Mannheim. „Wie bitte?“ „Was, wieso?“, zitiert Veronika Wallis-Violet die Fragen. Wenn die Feudenheimer Lehrerin derzeit mit Freunden auf die Bundesgartenschau geht, reagieren die voller Unverständnis. Sie begreifen nicht, dass zwei leerstehende alte Kasernenblocks nach der Bundesgartenschau für ein neues Wohngebiet abgerissen werden sollen. Dagegen wendet sich jetzt eine Bürgerinitiative. Ihrem Appell „Erhalt statt Abriss“ hat sich neben Architekten, Künstlern, Wissenschaftlern und Bürgern auch der Bund Deutscher Architekten (BDA) angeschlossen.
Für die Architektenschaft sei das ein besonderer Schritt, sagt Johannes Striffler. „Aber die Herangehensweise, dass man Altes einfach abreißt, ist nicht mehr Konsens“, betont er. Vielmehr plädierten viele Architekten für ein Abrissmoratorium. Die Baubranche sei sich bewusst, dass sie an dem Thema „Graue Energie“ nicht mehr vorbeikomme, sprich: die Vernichtung bestehender Gebäude und dann der Verbrauch neuer Rohstoffe für Neubauten nicht mehr zu verantworten sei.
„Skandalös“ findet das gar Rene Leicht, Feudenheimer Bezirksbeirat der Grünen. Mit den Abbruchplänen werde den von der Stadt selbst gesetzten Klimaschutz- und Nachhaltigkeitszielen „eklatant widersprochen“, beklagt er und findet es „erstaunlich“, dass es darüber bisher gar keine öffentliche Debatte gebe.
Zwar war das geplante Bauvorhaben der GBG - Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft im Frühjahr 2022 ausführlich im Feudenheimer Bezirksbeirat vorgestellt worden. Leicht und die Feudenheimer Altstadträtin Yvette Bödecker kritisieren aber, dass es eine Erklärung der GBG, warum die Blocks abgerissen werden müssten, bisher nicht gegeben habe. „Das wurde nicht problematisiert“, wundert sich Bödecker.
Was die Bürgerinitiative fordert
Schon bisher hatte es in Feudenheim Kritik an dem Abriss gegeben, vor allem von Altstadtrat Ulrich Schaefer. Doch die im Mai gegründete Bürgerinitiative ist nun wesentlich breiter aufgestellt und beruft sich bei ihrem Appell auf die Sachkunde der Architekten wie auch die von der Stadt selbst propagierte Nachhaltigkeit. Daher fordert die Bürgerinitiative „eine Neuberechnung des Bauvorhabens unter ökologischer Betrachtungsweise“, eine Bürgerbeteiligung und die Einladung von Experten, die Beispiele vorstellen, dass ein Umbau statt Neubau möglich ist. Dann werde man sehen, „dass innovative Ideen für die Nutzung möglich sind“, äußert sich Bödecker überzeugt.
Man kann doch nicht auf der Buga für Nachhaltigkeit werben und dann hier abreißen.
„Man kann sich heute einfach nicht mehr erlauben, alles abzureißen“, begründet Künstler Philipp Morlock, in Mannheim für sein Engagement auf Konversionsflächen bekannt, warum er die Initiative unterstützt. Er hat selbst ein altes Kasernengebäude umgenutzt. „Man kann doch nicht auf der Buga für Nachhaltigkeit werben und dann hier abreißen“, so Morlock. „Natürlich kann man solche Gebäude nutzen“, betont er. Das bekräftigt Architekt Andreas Handel. „Der Brandschutz ist ein Scheinargument“, ergänzt Striffler. Zudem sei die Bausubstanz noch sehr gut, so Rene Leicht, der auch eine „Vernichtung des Ensemblecharakters“ der alten Kasernenbauten fürchtet: „Das schmerzt!“
Die insgesamt fünf Blocks sind von der Deutschen Wehrmacht gebaut und 1937 von einem neu aufgestellten Pionierbataillon bezogen worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Amerikaner die Kaserne, benannten sie nach dem im Krieg umgekommenen Sanitäter Dominic Spinelli und bauten sie zum wichtigen Nachschub- und Logistikstandort für ganz Europa aus. Lange sorgte die US-Armee dafür, dass die alten Wehrmachtsgebäude in gutem Zustand blieben.
