Mannheim. Der Krieg in der Ukraine dauert inzwischen länger als 120 Tage, und für viele Menschen sind die Ereignisse in dem osteuropäischen Land noch nicht wirklich greif- und erklärbar. Am gestrigen Mittwochabend hat daher das Forum des Religionen Mannheim zum Innehalten aufgerufen und zu einem Friedensgebet nicht nur für die Ukraine, sondern für alle Regionen der Welt, in denen kriegerische Handlungen auf der Tagesordnung stehen, auf dem Marktplatz eingeladen. Vertreter der christlichen Gemeinden, der Moscheegemeinde, der jüdischen Gemeinde und der alevitischen Gemeinde riefen dabei zu Toleranz und einem friedlichen religiösen und kulturellen Miteinander auf. Mehr als 200 Zuhörer folgten dem Aufruf der Religionsgemeinschaften.
Verantwortung tragen
„Wir Menschen tragen füreinander Verantwortung, damit alle leben können. Gerade in dieser Zeit, in der ein Diktator Brot für Politik missbraucht. Russland blockiert Lebensmittellieferungen, viele Millionen Tonnen Weizen und Sonnenblumen“, sagte Petra Heilig (Katholische Kirche).
Obwohl es uns noch gut gehe, gebe es auch in Deutschland, in Mannheim Menschen, denen das Geld für Schulbrote, Kleidung und die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben fehle: „Da braucht es eine andere Politik. Und es braucht Menschen, die von dem, was sie haben teilen großzügig und selbstverständlich.“
Auch der Kantor der jüdischen Gemeinde, Amnon Seelig, bedauerte, dass die Waffen in der Ukraine, in Syrien und im Jemen sprechen und die Menschen unter den Kriegshandlungen leiden. Viele Menschen, die zum Friedensgebet auf den Marktplatz gekommen waren, hatten die Hände zum Gebet gefaltet oder die rechte Hand ans Herz gelegt. Man konnte ihnen ansehen, wie sie die Worte innerlich bewegten.
„Deine Kinder in der Ukraine, in Syrien und in Jemen leiden unter unnötigen, grausamen Kriegen. Vertilge Blutvergießen von der Welt und lass all deine Kinder in Frieden leben“, betete der jüdische Kantor.
Talat Kamran, Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und Interreligiöser Arbeit, bat um den Frieden, „der vollkommen und ewig ist, damit unsere Seelen Frieden ausstrahlen. O Friedensstifter! Bevor du versuchst, rings in der Welt Frieden zu stiften, schaffe erst Frieden in dir selbst.“
Mehr als Schweigen der Waffen
„Wir wollen Gott um Frieden bitten. Frieden der mehr ist, als das Schweigen der Waffen. Und doch wäre das schon so viel“, sagte Ilka Sobottke (Evangelische Kirche). „Gott soll alle Völker dieser Erde vor Gefahren und Gewalttaten beschützen. Wandle Hass in Liebe und Krieg in Frieden um“, sagte Zerno Ates (Alevitische Gemeinde) in seinem Gebet.
Bei dem Gebet wurde nicht nur zum Frieden aufgerufen, sondern zu einem gemeinsamen kleinen Mahl bestehend aus Brot, Datteln und Ayran eingeladen. Als Amnon Seelig mit seiner Ukulele zum Halleluja anhob, sangen viele Zuhörer sichtlich bewegt mit und schwiegen, nachdem die letzten Töne verklungen waren. Erst die Abschiedsworte von Petra Heilig und der folgende Applaus brachen die Stille.
Meile der Religionen ersetzt
Das Friedensgebet auf dem Marktplatz ersetzt die Meile der Religionen, die für diesen Tag geplant war. Die bundesweit einzigartige Veranstaltung, die 2007 zum ersten Mal in Mannheim stattfand, soll ein Zeichen für interreligiöse Verbundenheit und ein positives Miteinander setzten.
Stadtdekan Karl Jung erklärte, dass für viele Gemeinden eine Beteiligung an einer Großveranstaltung wie der Meile der Religionen aktuell nicht möglich sei. Viele Ehrenamtliche hätten signalisiert, dass sie derzeit vollauf mit aus der Ukraine geflüchteten Menschen zu tun hätten. Das Friedensgebet solle zur „Meilen“- Zeit eine interreligiöse Begegnungsmöglichkeit zwischen Juden, Christen, Muslime und Aleviten auf dem Marktplatz schaffen.
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