Kriminalität

Veranstaltung in Mannheim beleuchtet die Schattenseiten der Mafia

Mafiosi leben mitten unser uns – auch in Mannheim. Das Problem: Die italienischen Clans operieren im Verdeckten und waschen ihr Geld unbeobachtet von den Ermittlungsbehörden. Eine Gefahr für die Gesellschaft

Von 
Stefanie Ball
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Das verbrannte Auto des Mafia-Opfers Giuseppe S. Das Bild der Fotografin Gudrun Keese war am 5. Februar 1993 im „Mannheimer Morgen“ zu sehen. © Privat

Mannheim. 170 Mitglieder der Mafia sind den baden-württembergischen Behörden bekannt, mit Namen und Wohnorten. Als Hotspots, Schwerpunkte, gelten Städte wie Mannheim, Pforzheim, Stuttgart, aber auch der Bodenseeraum. „Die haben wir im Blick“, sagt Andreas Stenger, Präsident des Landeskriminalamtes (LKA) bei einer Veranstaltung am Mittwochabend in der Lanzkapelle auf dem Lindenhof.

Die beiden grünen Landtagsabgeordneten Elke Zimmer und Susanne Aschhoff hatten dazu eingeladen, und der Titel „Schatten der Mafia – Italienische Organisierte Kriminalität in Mannheim“ sorgte für so viel Interesse, dass die Bestuhlung nicht ausreichte, viele Zuhörerinnen und Zuhörer mussten stehen, als Stenger und der Journalist und Autor des Buches „Germafia“, Sandro Mattioli, über die Machenschaften der kriminellen Organisation berichteten. Wobei es die italienische Mafia so nicht gibt; der bekannteste Zweig ist die Cosa Nostra aus Sizilien, daneben existieren mindestens drei weitere Organisationen, die aus dem Süden Italiens operieren: die ’Ndrangheta (Kalabrien), die Camorra (Kampanien) und die Sacra Corona Unita (Apulien).

Experten warnen vor der unterschätzten Gefahr der Mafia

Dass das Thema plötzlich präsent ist, hängt mit dem aktuellen SWR-Podcast Mafia Land zusammen, der die Geschichte der Mafia in Baden-Württemberg nachzeichnet. Die teils spektakulären Fälle, die der Podcast behandelt, liegen allerdings 20 bis 30 Jahre zurück, wie Stenger sagt. Ihm liegt daran zu betonen, dass die Regionalpräsidien der Polizei in Baden-Württemberg sowie das Landeskriminalamt die IOK, wie die Italienische Organisierte Kriminalität abgekürzt heißt, auf dem Schirm haben; dass es Spezialisten vor Ort gibt, die Fälle recherchieren; das grenzüberschreitend illegale Geschäfte bekämpft werden. „Die Mafia ist in Deutschland, und sie ist innerhalb der Polizei ein strategischer Handlungspunkt“, so der LKA-Präsident.

Diskussion über die Gefährlichkeit der Mafia in der Lanzkapelle: LKA-Präsident Stenger (v.l.), die Politikerinnen Zimmer und Aschhoff sowie Autor Mattioli. © Michael Ruffler

Dass das nicht immer so war, zu diesem Ergebnis kommt Mattioli. Er sieht eine ausgeprägte Unlust bei Politik und Ermittlungsbehörden, Machenschaften der Mafia aufzudecken. Der inzwischen schon legendäre Stuttgarter Pizzabäcker Mario L., zu dessen Stammgästen der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, Günther Oettinger, gehörte, sei schon früh ins Visier der Ermittler geraten. Erste Aussagen, dass Mario L. Statthalter der ’Ndrangheta sei, stammten von 1991. Verhaftet wird der Mafiosi aber erst 2018 und das in Italien. „Das zeigt: Es ist schwierig, gegen die Mafia vorzugehen, und es ist fraglich, ob der politische Wille dazu überhaupt vorhanden ist“, so Mattioli. Speziell in Deutschland werde die Mafia romantisiert, wenn eine Pizza Cosa Nostra auf der Speisekarte stehe, störe das niemanden. „Hauptsache, die Pizza schmeckt“, sieht Mattioli einen seiner Meinung nach zuweilen sorglosen Umgang mit Banden, die großen wirtschaftlichen Schaden anrichteten und Menschen viel Leid zufügten.

 Jährlich werden rund 100 Milliarden Euro durch kriminelle Aktivitäten gewaschen

Das unterstreicht auch Stenger. „Wir müssen uns vom Klischee der Mafia, wie sie der Film ,Der Pate‘ geprägt hat, lösen.“ Mafiosi seien eben keine Ehrenmänner, sondern Kriminelle, die Gelder erpressten, Rauschgifthandel und Waffenhandel betrieben, Autos stehlen, Steuern hinterzögen, Frauen in die Prostitution zwängen. Das so verdiente Geld, viele, viele Milliarden, würden dann gewaschen. Sprich: Sie werden durch Firmen oder Bankkonten geschleust, bis der Ursprung nicht mehr erkennbar ist, oder sie werden investiert. Zum Beispiel in deutsche Immobilien und Bauprojekte. Die Organisation Transparency International schätzt, dass allein in Deutschland rund 100 Milliarden Euro jährlich gewaschen werden.

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Ein Problem für Wirtschaft und Gesellschaft, denn illegale Finanzströme verzerren unter anderem den Wettbewerb. Ausschreibungen können so mit Dumpingangeboten gewonnen werden, Häuserpreise steigen. „Die Mafia agiert wirtschaftlich, da wird nicht dauernd jemand umgebracht“, sagt Mattioli. Auch Stenger sieht subtilere Methoden am Werke, die für Ermittler schwierig zu fassen seien. Auch die Menschen hinter den mafiösen Strukturen hätten sich geändert. „Die heißen dann vielleicht nicht mehr Luigi, sondern Bernd und haben einen akademischen Abschluss“, sagt der LKA-Präsident. Anders als andere Clans werde bei der Mafia auch nicht mit Geld geprotzt. „Es ist geradezu läppisch, unter welchen Bedingungen die Mafiosi leben“, sagt Stenger.

Task Force zur Geldwäsche nun auch im Südwesten

Um Bernd oder Luigi dennoch das Handwerk zu legen, verfolgen die Ermittlungsbehörden den Ansatz „Follow the money“, folge dem Geld. Denn wenn nachgewiesen werden kann, dass es sich um inkriminiertes Vermögen handelt, also Geld, das durch eine Straftat erlangt wurde, haben Polizei und Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, zu ermitteln. Immerhin, Baden-Württemberg verfügt nun wie bereits Nordrhein-Westfalen über eine Task Force, eine ressortübergreifende Ermittlungseinheit, um Geldwäschern schneller auf die Spur kommen.

Mattioli sieht aber auch die Gesellschaft insgesamt in der Pflicht. Notare müssten Verdachtsmeldungen machen, wenn sie Anhaltspunkte haben, dass das Geld aus einer kriminellen Handlung stammt; Bürgermeister skeptisch werden, wenn große Geldsummen für Investitionen angeboten werden; Sportvereine hinterfragen, woher hohe Beträge in bar stammen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. „In vielen Teilen der Gesellschaft gibt es noch keine ausreichende Sensibilisierung“, so Mattioli, der viele Vorträge zu dem Thema hält und den Verein „Mafia Nein Danke“ gegründet hat. „Man muss nach der Mafia suchen, sonst findet man sie nicht.“

Freie Autorin

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