Mannheim. Die „Chocolate“ wird schwer bewacht: Wer sich dem Boot von Peter und Petra Weigold nähert, wird lautstark vom Hund des Paares angebellt. Aber viele Menschen sind es ohnehin nicht, die sich an diesem Nachmittag im Hafen des Motoryachtclubs Kurpfalz aufhalten. Und so genießen der 71-Jährige und die 63-Jährige die Sonne an Bord ihres Schiffs – und die Ruhe am Rand des Naturschutzgebiets Backofen-Riedwiesen.
Und entspannen lässt es sich gut an diesem kleinen Fleckchen tief im Mannheimer Süden. Am Großkraftwerk vorbei, zahlreiche Industrieanlagen im Rheinauer Hafen links und rechts liegen lassen, bis die Antwerpener Straße plötzlich am Rhein endet – hier findet sich das Vereinsdomizil des Mannheimer Motoryachtclubs. Obwohl es auf dem Clubschiff „Heimat“ auch ein öffentliches Restaurant gibt, kennen den Verein mitsamt seinem kleinen Hafen nur wenige. Und wer ihn nicht kennt, verirrt sich auch nicht hierher.
Über Kaufpreise sprechen die Bootsbesitzer in Mannheim nicht gern
Etwa 80 Mitglieder hat der Verein. Viele sind schon sehr lange dabei. Wie Peter Weigold. Auf dem Sonnendeck seiner „Chocolate“ lehnt er sich in seinen Stuhl zurück, und überlegt, seit wann. „Mein Vater war schon im Club“, erzählt er. Er hatte mit Booten gehandelt, und seine Leidenschaft auf den Sohn übertragen. Dann fällt es Weigold ein: Seit 1988 ist er Mitglied.
Fast ganz hinten am Steg, an einem der letzten der 150 Anlegeplätze liegt Peter Weigolds Boot. Nur ein paar Meter Luftlinie zum Rhein. Hier hinten liegen die ganz großen Modelle. Und die „Chocolate“ ist neu in Weigolds Besitz. Anfang des Jahres hat der Schwetzinger das fast 13 Meter lange Boot gekauft. Gebraucht, denn das Modell wird nicht mehr produziert. Der Nachfolger kostet neu bis zu einer Million Euro. Wie viel er bezahlt hat, verrät der 71-Jährige nicht. Aber etwas zum Namen, den das Boot schon beim Vorbesitzer hatte: „Umtaufen bringt Unglück – deswegen haben wir den Namen gelassen.“
„Stella Maris“, „Saragossa“, „Livin‘ the Dream“, „GeDe“ oder „Mila“: Fast alle Anleger am Steg sind belegt. Am Anfang sind kleinere Sportboote vertaut, auch Schlauchboote. Je weiter man läuft, desto größer werden die Schiffe. Moderne Motoryachten liegen neben historischen Bötchen wie der „Kassiopeia“. Am hinteren Ende, mit direktem Blick ins Naturschutzgebiet, funkelt die „Carlotta“ in der Sonne. Ihr Kapitän ist Dirk Sauter aus dem Vorstand des Motoryachtclubs.
Die „Carlotta“ ist 13 Meter lang, hat Küche und zwei Schlafzimmer unter Deck
13 Meter lang, 54 Kilometer pro Stunde in der Spitze, komplette Einrichtung mit Küche, Toilette, Wohnzimmer und Sonnendeck. Dazu zwei Schlafzimmer unter Deck. Man kann sich vorstellen, dass das Boot heute mehrere hunderttausend Euro kosten würde. „Es ist kein günstiges Hobby“, weiß auch Sauter. Neben der Anschaffung kommen mit Instandhaltung, Sprit und Liegegebühren im Hafen schnell mehrere tausend Euro pro Jahr obendrauf, erklärt der Geschäftsführer des Schrottunternehmens Wetzel, das ganz in der Nähe im Rheinauhafen ansässig ist. Gebrauchte Speedboote, wie sie an den vorderen Anliegern festgemacht sind, gibt es schon für wenige zehntausend Euro.
