Mannheim. Mit 18 Jahren beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Das Abitur haben Jugendliche gerade abgelegt oder befinden sich auf dem Weg dorthin. Manche stehen sogar schon im Berufsleben - während andere gespannt sind, welche Herausforderungen das Studium bringt. An der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein ist man endlich volljährig, was mehr Freiheiten, aber auch mehr Verantwortung mit sich bringt. Das Leben wird spannender.
Spannung und Verantwortung kommen in vergleichsweise großem Maße nun auch auf Mia Helbig zu. Im Sommer erst hatte die 18-Jährige am Moll ihr Abitur abgelegt - noch dazu im Wahlkampf mit 1,9. Vor ein paar Wochen hat sie ihr Lehramtsstudium an der Universität Mannheim begonnen - und fast zur gleichen Zeit ihre erste Sitzung als Mitglied des Gemeinderats erlebt. Die Grüne ist damit die jüngste Stadträtin in der Geschichte Mannheims.
Schon in jungen Jahren politisch sozialisiert
Ob sie nun also mehr Respekt vor dem Lehramt-Studium oder doch vor der Aufgabe im Gemeinderat hat? „Vor dem Studium“, antwortet Helbig. Dort werde sie eher ins kalte Wasser geworfen und müsse sich schneller an alles gewöhnen. Zwar berge auch der Gemeinderat eine große Veränderung, vor allem, weil sie nun in einer Öffentlichkeit steht. „Im Gemeinderat habe ich aber Fraktion und Geschäftsstelle hinter mir, die mir zur Seite steht und alle Stadträte unterstützt, wo es geht.“
Auf dem Weg zum Strandbad, das Helbig sich als Ort ausgesucht hat, sprechen wir über die letzten Wochen, die die Jugendliche auf Abipartys, bei den Erstsemestereinführungstagen, mit der Vorbereitung auf den Gemeinderat und im Urlaub in der Balkan-Region verbracht hat. In Serbien liegen die Wurzeln des Vaters der Stadträtin, die als eine der wenigen Mitglieder im Gemeinderat einen Migrationshintergrund hat.
Über Politik, erzählt Helbig, sei in ihrer Familie immer schon diskutiert worden. Bereits als sie vier war, hat ihre Mutter sie mit auf eine Demonstration von Verdi genommen. Heute zählt Helbig, wie der Großteil der Grünen Jugend, zum linken Parteiflügel. Dass Jugendliche bei Wahlen zuletzt auffallend oft ihre Stimme der AfD gegeben haben, bereitet ihr Sorge. „Demokratische Parteien müssen daran arbeiten, wie sie sich auf Sozialen Medien präsentieren“, sagt Helbig. Gleichzeitig gelte es, genau dort auch zu erklären, dass die auf TikTok, Instagram und Co. propagierten einfachen Lösungen nicht immer auch die besten seien. Wie das gelingt? Hier ist guter Rat teuer.
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Die Grünen haben Helbig auf Listenplatz fünf gesetzt. Sie bekam bei der Kommunalwahl letztlich dann die sechstmeisten Stimmen auf der Liste und damit mehr als manche etablierte Fraktionsmitglieder - ein Erfolg für die weitgehend doch noch unbekannte Teenagerin. Anders als in der letzten Wahlperiode, in der mehrere junge Fraktionsmitglieder die Grünen aus beruflichen Gründen oder fürs Studium verlassen haben, möchte Helbig auf absehbare Zeit in Mannheim bleiben - auch, um ihre kleinen Geschwister aufwachsen zu sehen. Überhaupt hat sie bereits vor der Wahl immer wieder über die enge Bindung zu ihrer Familie in Mannheim gesprochen.
Mehr konsumfreie Räume, kostenloses Essen an Schulen
Mia Helbig allein auf ihr Alter zu reduzieren, würde ihr, die sich in der Schulzeit bereits etwa im Umgang mit ukrainischen Jugendlichen am Gymnasium vielfach ethisch und sozial eingebracht hat und dafür vom Moll-Gymnasium mehrfach ausgezeichnet wurde, aber nicht gerecht. Im Abitur hat sie Preise für Bestleistungen in den Fächern Deutsch, Philosophie und Ethik erhalten. Selbstbewusst und wortgewandt tritt sie bei ihrem ersten größeren Pressegespräch auf, die vielleicht anfängliche Nervosität scheint schnell verflogen. Natürlich sei sie mit der Ampel nicht vollends glücklich, sagt sie. „Wenn man mit allem zufrieden wäre, wäre aber auch das eine Gefahr für die Demokratie, weil man nicht mehr diskutiert und streitet.“ Dennoch werde auch das, was die Koalition auf den Weg gebracht hat, zu selten umfassend bewertet.
Gleichzeitig kommt man an ihrem Alter aber auch nicht vorbei, schließlich will sich Helbig in der Jugend- und Bildungspolitik engagieren. „Ich bin mitten in meiner Jugend und am nächsten dran an den Themen, die mir am Herzen liegen“, sagt die Studentin, während wir inzwischen am Strandbad-Restaurant sitzen, wo sie wegen des Flairs schon als Kind so viel Zeit verbracht hat.
In der Bildungspolitik hat Kommunalpolitik bei Inhalten kaum Gestaltungsspielräume. Die sind Ländersache. Man könnte sich aber für kostenloses Frühstück und Mittagessen an Bildungseinrichtungen einsetzen. „Und für eine Verbesserung und Renovierung der Gebäude. Das ist in Mannheim auch dringend notwendig.“ Dazu müsste die Kommune Prozesse verkürzen und Bürokratie abbauen. „Wir haben gesehen, dass in Neckarau am privaten Bach-Gymnasium ganz schnell gebaut worden ist, während am Moll immer noch ein Gerüst steht.“
Aber auch sichere Räume für queere Menschen oder das Errichten von mehr konsumfreien, ungestörten Räumen für Jugendliche seien Anliegen, sagt Helbig, wissend, dass der Haushalt angespannt ist. Auch deshalb sollte die Notwendigkeit des City-Airports und kommunale Zahlungen hierfür „kritisch hinterfragt“ werden, wünscht sie sich. „Natürlich muss die Möglichkeit medizinischer Versorgung durch Flüge aber gewährleistet bleiben.“ Linien- und Geschäftsflüge von Mannheim aus sollten, falls sie erhalten bleiben, teurer werden.
Für sie habe es übrigens keine große Bedeutung, jüngste Stadträtin zu sein, gibt Helbig bescheiden zu Protokoll. „Trotzdem ist es insgesamt ein tolles Zeichen, dass wir jemand 18-Jähriges im Gemeinderat haben.“ Vor Kurzem habe sie sich noch mit der Rektorin des Moll, Gabriele Mark, unterhalten. Die war 1999 mit 27 Jahren - als Gabriele Egler - als CDU-Politikerin einst selbst jüngstes Mitglied des Gemeinderats. „Dass jemand, der neun Jahre jünger ist, Stadträtin werden kann, zeigt doch, dass Jugendliche heute mehr gehört werden und mehr Mitspracherechte haben“, sagt Helbig.
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