Mannheim. „Es hat einfach keinen Sinn!“ Mit wenigen Worten fasst Thomas Dörner zusammen, was den Fasnachtern seit Tagen immer klarer wird: Auch die Kampagne 2021/22 muss wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Darauf haben sich die federführenden Vereine verständigt. Ein neuer Prinz wird nicht inthronisiert, die erst im November feierlich ins Amt eingeführte neue Stadtprinzessin Daniela II. bleibt auch für die Kampagne 2022/23 im Amt.
„Wir bedauern außerordentlich diesen Schritt, stellen uns aber als Fasnachter unserer Verantwortung gegenüber unseren Gästen und Aktiven“, so Thomas Dörner, der Präsident der Karnevalskommission (KKM). Aus seiner Sicht ist diese Entscheidung „alternativlos“, wie er betont, wenn sie auch nur in einer Runde der KKM, des Feuerio sowie der Vereine gefallen ist, die abwechselnd die Stadtprinzessin stellen. Dort habe es „eine beeindruckende Einigkeit“ gegeben, dass die Saalfasnacht ausfällt und „mit sofortiger Wirkung“ keine öffentlichen Veranstaltungen mehr stattfinden. „Da ziehen alle mit“, so Dörner. Bindend sei dies aber ausdrücklich nur für die Vereine, die am Tisch sassen. „Wir sprechen keine Empfehlungen an andere aus“, sagte er. Schon Ende Oktober hatten aber zahlreiche Vorortvereine signalisiert, dass sie noch ein Jahr pausieren wollen oder aber „mit angezogener Handbremse“ planen, weil die Lage unsicher ist. Damit 2023 „wieder alle gemeinsam feiern können“, appellierte der oberste Fasnachter „nochmals ausdrücklich an alle, sich impfen zu lassen“.
Fasnachts-Regeln
- Die Karnevalskommission (KKM) ist die Dachorganisation von 23 Vereinen, gegründet 1951.
- Ihre Hauptaufgabe ist die – rein ehrenamtlich geleistete – Organisation des Fasnachtszugs in Mannheim. Zudem kümmert sie sich um die Straßenfasnacht und die Koordination über Vereinsgrenzen hinweg. Präsident ist seit 2014 der 62-jährige Speditionskaufmann Thomas Dörner.
- Das Privileg, die Stadtprinzessin zu stellen, teilen sich von den 23 Mannheimer Karnevalsgesellschaften in einem festen Turnus sechs „federführende Vereine“: die „Pilwe“, die „Sandhase“, die „Grokageli“, der „Lallehaag“ , die „Fröhlich Pfalz“ sowie die „Löwenjäger“. Einige andere Mannheimer Vereine inthronisieren jährlich oder nur zu Jubiläen eigene Vereinsprinzessinnen.
- Den Prinz stellt seit 1899 – bisher nur unterbrochen durch die beiden Weltkriege – der Feuerio. pwr
Für Stadtprinzessin Daniela II. ist das „schon enttäuschend“, wie sie sagt. „Ich bin natürlich traurig, ich habe schon so gehofft, dass es dieses Jahr klappt“, so die 35-jährige Medizinisch-Technische Assistentin. Sie sollte bereits in der vergangenen, auch schon ausgefallenen Kampagne amtieren. Dann schoben alle Vereine den festen Turnus, nach dem sie jeweils mit der Stadtprinzessin an der Reihe sind – und was ja auch oft an Vereinsjubiläen hängt. „Aber ich bin natürlich sehr dankbar, dass jetzt alle Vereine wieder bereit sind, erneut ein Jahr zu verschieben – und hoffe, dass es dann endlich etwas wird“, so Daniela Kinney. Deren Kandidatinnen hätten ja „sicher ihr Leben auch geplant“.
„Die standen in den Startlöchern, daher sind wir dankbar, dass sie erneut schieben“, so Rolf Braun, der Präsident der Neckarauer „Pilwe“, aus deren Reihen Daniela Kinney kommt. „Toll, dass die wieder so kulant sind“, so Braun über die „Löwenjäger“ und die „Fröhlich Pfalz“, die ihre jeweiligen Kandidatinnen nun ein Jahr vertrösten müssen. „Aber es bleibt uns in der Lage doch gar nichts anderes übrig, da feiert doch keiner Fasnacht“, so Braun. Zudem seien Veranstaltungen bei einer Teilnehmer-Obergrenze nicht nur nicht wirtschaftlich, „ich wüsste auch nicht, wem ich dann absagen soll und wem nicht“, so Braun.
„Fasnacht macht jetzt keinen Sinn und macht jetzt keinen Spaß“, sagt „Löwenjäger“-Vorsitzender Thomas Nauwartat. Einmal könne er nicht feiern, während ständig auf überbelegten Intensivstationen viele Menschen um das Überleben kämpfen müssten: „Wer vernünftig ist, dem ist klar: Die Gesundheit geht jetzt einfach vor!“, betont er. Zudem seien Prunksitzungen, bei denen man nicht alle Plätze verkaufen dürfe, wirtschaftlich „katastrophal“, so Nauwartat, „mal abgesehen davon, dass man nicht weiß, ob Leute kommen – man spürt ja, dass viele jetzt schon Angst haben“.
Das hat auch Feuerio-Präsident Bodo Tschierschke registriert. „Wir sehen das an der internen Weihnachtsfeier – erst großes Interesse, aber dann doch Zurückhaltung“, so Tschierschke: „Die Leute sind verunsichert, ja verängstigt“, beobachtet er. Zwar habe der Feuerio ursprünglich erst Mitte Dezember definitiv über die Kampagne entscheiden wollen, „aber in Anbetracht der ernsten Lage haben wir jetzt festgelegt, dass wir definitiv nichts machen – keinen Weißen Ball, keine Sitzung. Damit haben die Aktiven und die Gäste Planungssicherheit“, so der Präsident. Man hätte zwar einen Prinzen gehabt, „aber der muss sich noch gedulden, und das macht er auch“. Fasnacht zu feiern, so betont Tschierschke, „wäre in einer Zeit, in der Patienten zwischen Intensivstationen verlegt werden müssen, einfach nicht zu vermitteln“.
Dagegen hält Stefan Höß, Vorsitzender des Carnevals Clubs Waldhof (CCW), eine komplette Absage der Kampagne bereits jetzt für „noch zu früh“. Er habe zwar die Weihnachtsfeier storniert und verteile die Geschenke an die Aktiven, „aber unsere Planung für die Kampagne steht, wir ziehen das durch – mit 2Gplus-Regel“, so Höß. Aus seiner Sicht stünde nur der Kindermaskenball „auf der Kippe“, schließlich fänden ja auch weiterhin Kulturveranstaltungen statt. „Man kann doch nicht jetzt schon für Ende Januar/Anfang Februar wieder das gesamte Gemeinschaftsleben einstellen“, findet der Vorsitzende des CCW, der mit 600 Mitgliedern einer der größten Vereine ist, aber nicht zu dem traditionsreichen Kreis gehört, der abwechseln die Stadtprinzessin stellt. „Die Kinder müssen doch auch ein Ziel haben, um sie zu motivieren, das ganze Jahr zu trainieren“, so Höß.
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