Im Gegensatz zu seinem Vereinsfreund Peter Weigold ist Sauter noch ganz frisch dabei. Für das Bootfahren begeisterte er sich vor zehn Jahren, nachdem er zum Geburtstag eine Charterboot-Fahrt über die Mecklenburgische Seenplatte geschenkt bekommen hatte. „Noch in dem Urlaub habe ich mich für den Bootsführerschein angemeldet“, erzählt der 57-Jährige lachend. Sein erstes Boot hat er sich gekauft, noch bevor er die Prüfung bestanden hatte – und so kam Sauter auch zum Motoryachtclub. Denn der Verkäufer hatte hier sein Schiff liegen. 2018 wurde der Brühler Mitglied in dem Mannheimer Verein.
Zum 30. Mal in Folge erhält der Mannheimer Sportboothafen die Blaue Flagge
Seit 2021 sitzt Dirk Sauter im Vorstand, zu dem auch Michael Hopf und Peter Haag gehören. „Wir sind einer der Vorzeigevereine, was Modernität angeht“, sagt er nicht ohne Stolz. Seit Sauter im Vorstand sitzt, seien gut 600.000 Euro in Infrastruktur investiert worden – komplett finanziert über Mitgliedsbeiträge und Liegegebühren. Und das Engagement zahlt sich aus. Denn der Motoryachtclub ist in diesem Jahr zum 30. Mal in Folge mit der Blauen Flagge ausgezeichnet worden. Das Nachhaltigkeitslabel, für das man sich bei der Gesellschaft für Umwelterziehung (FEE) bewerben muss, erhielten in diesem Jahr deutschlandweit 87 Sportboothäfen und 36 Badestellen.
Nicht mit Lob spart Tobias Wanierke. „Der Mannheimer Hafen ist sehr gut und immer vorne dabei“, sagt der Nationale Koordinator für die Blaue Flagge bei der Gesellschaft für Umweltbildung. Immerhin müssen Badestellen und Häfen, die sich bewerben, einem 17-seitigen Anforderungskatalog standhalten. Im Mai war Wanierke selbst in Mannheim, um die Blaue Flagge zu überreichen.
Dass der Mannheimer Sportboothafen das schafft, präsentiert der Verein gleich am Eingangstor. „Da sind wir unheimlich stolz drauf“, sagt Sauter. „Wir sind als Bootsfahrer ja darauf angewiesen, dass wir eine schöne Natur haben.“ Um die zu erhalten, treffe der Verein Vorkehrungen: etwa regelmäßige Verhaltensschulungen der Mitglieder, damit sie keinen Müll ins Wasser werfen oder Öl ins Wasser leiten.
Aber auch die Infrastruktur ist wichtig für die Auszeichnung. Auf dem Gelände gibt es beispielsweise eine Anlage, mit der man sogenanntes Bilgenwasser – ölhaltiges Schmutzwasser, das sich im Bug von Booten sammelt – fachgerecht entsorgen kann. Es gibt ein deutschlandweit einzigartiges Notrufsystem und Videoüberwachung an neuralgischen Stellen auf dem Gelände. Und eine Tankstelle. Dort lässt sich, erklärt Sauter, seit einem Jahr ausschließlich HVO100 tanken, ein synthetischer Biokraftstoff für Dieselmotoren.
Große Boote verbrauchen etwa 1,5 Liter – pro Kilometer
Trotzdem schlucken die Boote kräftig. Sauters Boot, mit dem er auch ähnlich einem Wohnmobil Urlaubstouren durch Europa unternimmt, verbraucht etwa 1,5 Liter – pro Kilometer. Doch Kritik, sagt er, sei deswegen noch keine an ihn herangetragen worden. Außerdem sehe man die Auswirkungen synthetischer Kraftstoffe sofort: „Es kommt kein Ruß aus mehr aus den Booten, wir müssen auch keine Ablagerungen mehr entfernen“, so Sauter. Die Mitglieder würden – auch das im Rahmen der Blauen-Flagge-Auszeichnung – immer wieder in verbrauchschonendem Fahren trainiert. Von Booten mit Elektroantrieb hält Sauter dagegen nichts: zu wenig Kraft gegen die Strömung und zu anfällig für Feuer, sagt er: „Und Feuer ist das Schlimmste, was an Bord passieren kann.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-von-schlauchboot-bis-yacht-mannheims-unbekannter-sportboothafen-_arid,2326991.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html