestellt und habe nicht nur den „Fußball“ im Blick. Wenn ich von einem „meiner“ Sportkreisvereine zu einem Turnier eingeladen werde, so werde ich dieses auf jeden Fall einem WM-Spiel im Fernsehen vorziehen und fiebere mit den (Fußball- und anderen) Vereinen meiner Region leidenschaftlich mit. Auf die Faustball-WM im kommenden Jahr in Mannheim freue ich mich bspw. schon jetzt unheimlich."
Punkt 1 von 2 Lena Trentl, Trainerin Frauen-Oberligamannschaft TSV Neckarau
"Dass diesen Winter in einem Wüstenstaat mit vollklimatisierten Stadien eine Fußball-Weltmeisterschaft gespielt wird, ist der zwischenzeitliche Gipfel einer fragwürdigen Entwicklung im Profifußball. Es ist eindeutig, dass bei Entscheidungen der großen, internationalen Verbände nicht die Liebe zum Sport, sondern finanzielle und machtpolitische Motive ausschlaggebend sind. Die WM in Katar stellt mich persönlich vor ein klassisches, moralisches Dilemma. Die Menschenrechtssituation, vor allem für Frauen und Homosexuelle und der Umgang mit Arbeitern machen mich fassungslos. Fußballweltmeisterschaften bedeuteten für mich immer pure Freude, und ich habe in der Vergangenheit quasi jedes Spiel verfolgt. Neben dem sportlichen Aspekt, der mich als Fußballtrainerin natürlich sehr interessiert, war es bei vergangenen Turnieren auch immer schön, mitzuerleben, welche Euphorie im Gastgeberland und von dort aus weltweit entfacht wird. Schon 2018 in Russland war dies nicht der Fall und im Jahr 2022 habe ich ebenfalls die Vorfreude und Hoffnung auf ein völkerverbindendes, euphorisches Fußballfest aufgegeben. Trotzdem weiß ich, dass meine Liebe zum Spiel es mir sehr schwer machen wird, nicht gelegentlich einzuschalten. Ich werde konsequent auf jeglichen Merchandise und sonstige Ausgaben verzichten, die an die Fifa oder ihre direkten Sponsoren gehen. Ein Konsum-Boykott könnte in der Konsequenz sogar effektiver sein, als das Ausbleiben von Einschaltquoten. Aber vielleicht tröste ich mit dieser Abwägung auch nur mein Gewissen. Wer in nächster Zeit ehrlichen, guten Fußball sehen möchte, bei dem es sicher nicht ums große Geld geht, kann noch bis zum 11. Dezember die Vorrunde der Frauen-Bundesliga verfolgen oder am 27.11. nach Neckarau kommen, wo unser Team den VfB Stuttgart zum Oberligaspiel empfängt."
Punkt 1 von 2 Patrick Groetzki, Kapitän der Rhein-Neckar Löwen
„Ich glaube nicht, dass deutlich weniger Menschen als sonst diese WM verfolgen. Am Ende möchte jeder wissen, wie Deutschland spielt. Auch ich werde mir zumindest die deutschen Spiele ansehen. Der Fehler, dieses Turnier an Katar zu vergeben, wurde vor vielen, vielen Jahren gemacht. Und kein Spieler, der jetzt bei der WM dabei ist, kann etwas für die damaligen Machenschaften und die Korruption. Deswegen darf man auch keinem Spieler vorwerfen, dass er zu dieser WM reist. Für den einen oder anderen Spieler ist diese WM eine einmalige Chance – und diese muss man dann auch nutzen.“
Punkt 1 von 2 Christian Neidhart, Cheftrainer SV Waldhof Mannheim:
"Ich glaube, jeder Fußballfan, der das am liebsten boykottieren würde, wird sich erwischen, wie er trotzdem reinschaut. Das ist eine WM und wenn nicht gerade der Weihnachtseinkauf ansteht, wird man sich garantiert das eine oder andere Spiel angucken. Weil es dich einfach interessiert. Ich bin damals mit Meppen ins Trainingslager in der Türkei gefahren, wo die politische Lage auch nicht einwandfrei war. Aber es war alternativlos, weil es die günstigste Möglichkeit war. Mir ging es um Sport, um Fußball. Und so sehe ich es bei der WM letztlich auch. Man muss nicht zu jedem Thema seinen Senf dazugeben."
Punkt 1 von 2 Malaika Mihambo, Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Weitsprung
„Ich persönlich werde es nicht so verfolgen, wie ich es sonst immer getan habe. Das hat aber verschiedene Gründe. Für die Spieler selbst steht das immer außer Frage. Sie sollen spielen und die kurze Zeit, die sie als Sportler haben, nutzen, um für Deutschland oder ihr jeweiliges Land aufzulaufen. Ich persönlich finde – und das habe ich schon 2019 bei der Vergabe der Leichtathletik WM nach Doha gesagt - dass es Zeit ist, solche Vergaben an Werten zu orientieren. Also Werte, die wir auch von den Sportlern erwarten, abseits des Sportplatzes zu fördern. Dazu gehört, dass man WM-, EM- oder Olympiavergaben so gestaltet, dass sie ökologisch nachhaltig sind, dass sie sozial gerecht sind und dass sie mit Werten einhergehen, auf die sich alle im Sport verständigt haben.“
Punkt 1 von 2 Marcel Reif, früherer TV-Kommentator und heutiger Experte
„Der eigentliche Skandal begann schon 2010, als man bei der Vergabe noch alle Hebel in der Hand hatte. Doch man hat die mit Abstand schlechteste Bewerbung genommen, gefolgt von kabarettistisch anmutenden Entscheidungen, die Weltmeisterschaft vom Sommer in den Winter zu verlegen. Ich halte nichts von einem Boykott oder der Aufforderung, dass die Spieler klare Kante zeigen müssen. Die hatten mit der Vergabe nichts am Hut. Deswegen sage ich: hingehen, Augen wie Ohren offen halten und darauf hoffen, dass sich die Dinge dort schrittweise ändern. Wobei es fraglich ist, ob wir mit dieser WM wirklich etwas ändern können. Da darf man den Fußball auch nicht überschätzen.“
Punkt 1 von 2 Thomas Hahl, erster Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim
"Die WM 2022 wird wohl die erste in meinem Leben sein, die ich nicht anschaue – obwohl ich großer Fußball-Fan bin. Dass die Fifa trotz der Menschenrechtssituation Katar als Austragungsort gewählt hat, finde ich unerträglich. Da geht es nur um Kapital- und Gewinnmaximierung, das hat mit Fußball nichts zu tun. Was mich auch ärgert: Hierzulande sagt man der kleinen Rentnerin, sie soll die Heizung runterdrehen und sich mit dem Waschlappen waschen, um Energie zu sparen. Und in Katar werden riesige Stadien klimatisiert, damit man es in der Hitze dort überhaupt aushalten kann. Das ist absurd. Dazu kommt die Jahreszeit: Das Turnier gehört für mich in den Sommer, wenn man sich mit Freunden im Garten zum Grillen treffen und dabei die Spiele schauen kann. Fußball-WM und Weihnachtsmarkt – das funktioniert für mich irgendwie nicht. Ich kann natürlich nicht ganz ausschließen, dass mich am Ende doch noch das Fan-Fieber übermannt, aber nach jetzigem Stand bleibt der Fernseher aus."