In der ansonsten eher zurückhaltend wirkenden Stimme von Konstantinos Tzamelasvili ist ein wenig Stolz zu erahnen, als er in der Ecke des Cafés sitzt, in seiner Tasche kramt und seine Einbürgerungsurkunde herausholt. „Da steht mein Name, mein Geburtsdatum und wo ich geboren bin“, erklärt er, und zeigt dann mit seinem Zeigefinger auf den zentralen Satz auf dem Dokument. „Und hier steht, wann ich eingebürgert worden bin.“ Vielleicht ist der Stolz aber auch Erleichterung? Denn der 5. Juli ist für Tzamelasvili ein besonderer Tag - nicht der Symbolik wegen. Vielmehr hat der Tag weitreichende Konsequenzen auf die Lebensplanung des 19-Jährigen.
Geboren als ältester Sohn georgischer Einwanderer im griechischen Thessaloniki, kommt Konstantinos mit der Familie Tzamelasvili während der Wirtschaftskrise 2009 nach Deutschland. „Meine Eltern wollten mir und meinen Geschwistern eine gute Zukunft ermöglichen“, sagt er. „Ich bin sehr zufrieden hier.“
Das glaubt man ihm. Auf den Gedanken, dass der 19-Jährige die ersten acht Jahre seines Lebens nicht in Deutschland verbracht hat, kommt man nicht: Ruhig und völlig akzentfrei erzählt er von seinem Leben und seinen Freunden in Mannheim. Zunächst hat er die Kerschensteiner Schule besucht, später dann die Carl-Benz-Schule, wo er im Sommer schließlich sein Abitur gemacht hat. Tzamelasvili ist in Mannheim zu Hause. Er ist integriert, beginnt bald sein Freiwilliges Soziales Jahr.
Aber die Integration, die im Alltag problemlos klappt, hat für die Bürokratie keine Gültigkeit: Denn auf dem Papier ist Konstantinos Tzamelasvili kein Deutscher. Das weiß auch der griechische Staat, der den jungen Mann deshalb zum Wehrdienst verpflichten will.
Zwei Staatsangehörigkeiten
In den vergangenen Jahren hätten ihn noch Schulbescheinigungen vor dem Dienst in der Armee bewahrt. „Die Schule ist jetzt fertig. Ich fange bald ein FSJ an. Das gilt in Griechenland aber nicht.“ Im November beantragt Tzamelasvili deshalb die deutsche Staatsbürgerschaft - als erster in der Familie. Sein Vater habe ihn zwar gefragt, was aus der griechischen Staatsbürgerschaft werde, erzählt er. „Aber es war klar, dass er mir die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verbieten wird.“ Einen Test muss der 19-Jährige nicht schreiben. Sofern man einen Schulabschluss, einen Berufsschulabschluss, ein Studium der Verwaltungswissenschaften oder ein juristisches Studium in Deutschland abgeschlossen hat, sei das nicht nötig, informiert die Verwaltung auf Anfrage. Am Sonntag hatte die Stadt 599 Mannheimerinnen und Mannheimer im Schloss empfangen, die zwischen September 2021 und Juni 2022 eingebürgert worden sind.
Acht Monate nach seinem Antrag hält auch Tzamelasvili am 5. Juli das Dokument in der Hand, das ihn offiziell zum Deutschen machen soll und das ihn wegen seines Wohnsitzes vom Wehrdienst befreit. Die griechische Staatsbürgerschaft hat er behalten. Nun steht sein FSJ an der Kerschensteiner Schule bevor. „Ich freue mich, meine Lehrer wiederzusehen, aber kein Schüler mehr zu sein“, sagt er und lacht.
Ist Tzamelasvili nun aber mehr Deutscher oder mehr Grieche? Wirklich beantworten kann der Abiturient das nicht. Während er oft ausführlich antwortet, gibt es hierauf zunächst lediglich ein knappes „Beides“ als Antwort. Tzamelasvili kann mit der Frage wenig anfangen. Vielleicht nervt sie ihn sogar? Auch seine Familie in Griechenland frage häufiger, ob er sich mehr zur deutschen oder mehr zur griechischen Kultur hingezogen fühle, ergänzt er dann doch noch. „Ich antworte dann immer: Ich trage beides im Herzen. Das bessere Land gibt’s nicht.“
Beiden Kulturen zugehörig
Für den Deutsch-Griechen, das wird spätestens jetzt deutlich, hat die Frage der Staatsbürgerschaft, vom drohenden Wehrdienst abgesehen, keine große Bedeutung. „Eigentlich ist das ja auch nur ein Papier“, sagt er. „Ich habe in Griechenland meine Kindheit verbracht und in Deutschland meine Jugend. Da fühle ich mich natürlich beiden Kulturen zugehörig.“ Nur weil Tzamelasvili nun die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, gehöre er aber der Gesellschaft doch nicht mehr oder weniger stark an. „Ich fühle mich wie immer - nur eben mit einem anderen Papier in der Tasche.“
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