Mannheim. Alexander Manz findet gar nicht antiqiert, was er nun macht. „Eine in die Zukunft orientierte und wirkende Friedensorganisation“ – so definiert er den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Der Name mag veraltet klingen, doch ein neues, junges Team unter Führung von Manz will nun bei dem Verband für frischen Wind und mehr Aktivitäten sorgen. Schließlich habe „der Schrecken des Ukrainekrieges nach mehr als 75 Jahren des Friedens in Europa gezeigt, dass es unser aller stetige Aufgabe ist, uns für den Frieden nachhaltig einzusetzen“, so Manz.
Der 42-jährige Betriebswirt, hauptberuflich Vorstand der Arbeiterwohlfahrt, ist schon vielfältig ehrenamtlich engagiert – von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald über die Freunde des Karlsterns bis zur SPD. Er trat an der Spitze des Mannheimer Kreisverbands des Volksbunds die Nachfolge von CDU-Stadtrat Alexander Fleck an, womit auch die vielen Jahrzehnte mit Christdemokraten an der Spitze der Organisation beendet sind.
Die Gründung des Volksbunds geht auf den Versailler Vertrag nach Ende des Ersten Weltkrieges zurück, der auch den Umgang mit den Kriegsgräbern regelt, die „mit Achtung behandelt und instandgehalten werden“ sollen. 1919 übernimmt es der Volksbund, solche Gräber zu suchen, zu erfassen und zu pflegen, und nach dem Zweiten Weltkrieg erneuert die Bundesregierung 1954 diesen humanitären Auftrag.
Zeitzeugen werden weniger
Heute betreut der Volksbund mehr als 830 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten, auf denen rund 2,8 Millionen Kriegstote bestattet wurden. Das passiert mit Hilfe von Spenden, ehrenamtlichen Helfern und durch generationsübergreifende Workcamps, auch im Ausland. „Wir schaffen damit Erinnerungsstätten und Orte, an denen auch Trauer einen Platz haben kann“, so Alexander Manz. Das seien „Mahnmale für den Frieden“, welche „den Schrecken und das Leid des Krieges greifbar und in Zeiten, da Zeitzeugen weniger werden, auch für junge und kommende Generationen nachvollziehbarer machen“, so Alexander Manz. Immerhin kämen jährlich noch rund 21 000 Anfragen zu Kriegstoten und Vermissten des Ersten und Zweiten Weltkrieges – oft von Hinterbliebenen, aber auch von Historikern.
In Mannheim ist der Volksbund bisher vor allem für die Spendensammlung im November sowie die Ausrichtung der Gedenkstunden zum Volkstrauertag auf dem Hauptfriedhof und Vorortfriedhöfen bekannt. „Wir wollen die Arbeit mit Bildungseinrichtungen, Jugendverbänden und auch Migrantenverbänden ausbauen und verstärkt den Dialog zu suchen, um für unsere Ziele generationenübergreifend, parteipolitisch übergreifend und kulturell übergreifend zu werben“, hat sich Manz vorgenommen. Es gehe darum, „noch stärker als bisher Jung und Alt die lokale Geschichte und Einzelschicksale von Kriegsopfern näherbringen“, so der Vorsitzende.
Infoveranstaltung
- Bei einer Infoveranstaltung am Dienstag, 18. Juli ab 18 Uhr in den Räumen der Arbeiterwohlfahrt in der Murgstraße 3 in der Neckarstadt gibt der Vorstand einen Überblick über die Arbeit des Volksbunds.
- Julian Keil berichtet von seinen Arbeitseinsätzen bei Kriegsgräberstätten im Ausland. Günter Schramm präsentiert Gedenkfahrten zur Kriegsgräberstätte in Verdun. Die hauptamtliche Bildungsreferentin Eva Masurowski gibt einen Einblick in die Jugend- und Bildungsarbeit. Zudem werden Mitglieder geehrt.
Mit ihm bilden Daniel Paul Köhler (32), wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mannheim, als Bildungsreferent und Julian Keil (35) als ehrenamtlicher Geschäftsführer die Leitung des Volksbunds in Mannheim. Der Unternehmenscontroller war bereits für den Volksbund bei freiwilligen Auslandseinsätzen in Lettland, Litauen, den Niederlanden, Polen und Belgien tätig. Keil folgt auf Günter Schramm – eine Institution beim Volksbund und weiter als Ehrenmitglied des Vorstands gefragt und aktiv.
Die Aufgabe als Geschäftsführer wollte der 83-Jährige aber jetzt abgeben. Über drei Jahrzehnte war Schramm für den Volksbund tätig. Ministerpräsident Winfried Kretschmann überreichte ihm dafür persönlich das Bundesverdienstkreuz, würdigte damit „sein unermüdliches Engagement gegen das Vergessen und für eine würdige Erinnerung“. „Er schafft es, auch Menschen anzusprechen, die sich bisher nicht mit der Thematik befasst haben“, so Kretschmann.
Günter Schramm hoch geehrt
Dabei hat Schramm keine einfache Biografie – doch er steht dazu. Er ist als Kriegskind geboren, sein Vater kommt erst 1948 schwer krank aus russischer Gefangenschaft zurück. Sein Bruder muss Bäcker lernen und er Metzger, „damit wir nie mehr im Leben Hunger hätten“, wie er sich erinnert. Nach Metzgerlehre und Meisterbrief zieht es ihn nach Paris, dann geht er zur Fremdenlegion, ist fünf Jahre als Fallschirmjäger, Kampfschwimmer und Ausbilder in Algerien. „Ich weiß, was Krieg bedeutet“, seufzt er.
Als seine Ehe scheitert, ihm aber die beiden Kinder vom Vormundschaftsgericht zugesprochen werden, wird ihm „die Last als alleinerziehender Vater zu groß“, wie er sagt. Seine Zeit in der Legion holt ihn ein und er wird Nikotin-, Drogen- und Alkoholsüchtig – über Jahre hinweg. Doch der Satz „Vater, Du gehörst nach Wiesloch“ seines Sohnes, damals 17 Jahre alt, habe sein Leben gerettet, sagt er dankbar. Er geht in Therapie, ist seit 1985 geheilt. „Ich musste mich den Problemen stellen und mein altes Leben hinter mir lassen – doch das habe ich geschafft“, sagt Schramm heute rückblickend.
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Aus Dankbarkeit engagiert er sich. Schramm gründet den Verein Amicale für ehemalige Fremdenlegionäre, wird Präsident vom Tauchclub Splash und in den 1990-iger Jahren, von Stadtrat Claudius Kranz geworben, Geschäftsführer vom Volksbund. Durch seine Französisch-Kenntnisse kann er viele Busfahrten des Volksbundes nach Verdun oder auf deutsche Soldatenfriedhöfe in Frankreich begleiten, mit der Trompete spielt er auf Gedenkfeiern. Für Spender und Unterstützer richtete er ein Schlachtfest in seinen Garten aus. Er baut zur Weihnachtszeit eine große Krippe mit lebenden Tieren in seinem Garten auf, lädt dazu die Neckarauer Kindergärten und Flüchtlingskinder ein. Dieses Engagement will er, soweit möglich, fortführen.
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