Als Tim Sperber kurz Zeit für einen Videocall hat, sitzt er gerade in einem Zimmer in Mexiko-City. Doch nicht mehr lange. Bald geht’s für ihn nach Jakarta. Dort vertritt der 28-jährige Mannheimer Deutschland beim Y20-Gipfel. Der Gipfel ist das Jugendformat des G20-Gipfels.
Sperber ist ein Jetsetter. „Das bringt der Beruf so mit sich“, sagt er und lacht. Der Flugbegleiter ist beim Gipfel interessanterweise mit dem Themengebiet „Nachhaltiger und lebenswerter Planet“ betraut. Mit vier anderen Deutschen gilt es, verschiedenste Themen zu bearbeiten. Von „Wirtschaft“ über „Digitales“ bis hin zu „Erwerb“. Am Ende wird ein Kommuniqué, ähnlich einer amtlichen Mitteilung, an die Regierungschefs der Staaten übergeben.
Ehrenamt „muss man sich leisten“
„Ich glaube an demokratische Willensbildung“, sagt Sperber. Im Kleinen aktiv zu sein, für die Interessen der Jugend einzutreten, ist ihm wichtig. Nun ist er eben mal auf einem ganz anderen Level unterwegs. Dafür wird’s Zeit, denn lokal und ehrenamtlich ist Sperber schon lange ein Jetsetter. Er ist in Mannheim kein Unbekannter. Er hat die beliebten „Free Walking Tours“ gegründet, die kostenlose Stadtspaziergänge für Einheimische und Fremde bietet. Er führt selbst durch Mannheim, zeigt versteckte Ecken, Wahrzeichen - gibt Einblick in Kunst und Kultur(en). Zugleich ist der Sportler, der am liebsten kickt, sich selbst aber als „sportlicher Generalist“ bezeichnet, in der Jugendarbeit aktiv. Genauer ist er Vorstand der Sportkreisjugend Mannheim.
Über die Delegation
- Das Deutsche Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit (DNK) fungiert als eine Art Dachverband der Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Bundesjugendrings, der Deutschen Sportjugend und des Rings Politischer Jugend. Seit einem halben Jahrhundert existiert das DNK und hat zum Ziel, sich weltweit für die Belange der Jugend einzusetzen. Es werden immer wieder Jugendliche als Delegierte gesucht, die sich bei den Verbänden bewerben können.
- Sie können nach Auswahl bei den Beteiligungsgruppen des jährlichen G7- sowie G20-Gipfels und auch des Youth 7- und des Youth-20 Gipfels teilnehmen. Beim Y7 und Y20 verhandeln junge Vertreter aus jedem G7- bzw. G20-Staat über Schwerpunktthemen der Gipfel. Ziel ist es, Politikempfehlungen der Jugend in Themenfeldern an die Staats- und Regierungschefs für den G7- und G20-Gipfel zu erarbeiten . see
„Ehrenamt muss man sich leisten können“, sagt Sperber. „Wenn du studierst, aber den ganzen Tag im Café arbeiten musst, um dein Leben zu finanzieren, geht das nicht.“ Dabei sei Ehrenamt eine tolle und wichtige Aufgabe. „Es gibt allgemein und beim Gipfel viele Dinge, die mich interessieren“, sagt Sperber. „Zum Beispiel Circular Economy, also Kreislaufwirtschaft, oder ,Leben unter Wasser’, das ganze Thema mit Ocean Dumping, also ,Müll in den Ozeanen’.“ Alles Probleme, die man global angehen müsse. Gemeinsam. Ob als Jugendliche oder nicht.
Promotion zu Olympia und Klima
Sperber sagt: „Ich bin jemand, der Nachhaltigkeit ganzheitlich und systemisch denkt, ich finde, das sollte viel mehr geschehen.“ Gerade macht er noch seine Promotion an der Deutschen Sporthochschule Köln. Zum Thema „Klimawandel und Olympische Spiele“. Und auch wegen seines Jobs als Flugbegleiter kommt es da nicht selten zu kontroversen Diskussionen im Freundes- und Bekanntenkreis. Sperber aber sagt zum Thema Nachhaltigkeit: „Ich esse kaum mehr Fleisch, die Energieversorgung der Wohnung ist klimaneutral, und ich habe kein Auto.“ Wenn er das dann den Kumpels sage, beharrten die meisten auf ihr Auto, sagen, dass sie das jetzt in dem Alter bräuchten. Sperber ist realistisch: „Fliegen wird es immer geben.“ Klar gebe es die Diskussion und Entwicklungen um nachhaltige Treibstoffe und Co.: „Aber mal ganz genau betrachtet: Es ist eine Frage, wie ich damit umgehe. Die Frage bei Nachhaltigkeit ist: Muss ich wirklich zum Shoppen eine Stunde nach Mailand fliegen und wieder zurück?“
Gipfeln in der Krisenwelt
Apropos hin und zurück. Bei seinen Reisen hat Sperber ein großes Netzwerk und viele Freunde gewonnen. Bald treffen endlich alle live aufeinander. Aber was ist eigentlich mit der Teilnahme von Russland? Wie ist es, wenn man der Jugend aus diesem Land in dieser politischen Situation gegenübersitzt? Sperber sagt: Ein „mega schwieriges Thema“. Mit den Jugendverbänden „sind wir in Deutschland nicht weisungsgebunden. Was Scholz und Baerbock sagen, muss nicht das sein, was wir sagen, wir sind frei.“ Anders als andere, betont er: Da merke man schon, dass andere Staaten eine politische Linie haben, die sie da durchsetzen. Manchmal sei es bei Themen auch schwer zusammenzuarbeiten oder unmöglich, etwa mit Saudi-Arabien, wenn es zum Beispiel um das Thema gleichgeschlechtliche Ehe geht. Aber man wolle „Dialog finden, wo es geht.“
Ey, wie ist das bei euch so?
Sperber, der in der Schwetzinger Vorstadt lebt, sagt: „Manchmal sind die Gespräche aber auch total profan und man tauscht sich auf einem niederschwelligen Level aus.“ Tenor: Wie ist das bei euch? „Ey, wir haben gehört, dass es bei euch in Deutschland kein Sonnenblumenöl mehr gibt. Und dass bei euch Benzin so teuer ist“, heißt es dann zu ihm. Dass er als „Monnemer Bu“ wie er selbst sagt, jetzt ausgewählt wurde, kam für ihn selbst überraschend. „Ich bin mega happy“, sagt er. Eine „tolle und ehrenvolle“ Aufgabe. Und eine so wichtige: „Beim G7-Gipfel wurde die Jugend gerade zweimal erwähnt…“, sagt er. Sperber motiviert junge Menschen, sich zu beteiligen: Egal wie. Es lohnt sich. Nach Corona umso mehr.
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