Prävention

"Wir sind auch für Dich da" - Einsatzkräfte zeigen Gesicht auf Straßenbahn in Mannheim

Beleidigt, behindert oder angegriffen: Immer öfters sind nicht mehr nur Polizistinnen und Polizisten sondern sondern auch Rettungskräfte und Straßenbahnfahrer Ziel von Übergriffen. Wie eine neue Kampagne dagegen wirken will

Von 
Lisa Uhlmann
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„Wir sind auch für dich da“: Damit wirbt Straßenbahn der Linie 5 ab sofort für mehr Respekt gegenüber denjenigen, die täglich für uns im Einsatz sind. © Lisa Uhlmann

Mannheim. Bei Fußballspielen oder am Wochenende ist es am deutlichsten spürbar, wird am meisten gepöbelt: Besonders betrunkene Fahrgäste brüllen dann gerne mal Kraftausdrücke in Richtung Fahrerkabine. „So oft, wie ich in den vergangenen zehn Jahren beleidigt wurde, wurde ich im ganzen Leben noch nicht“, erzählt Johanna Plesch. Dabei steht die Straßenbahnfahrerin des Verkehrsunternehmens Rhein-Neckar-Verkehr (rnv) direkt vor einem ihrer Fahrzeuge - auf der sie selbst zu sehen ist. „Warum beleidigst du uns und pöbelst uns an?“, steht direkt neben ihrem und dem Abbild eines Kollegen. Ebenfalls darauf zu sehen: eine Verkehrspolizistin, Feuerwehrleute sowie zwei Notfallsanitäter. Die Bilder auf der Straßenbahn der Linie 5 zeigen allerdings keine dafür in Szene gesetzten Modells - sondern echte Menschen wie Plesch.

Respektlosigkeit und Aggression gegenüber Einsatzkräften

Wie die Straßenbahnfahrerin haben sie sich nämlich dazu entschieden, ihr Gesicht für eine neue Kampagne herzugeben, die für ein respektvolleres Miteinander wirbt. Denn wer mit Notfallsanitätern und Polizistinnen spricht, merkt schnell: Ihnen schlägt immer öfters fast täglich Wut und Aggression entgegen - und das, obwohl sie eigentlich nur ihren Job machen. „Mit der Kampagne wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass diese Menschen für uns alle im Einsatz sind. Gerade Kollegen im Fahrdienst oder bei der Fahrausweisprüfung haben es nicht immer leicht, sehen sich oft Anfeindungen oder Übergriffen ausgesetzt“, sagt Christian Volz, kaufmännischer Geschäftsführer der rnv zum Start der Respekt-Kampagne.

Wachsende Wut gegen Einsatzkräfte

  • Seit Jahren vermeldet das Polizeipräsidium (PP) Mannheim ein hohes Niveau von Fällen von Gewalt gegen Polizisten und Polizistinnen. Im vergangenen Jahr sind laut PP Mannheim insgesamt in Heidelberg, Rhein-Neckar-Kreis und Mannheim mehr als tausend Ordnungshüter Opfer von Gewalttaten geworden. Davon wurden 313 leicht und zwei schwer verletzt, was den höchsten Wert der letzten fünf Jahre darstellt.
  • Im gesamten Südwesten sind laut dem Sicherheitsbericht vom Land Baden-Württemberg die Fallzahlen der Gewalttaten gegen Rettungskräfte 2022 um 20,3 Prozent auf 225 Straftaten angestiegen und markieren einen neuen Höchstwert. In 40 Prozent der Fälle handelt es sich um tätliche Angriffe. Die Gesamtzahl der verletzten Rettungskräfte nimmt ebenfalls um 36,8 Prozent auf 104 Verletzte zu. Betroffen seien überwiegend die Rettungsdienste, seltener die Feuerwehren.
  • Wer während eines Unglücksfalls Hilfeleistende der Feuerwehr oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt behindert oder tätlich angreift, kann mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Als Projektpartner mit an Bord sind neben der Stadt auch das Polizeipräsidium sowie die Feuerwehr Mannheim und die Rettungsdienste Johanniter-Unfall-Hilfe und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Mannheim. Sie alle wünschen sich mehr Respekt und Beistand gegenüber ihren Einsatzkräften. Die wiederum berichten immer wieder von Übergriffen, Behinderungen und Anfeindungen. Der gemeinsame Appell lautet deshalb: Wer anderen hilft, darf nicht Opfer von Angriffen werden. Auch der neue Sicherheitsdezernent Volker Proffen ist zum Startauftakt der neuen Kampagne gekommen. Er hält den gedruckten Appell, der zwölf Monate durch die ganze Region fährt, ebenfalls für nötig: „Wir wollen allen aus der Blaulichtfamilie zeigen, dass wir hinter ihnen stehen. Denn egal ob beim Brandeinsatz, der Verkehrskontrolle oder beim Bürgerservice: Diese Menschen sind ,auch für dich’ da. Deshalb sollte ihnen entsprechend Respekt entgegengebracht werden“, erklärt Proffen und greift dabei auch den Slogan der Kampagne auf.

