Mannheim. Manuel T. (Name v. d. Red. geändert) atmet tief durch. Weil er sich am Montag vor dem Landgericht in Mannheim an einen Tag erinnern soll, an den er sich nicht erinnern möchte. Am liebsten nie mehr.
„Ich habe in den vergangenen Monaten versucht, das alles zu verdrängen“, sagt der 46-Jährige. Die Sekunden, in denen er gewürgt wurde und die Minuten, in denen er mit einem Baseballschläger verletzt wurde. Am ganzen Körper, am Kopf und im Gesicht.
Ihm fällt es schwer nachzuzeichnen, was am Morgen des 18. August 2022 passiert ist. Laut Anklage lungerten zwei Männer - Manuel T.s Nachbar Stefan L. und sein Kumpel Dawid B. - vor seinem Wohnblock im Sensburger Weg auf der Schönau herum. Sie tranken, wurden laut. „Die ganze Nacht ging das so, dieses Gossenverhalten“, sagt T.
"Wir bringen dich jetzt um"
Am Morgen habe er aus dem Fenster gebrüllt und den 31-jährigen Nachbarn und Dawid B. (26) aufgefordert, Ruhe zu geben, „in nicht so hübscher Sprache“, aber er sei entnervt gewesen, nach der Nacht. Und ohnehin, nach zwei Schlaganfällen und einer Tumorerkrankung. Als der Lärm anhielt, sei er mit einem Baseballschläger nach unten gegangen, um „Eindruck zu schinden“.
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Einer der beiden Männer soll T. von hinten gepackt haben, nachdem er das Haus verlassen hatte. Er soll ihn in den Schwitzkasten genommen und ihm die Luft abgedrückt haben. Der andere schnappte sich laut Staatsanwaltschaft den Baseballschläger und hieb damit auf den 46-Jährigen ein. Immer wieder sollen beide Männer mit dem Schläger und mit Fäusten auf Manuel T. eingeschlagen haben. Während er am Boden lag, mit Knochenbrüchen im Gesicht, Schürfwunden und Prellungen am ganzen Körper. Verängstigt. „Sie sagten: Wir bringen dich jetzt um“, erinnert sich Manuel T, „Und ich dachte, ich bin gleich tot.“
3,46 Promille
Die Staatsanwaltschaft wird Stefan L. und Dawid B. versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Nach der Auswertung ihrer Blutwerte geht sie allerdings von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Denn: Die Blutalkoholkonzentration lag bei Dawid B. bei 2,09 Promille, bei Stefan L. bei 3,46 Promille, so Staatsanwältin Katharina Kliehm.
Ab einem Wert von 3 Promille tritt Suchtexperten zufolge eine starke Sedierung ein, Bewusstlosigkeit bis hin zu Koma. Ab 3,5 Promille bestehe die Gefahr einer Lähmung des Atemzentrums und somit Lebensgefahr, heißt es in einer Übersicht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
„Die waren auf Alkohol und Drogen“, sagt Manuel T., „wenn man die ganze Nacht getrunken hat, ist man am nächsten Morgen nicht so drauf“. Auch ein Nachbar, der das Geschehen beobachtet hat, sagt: „Die hatten etwas genommen, das habe ich an den Augen gesehen, an der Art, wie sie sich verhalten haben.“ Beide Männer seien „hochaggressiv“ gewesen und auch auf ihn losgegangen, als er die Situation schlichten wollte, berichtet der Nachbar, der über einen Zaun flüchtete, um Hilfe zu holen. „Die waren wie Bud Spencer und Terence Hill.“
Kaum Äußerungen zu den Vorwürfen
Als einer der beiden Männer zum finalen Schlag ausholte, sei er mit einem anderen Anwohner zurückgekommen, erinnert sich der Zeuge. Sein Begleiter sei ein „Alt-Schönauer“, der wisse, „wie man mit solchen Leuten umgeht“. Er sei dazwischen gegangen und habe sich schützend vor Manuel T. gestellt. Wer genau zu diesem Zeitpunkt den Baseballschläger in der Hand hielt, weiß der Zeuge heute nicht mehr.
Die beiden Angeklagten äußern sich kaum zu den Vorwürfen. Stattdessen berichtet B. von zerrütteten Familienverhältnissen, vom Vater, der Alkoholiker gewesen sei und der Mutter, die immer wieder Zuflucht in Frauenhäusern gesucht habe. Von Drogen. Cannabis, Alkohol, Amphetaminen, Kokain und von falschen Freunden.
Begegnung am Folgetag
Stefan L.s Bericht klingt ähnlich. Er spricht über Höhen und Tiefen seines Leben, eine ADHS-Erkrankung, Joints und den obligatorischen Rotwein am Abend zum Einschlafen. Darüber, wie aus ein, zwei Gläsern ein, zwei Flaschen wurden. Und über andere Drogen: Pilze, Ecstasy, LSD. Abgebrochene Ausbildungen, persönliche Tragödien.
„Was am 18. August passiert ist, weiß ich nicht genau, ich war sehr betrunken“, sagt Stefan L. dann. Für das, was er getan habe, wolle er sich aber entschuldigen. Auch B. entschuldigt sich vor Gericht, während Manuel T. den Saal verlässt, abwinkt, von einer Entschuldigung nichts wissen will. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an den 18. August. Und den Tag danach, als L. und B. ihm auf der Straße begegnet sein sollen - „grinsend“.
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