Mannheim. Eine Glasschale mit Wasser, darin ein Farnzweig, steht am Eingang und dient der rituellen Reinigung. Rituelle Gesänge erklingen, zwei Akteure tragen besondere Umhänge über dem Anzug, beschwörend klingende Schreie werden ausgestoßen, vielstimmige Lieder angestimmt: In einer sehr bewegenden traditionellen Zeremonie hat eine neuseeländische Delegation drei mumifizierte menschliche Maori-Köpfe aus den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen übernommen, um sie wieder in die Heimat zu bringen.
Man darf sie nicht anschauen, nicht fotografieren. Zwar waren zwei der Maori-Köpfe zuletzt in Mannheim in der Mumien-Ausstellung 2007 zu sehen. Aber nun sollen die Köpfe ihrer Ahnen, so wünschen es sich die Neuseeländer, in den Kartons mit der warnenden Aufschrift „Achtung! Menschliche Überreste“ bleiben. Drei Mitarbeiterinnen der Reiss-Engelhorn-Museen tragen sie in einer Prozession herein und nach der Zeremonie, bei der sie mit einem schwarzen Tuch abgedeckt sind, heraus. Es sind jene Mitarbeiterinnen, die diese Exponate bisher betreut haben, erläutert Sarah Nelly Friedland, Direktorin für Archäologie und Weltkulturen: „Durch ihre Rückkehr erhalten die Verstorbenen, deren Köpfe lange als reines Handelsobjekt gesehen wurde, ihre Würde zurück.“
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Die Zeremonie sei „ein wichtiger Tag für Mannheim und Neuseeland“, sagt Oberbürgermeister Peter Kurz, ehe er die Übergabeurkunde unterschreibt. Für Mannheim sei es immerhin das erste Mal, dass Exponate aus kolonialen Kontexten an ein Herkunftsland zurückgegeben werden. Die - vom Gemeinderat eigens beschlossene - Rückgabe stelle eine Anerkennung der Rechte der Maori-Kultur ebenso dar wie das Eingeständnis, dass man menschliche Überreste heute nicht mehr in Museen ausstellen dürfe.
„Sehr glücklich“ über die Übergabe äußert sich Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen. Sie öffne ein Fenster in die Vergangenheit, als erst die Kurfürsten und dann die Bürgerschaft den Grundstock der heutigen Sammlungen der Reiss-Engelhorn-Museen zusammengetragen hätten. Ein Teil sei durch Tausch und Handel in der Ära des Kolonialismus nach Mannheim gelangt. Heute sehe man das weitaus differenzierter und sei sich darüber im Klaren, dass solche Exponate nicht mehr ausgestellt und an die Heimatländer zurückgegeben werden müssten.
Genaue Herkunft ungeklärt
Dabei handelt sich um drei Köpfe von erwachsenen Männern, die Gesichtstätowierungen aufweisen, wie sie bei den Maori einer langen Tradition entsprechen und über Herkunft und Stellung der Verstorbenen Auskunft geben. In der indigenen Sprache der Maori werden solche Köpfe als toi moko bezeichnet. Mumifiziert wurden sie durch aufwendige Räucherungsprozesse.
Europäische Seeleute, Händler und Reisende haben diese Köpfe zwischen 1769 und dem Ausfuhrverbot 1831 zur begehrten Handelsware gemacht, sie teilweise gestohlen oder bei gewalttätigen Auseinandersetzungen geraubt. Nach Untersuchungen der Reiss-Engelhorn-Museen sind zwei der Ahnenköpfe auf traditionelle Weise in Neuseeland hergestellt worden. Bei einem Kopf ist völlig unklar, wie er nach Mannheim kam. Einer wurde 1935 im Rahmen eines staatlich angeordneten Ringtauschs aus dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe nach Mannheim gebracht. Nach Karlsruhe gelangte er 1927 über den Händler Arthur Speyer aus Berlin.
Bei dem dritten Kopf legen laut Rosendahl Recherchen nahe, dass es sich um die Überreste eines Stammesführers handelt, der Mitte der 1820er Jahre von Neuseeland nach Großbritannien reiste und sich dort der Jahrmarktschau des amerikanischen Kapitäns und Schaustellers Samuel Hadlock anschloss. Er soll 1824 in Leeds verstorben sein. Nachdem Hadlock den Kopf des Mannes von einem Tierpräparator präparieren ließ, zeigte er ihn - montiert auf eine Figurine - weiter auf seiner Tour. 1826 schenkte er seine Sammlung dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., aus dessen Sammlung im Berliner Schloss der Kopf 1939 an den Händler Arthur Speyer abgegeben wurde. Wie er nach Mannheim kam, ist indes offen.
Dank vom Botschafter
Welche Bedeutung die Rückgabe für die Neuseeländer hat, zeigt, dass ihr Berliner Botschafter Craig Hawke dazu eigens nach Mannheim gekommen ist. Mit Paraone Gloyne, der in der Delegation aus Neuseeland die Maori repräsentierte, und Te Herekiekie Haerehuka Herewini, Leiter des Karanga Aotearoa Repatriation Programms am Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa, übernahm er die menschlichen Überreste. Der Botschafter äußerte sich dankbar, „unsere Vorfahren zu ihrem Volk und in ihr Land zurückzubringen“. Durch den Rückführungsprozess würden „uns Wege zu einer bedeutungsvollen Versöhnung und Wiedergutmachung nicht nur für die Maori, sondern auch für die Nation geboten,“ so der Botschafter.
Te Herekiekie Haerehuka Herewini dankte für „echtes Verständnis für die Wichtigkeit der Rückführung der Überreste unserer Vorfahren“ und die Bereitschaft, „das Fehlverhalten anzuerkennen“. Auf Deutsch rief er aus: „Schlaft gut, meine Vorfahren, auf der langen Reise nach Hause“ und verbeugte sich.
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