Mannheim. Auch nach 75 Jahren hat das Grundgesetz nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil: Noch immer bildet es das Fundament der Demokratie in Deutschland. Doch kämpft es auch gegen feindliche Gesinnungen an. Wie wichtig die Verfassung für das Zusammenleben aber ist, weiß auch die Jugend in Mannheim, die ihre Gedanken zum Grundgesetz auf kreative Weise geteilt hat. Das Deutsch-Türkische Institut (DTI) hatte zu dem Wettbewerb „Rechte.Raum.Gestalten - Das Grundgesetz in Farben und Formen“ aufgerufen. Bei einer Demokratiefeier des DTI in der Kunsthalle sind die Schülerinnen und Schüler von der Friedrich-List-Schule, der Marie-Curie- Realschule und der Johannes-Kepler-Schule am Montag für ihr Engagement geehrt worden.
Die Schülerinnen und Schüler, die die Klassenstufe 9 oder höher besuchen, sind sich der Wichtigkeit des Grundgesetzes offenbar bewusst. Das wird deutlich in einer Gesprächsrunde mit dem Antisemitismus-Beauftragten des Landes, Michael Blume, Daniel Röder, dem Vorsitzenden des Vereins Pulse of Europe, und Bernd Oßwald, Lehrer an der Friedrich-List-Schule.
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In der von „MM“-Nachrichtenchefin Madeleine Bierlein geleiteten Diskussion mit dem Thema „Demokratie heute: Lust oder Frust?“ sollen die Jugendlichen aktiv mitmachen -und sie tun das lebhaft mit ihren Wortbeiträgen und Fragen. „Die Demokratie ist mir sehr wichtig, schon allein wegen der Musik- und Kunstfreiheit“, sagt ein Schüler. Ein anderer betont: „Ohne das Grundgesetz wären wir jetzt nicht hier.“
Nahost-Konflikt beschäftigt die Mannheimer Jugend
Doch vor allem wird deutlich, was die Jugend in diesen Zeiten besonders bewegt: der Nahost-Konflikt und der dortige Kriegszustand. So ist ein Schüler der Meinung, dass das Wort Antisemitismus missbraucht werde. Etwa gelte jemand schon als Antisemit, wenn er oder sie Kritik an der Regierung Israels übe. Eine Schülerin fragt, wie unparteiisch Lehrerinnen und Lehrer bei dem Thema sein sollen und dürfen? Eine weitere Schülerin merkt an, dass es wichtig sei, über die Situation im Nahen Osten im Unterricht zu reden. Doch bei den Gefühlen, die im Spiel seien, gestalte sich das schwierig.
Bernd Oßwald, Lehrer für Gemeinschaftskunde, Ethik und Englisch, entgegnet, dass Diskussionen zum Leben dazugehören. Anstrengende Themen seien Antisemitismus und der Nahost-Konflikt, und zwar in jeder Hinsicht. Themen, über die man als Jugendlicher vielleicht nicht so gerne reden möchte. Doch prassle derzeit aufgrund der Krisen vieles auf Schülerinnen und Schüler ein. Dennoch hält Oßwald Reden für wichtig: „Der Schlüssel zu allem ist Begegnung“, sagt er. Wie etwa die Veranstaltung des DTI. „Die jungen Menschen sollen ihre Wichtigkeit spüren“, hebt Oßwald hervor.
„Mann kann und darf anderer Meinung sein“, ergänzt Daniel Röder und fordert: „Aber zeigt Respekt.“ Dem schließt sich Antisemitismusbeauftragter Michael Blume an: „Wir müssen mit unterschiedlichen Meinungen umgehen.“ Eine offene Diskussion gehöre dazu, aber es gelte, jeden Menschen dabei gleich wichtig zu nehmen. „Jeder Mensch ist gleich viel Wert und hat die gleiche Würde“, betont Blume und erhält dafür lauten Applaus.
Es sind zwei zentrale Artikel des Grundgesetzes, die Blume angesprochen hat, und die Reaktionen des Publikums zeigt, wie wichtig sie sind. „Das Grundgesetz bietet uns unglaubliche Freiheit“, hat er zuvor in der Runde gesagt. Doch müsse die Verfassung mit Leben gefüllt werden. „Wenn wir die Freiheit nicht leben, wird der Text nicht reichen.“
In der Diskussion wird vor allem eins deutlich: Es braucht Teilhabe, um die Demokratie vor Verfassungsfeinden zu schützen. „Schafft Raum, indem ihr euch irgendwie engagiert“, sagt Röder zu den Jugendlichen. „Es gibt das Gute nicht per se in der Welt.“ Es gelte, etwas dafür zu tun. „Dann kann es sich durchsetzen.“ Blume rät dazu, zukunftsoffen zu sein, auch bei Themen wie Technologie und Digitalisierung. „Früher war es nicht gut. Wenn es gut werden soll, liegt es an euch.“
Hass und Hetze gefährden demokratisches Zusammenleben
„Die Ausstellung zeigt: Das Grundgesetz lebt“, hat Mannheims Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) bei ihrer Begrüßungsrede gesagt. Als „Handbuch der Demokratie“ verstehe sie die im Mai 1949 in Kraft getretene Verfassung der Bundesrepublik. Sie schütze die Freiheit hierzulande. „Es ist ein Manifest des Zusammenlebens“, betont Pretzell. Gleichzeitig macht sie aber auch einen Schwachpunkt des Grundgesetzes aus: „Es schützt nicht vor Hass und Hetze.“
„Die Verbreitung von Hass und Extremismus gefährdet nicht nur unsere demokratischen Prinzipien, sondern auch das friedliche Zusammenleben und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, heißt es in dem Grußwort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), das vom geschäftsführenden DTI-Vorstand Franz Egle verlesen wird. Die vielen Krisen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, „dass Demokratie unser aller Engagement braucht, dass Freiheit und Frieden erarbeitet werden müssen“, schreibt Kretschmann weiter.
Die Schülerinnen und Schüler zeigen, dass sie diese Freiheit schützen wollen und dass das Grundgesetz durch ihr Engagement für die Demokratie weiterlebt.
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