Mannheim. Im Mühlauhafen wird am Freitag, 25. Oktober, rund um die Werfthallenstraße viel abgesperrt. Denn was dort passiert, ist „ein absolutes Novum für ganz Deutschland“, sagt Ralph Rudolph von der Mannheimer Berufsfeuerwehr, und er zählt zum Vorbereitungsteam. Ende der Woche läuft im Hafen nämlich ein Teil von „Magnitude“. Als erstes deutsches Bundesland richtet Baden-Württemberg damit eine Katastrophenschutz-Großübung der Europäischen Union aus, und einer der vier Schauplätze ist Mannheim.
Erste EU-Großübung in Deutschland: Feuerwehrleute aus mehreren Ländern im Einsatz
Geübt wird in, an und um die Mobile Übungsanlage Binnengewässer (MÜB). Dabei handelt es sich um eine mit EU-Geldern 2014 angeschaffte schwimmende Spezialeinrichtung, die von Deutschland, Frankreich und der Schweiz betrieben wird. Hier trainieren Feuerwehrleute Taktik und Technik zur Gefahrenabwehr auf Wasserstraßen, etwa Schiffshavarien, Gefahrstoffaustritt oder Brände. Das 100 Meter lange frühere Tankschiff enthält eine gasbetriebene Brandsimulationsanlage, eine Atemschutz-Übungsstrecke, einen Schüttgutfrachtraum, in dem etwa jemand zu suchen ist, oder Seecontainer, die verrutschen.
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Rudi Götz, ein inzwischen pensionierter Mannheimer Feuerwehrmann, war einer der Motoren des Projekts und einer der vier Deutschen in der 20-köpfigen internationalen Kommission, die es entwickelt hat. Und außer in Straßburg und in Mulhousse legt das Übungsschiff regelmäßig in Mannheim an.
Aber es ist nur einer der beiden Gründe, warum Mannheim zum Schauplatz der Übung wird. Die Hauptfeuerwache ist einer der bundesweit nur acht Standorte der „Analytischen Task Force“ (ATF). Egal, ob irgendwelche unklaren Substanzen auftauchen oder es plötzlich komisch riecht – stets werden die mit besonders leistungsfähiger Mess- und Labortechnik ausgerüsteten ATF-Experten gerufen und analysieren radioaktive, biologische oder chemische Stoffe. Die Mannheimer ATF besteht aus besonders geschulten Beamten der Berufsfeuerwehr und Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau. Ihr Leiter ist Chemiker Ralph Rudolph.
Feldlager der ATF in Neckarau: Vorbereitung auf gemeinsame Übungen
Ob Papst-Besuch, NATO-Gipfel oder Fußball-EM – schon oft war die Mannheimer ATF bei Großereignissen im Einsatz. In Mannheim wird sie bei Gefahrgutunfällen oder stets dann alarmiert, wenn nach einem Brand Rauchwolken über der Stadt stehen und zu prüfen ist, wie gefährlich dieser Qualm ist. Auch bei internationalen Übungen war die ATF schon oft einbezogen. „Bislang haben wir immer nur in anderen Ländern an so etwas teilgenommen“, so Rudolph, „jetzt ist es umgekehrt und wir dürfen sie mit ausrichten“, erklärt er. Das sei „natürlich schon toll, weil es dem Erfahrungsaustausch dient und wir uns gegenseitig besser kennenlernen, was wiederum im Ernstfall wichtig ist“, so Rudolph.
In der Unterkunft der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau wird daher eine Art Feldlager aufgebaut, wo die ATF-Kollegen anderer Standorte und vergleichbarer Einheiten aus Nachbarländern unterkommen. An der Übung selbst nehmen nur wenige Mannheimer teil. Rudolf und ein weiterer Kollege als Organisatoren sowie drei Angehörige der Berufsfeuerwehr und vier Ehrenamtliche der Abteilung Neckarau mit Fahrzeugen der ATF.
Rund 220 Einsatzkräfte aus verschiedenen EU-Ländern trainieren gemeinsam für den Ernstfall
Insgesamt werden in Mannheim etwa 220 Personen mit rund 35 Fahrzeugen üben. Darunter sind ein CBRN-Team (Abwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Gefahren) aus Griechenland mit etwa 30 Einsatzkräften, CBRN-Spezialisten der Feuerwehr Wien, Einheiten des Katastrophenschutzes des Landkreises Karlsruhe zur Dekontamination (also Entgiftung verseuchter Personen) sowie Mitglieder der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft, der Johanniter, der Malteser, des Deutsche Roten Kreuzes und des Arbeiter-Samariter-Bundes.
Das Szenario, das sie abzuarbeiten haben, ist ein komplexes Schiffsunglück mit Gefahrstoffaustritt. Eingebettet ist das alles in ein angenommenes großes Erdbeben mit Schäden an Gebäuden, Infrastruktur und Versorgungsleitungen – daher der Name „Magnitude“, denn es handelt sich dabei um ein Maß für die Stärke von Erdbeben. Insgesamt dauert die 1,36 Millionen Euro teure, maßgeblich von der EU mitfinanzierte Großübung 36 Stunden, von Donnerstag bis Samstag, mit 550 Beteiligten aus Baden-Württemberg und 230 von anderen EU-Staaten. Außer in Mannheim wird in Mosbach, Bruchsal und Schwarzach geübt.
Beim Training Center Retten und Helfen (TCRH) in Mosbach auf einem ehemaligen Kasernengelände mit einer für Übungszwecke installierten „Trümmerstrecke“ simulieren die Einsatzkräfte Rettung und Versorgung verletzter Personen. Bei der Johannes Diakonie Schwarzach geht es darum, die Evakuierung eines Wohngebäudes für Menschen mit höherem Hilfebedarf zu erproben. 32 Bewohner der Behinderteneinrichtung haben sich bereit erklärt, dabei mitzuwirken. In Bruchsal geht es darum, auf dem Areal der Landesfeuerwehrschule sowie dem Übungsplatz des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr den Umgang mit gefährlichen Stoffen sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Einheiten zu erproben.
„Katastrophen machen ja nicht an der Staatsgrenze halt. Krisen kennen keine Grenzen“, begründet Innenminister Thomas Strobl, warum Baden-Württemberg erstes Land in der Bundesrepublik Deutschland eine EU-Großübung ausrichtet.
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