Kasernengebäude von der US Armee saniert
Zuletzt wurden sie 2008/09 saniert. In den Unterkunftsgebäuden lebten Unteroffiziere, für je zwei gab es geräumige Schlafräume, gemeinsam eine Kochnische und einen Sanitärbereich. Höhere Dienstgrade hatten ein Mini-Appartement mit eigenem Sanitärbereich, Küchenzeile, gar begehbarem Kleiderschrank. In einem der nun zum Abriss stehenden Gebäude befindet sich auch eine große Kantine mit moderner Küche.
Nach der Räumung durch die Amerikaner, die zwischen 2011 und 2014 die Spinelli-Kaserne verließen, lebten 2015 bis 2020 hier Tausende von Flüchtlingen. Dann übernahmen die Stadt (für die Bundesgartenschau) und die GBG das Areal.
Die drei Blocks entlang des Wingertsbuckels hat die GBG saniert. Einer dient als Wohnheim für Auszubildende, einer für Flüchtlinge, und die ehemalige Kommandantur - bei den Amerikanern Gebäude 1585 - ist heute Sitz der Bundesgartenschau-Gesellschaft und soll auch künftig gewerblichen Zwecken dienen. Auch die frühere Reit- und dann Sporthalle möchte die GBG erhalten, nicht jedoch die Blocks mit den Nummern 1574 und 1566, die schon lange leerstehen.
Ab Anfang 2025 will die GBG diese zwei nördlich gelegenen Blocks abreißen und dort zwei neue, jeweils viergeschossige Bauten errichten. Hinzu kommen auf der freien Fläche zwischen Sporthalle und U-Halle, wo derzeit die Haltestelle der Pendelbusse der Bundesgartenschau sowie der begrünte, üppig bepflanzte Willkommensbereich für die Buga-Besucher ist, sieben Punkthäuser von vier bis sechs Geschossen. Insgesamt sind hier 198 Wohnungen auf Spinelli geplant.
GBG: Kasernengebäude lassen sich nicht sinnvoll umgestalten
Vorgesehen sei „ein gemischtes, autoarmes und nachhaltiges Modellquartier mit einem hohen Anteil an geförderten Mietwohnungen in neuen, nachhaltigen Holzhybridgebäuden“, so ein GBG-Sprecher. Wichtig sei dabei, dass „ein dauerhaft stabiles und nachhaltiges Quartier mit Wohnangeboten für breite Bevölkerungsgruppen“, auch betreutem Wohnen und Eigentumswohnungen entstehe. Die zwei Blocks würden sich „nicht für eine Nutzung als Wohngebäude eignen“, so der Sprecher.
„Eine intensive Untersuchung hat ergeben, dass die deutlich in die Jahre gekommenen Kasernengebäude mit langen, breiten Gängen und kleinen Zimmern sich aus technischen, wirtschaftlichen und qualitativen Gründen nicht sinnvoll zu modernen, nachhaltigen, barrierearmen Wohneinheiten umgestalten lassen und dauerhaft kein gutes Wohnen ermöglichen“, sagt er. Allerdings teilt er auch mit, dass die Frage, wie der Abriss „im Gesamtzusammenhang ökologisch, ökonomisch und technisch zu bewerten“ sei, noch mal von externen Experten überprüft werde.
Die Bürgerinitiative ist daher laut Bödecker „guter Hoffnung“, einen Abriss verhindern zu können, da es auch im Gemeinderat „zunehmend kritische Nachfragen“ gebe.
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