Fachkräfte sind ständiger Belastung ausgesetzt

Mehr Verständnis dafür, dass man für die Menschen da ist und nicht gegen sie arbeitet - das wünscht sich auch Notfallsanitäter Christopher Maar. Sein Gesicht ist ebenfalls auf der Straßenbahn zu sehen, direkt daneben die Erinnerung: „Morgen könntest du mich brauchen“. Ob so eine Kampagne wirklich nötig ist, gerade für Sanitätern wie Maar? „Oh ja! Ich erlebe jeden Tag Anfeindungen. Oft verstehen Familienangehörige nicht, warum ich Fragen über Medikamente oder Vorerkrankungen stelle, statt direkt das verletzte Bein zu verarzten, und drängen auf eine Behandlung“, sagt Maar.

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Bei seinen Einsätzen im Jungbusch oder der Neckarstadt begegnet er allen Schichten. Manche, sagt Maar, sind ihm wohlgesonnen. Für andere wird der Notfallsanitäter vom DRK schnell zum Feindbild. Etwa bei betrunkenen Jugendlichen, für die der Krankenwagen oft das Ende der Party bedeutet. Seit 23 Jahren arbeitet Maar als Sanitäter, musste schon Einsätze abbrechen - aus Sicherheitsgründen. „Einmal wurden wir angegriffen, weil der Sohn nicht wollte, dass seine kranke Mutter im Krankenhaus behandelt wird“, erinnert er sich.

Immer mehr Vorfälle von Gewalttaten gegen Polizisten

Solche Gewalttaten gehören bei Ordnungshütern längst zum Berufsalltag. Für das aktuelle Jahr verzeichnet das Polizeipräsidium Mannheim sogar eine steigende Tendenz der Vorfälle von Gewalttaten gegen Polizisten und Polizistinnen in Mannheim. „Wir helfen gerne und aus voller Überzeugung, ohne Frage, darum sind wir schließlich in diesen Berufen. Unseren Dienst wollen wir aber ohne Anfeindungen und Angriffe leisten können. Respekt ist keine Einbahnstraße“, lässt auch Polizeipräsident Siegfried Kollmar verlauten. Die Hoffnung aller Projektbeteiligten: Mit der Kampagne das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für ein respektvolleres Miteinander zu schärfen und klar zu machen: Solche ständigen Anfeindungen belasten Einsatzkräfte enorm. Zudem soll es nicht bei der bedruckten Straßenbahn bleiben, die immerhin zwölf Monate lange durch die Metropolregion fährt. Gemeinsam wollen die Beteiligten mit Aktionen und Veröffentlichungen für mehr Verständnis, Rücksichtnahme und Mitgefühl im Umgang miteinander werben.

Manchmal reicht ein "Danke"

Warum Straßenbahnfahrerin Johanna Plesch eigentlich so oft von Fahrgästen beleidigt wird? Meistens, sagt sie, dreht es sich um Türen, die geschlossen werden. Oder weil sie weiterfahre, statt noch länger zu warten. „Das machen wir natürlich nicht mit Absicht. Wir haben ja Zeiten einzuhalten, wollen keine Verspätungen“, erklärt die 51-Jährige. Eigentlich geht sie gerne zur Arbeit, verlässt aber nur in Notfällen die Fahrerkabine. Zu groß ist die Angst, doch angegangen zu werden. Neulich, erzählt Plesch, habe sie dann doch einer Frau, die belästigt wurde, geholfen. „Da hat mir ein anderer Fahrgast beigestanden. Aber auch ein freundliches Wort oder ein Danke reicht schon aus. Das sind die Momente, in denen einem im Job das Herz aufgeht.“

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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