Denkmalschutz

Warum ein Mannheimer Künstler einen Industriekultur-Preis erhält

Rüdiger Krenkel ist ausgezeichnet worden – für sein besonderes Atelier. Wo er lebt, was er arbeitet und was es mit dem Gebäude auf sich hat.

Von 
Peter W. Ragge
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Verdienste um die Industriekultur: v. l. Hilde Seibert, Bürgermeister Ralf Eisenhauer, Oberbürgermeister Christian Specht, Rüdiger Krenkel und Barbara Ritter. © Christoph Blüthner

Mannheim.Abwasserkirche“ nennt der Volksmund das Backsteingebäude mit dem hohen, von gemauerten Türmchen bekrönten Giebel und dem auffälligen Turm, das mit dichtem Pflanzenbewuchs zuzuwuchern scheint. Aber es ist keine Kirche, sondern ein ehemaliges Klärwerk und nun Atelier von Künstler Rüdiger Krenkel. Der erhielt für den Erhalt des denkmalgeschützten Ensembles in der Diffenestraße nun den erstmals verliehenen Preis für Industriekultur vom Verein Rhein-Neckar-Industriekultur.

„Ich bin überwältigt“, freute sich der Künstler, nachdem er Plakette, Urkunde und das Preisgeld von 1000 Euro von der Vorsitzenden Barbara Ritter erhalten hatte. Er empfinde im Alten Klärwerk „maximale Inspiration, maximale Verflochtenheit mit dem Ort, mit der historischen Substanz und mit der wilden Natur,“ so der in Stuttgart geborene und seit 2007 in Mannheim arbeitende Künstler, der vor allem für seine geschwungenen Skulpturen aus Stahl bekannt ist. Viele davon sind in dem von dichten Büschen und Hecken, einem großen Baumbestand sowie dem mit Regenwasser gefüllten, von Kröten und Fröschen belebten ehemaligen Klärbecken geprägten Areal zu sehen.

„Seine Pflege belebt das Areal und seine Kunstwerke bereichern das Alte Klärwerk“, begründet der Verein die Vergabe des Preises an den Künstler. „Sein Atelier und seine Ausstellung tragen in hohem Maße dazu bei, dieses besondere Ensemble aus dem Jahr 1905 zu erhalten“, so die Begründung. Für den Verein Rhein-Neckar-Industriekultur sei das „ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von Funktion und ästhetischem Anspruch“.

Rüdiger Krenkel und Barbara Ritter (Rhein-Neckar-Industriekultur e.V.). © Christoph Blüthner

Es entstand in einer Zeit, „als Zweckbauten auch architektonische Schmuckstücke sein konnten“, so Vereinsmitglied Hilde Seibert. Der Bau des Klärwerks sei damals „ein wichtiger Schritt zu Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Stadt und für die Rheinanlieger“ gewesen. Bis 1900 leiteten nämlich Stadt und Industrie ihr Abwasser ungeklärt in Rhein und Neckar. Dann schrieb die Bezirksregierung den Bau eines Klärwerks vor. Die Abwassertechnik geht auf William H. Lindley zurück, dem führenden Abwasser-Ingenieur Europas, die außergewöhnliche Architektur mit ihren verspielten Fassaden in norddeutscher Backsteingotik auf den damaligen Stadtbaumeister Richard Perrey, von dem auch viele Schulen und die Alte Feuerwache stammen.

Künstler Krenkel macht Mannheims ehemalige Kläranlage zur Kunstkulisse

Bis 1973 leistete die Anlage ihren Dienst, ehe das große Klärwerk in Sandhofen in Betrieb ging. Dann lag das Areal lange brach, ehe 1998 der Arbeitsförderungsbetrieb Biotopia einzog und 2007 der Künstler. Auf dem 10 000 Quadratmeter großen Gelände sind die beiden Pumpenhäuser, Wasserturm, Meisterwohnhaus, sechs Klärbecken mit technischen Vorrichtungen wie Absperrschiebern und Pumpen weitgehend erhalten, wobei sich auf dem weitläufigen Gelände ein wahres Biotop entwickelte, „eine idyllische Oase inmitten des brausenden Schwerlastverkehrs auf der Friesenheimer Insel“, so Seibert.

„Dieses Bauwerk für die Nachwelt zu erhalten, ist großartig“, dankte Oberbürgermeister Christian Specht dem Künstler und auch dem Verein, dass er an diese Industriegeschichte erinnert. „Ich hoffe, dass viele Mannheimer dieses Kleinod, das mit Natur, Baukultur und Technikgeschichte verwoben ist, an diesem einzigartigen Ort noch erleben können“, so Specht. Möglich ist das am Freitag, 23. Mai, ab 20 Uhr, am Samstag von 16 bis 22 Uhr, am Sonntag von 15 bis 20 Uhr, wenn Krenkel seine neue Ausstellung eröffnet.

Redaktion Chefreporter

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