Mannheim. „Der Feind des Bibliothekars ist nicht Feuer, sondern Wasser“, sagt die Leiterin der Universitätsbibliothek, Sabine Gehrlein, während auch am Dienstagnachmittag noch viele Männer und Frauen um sie herum Tausende Bücher hin- und herrollen und in provisorische Regale einräumen.
Der erste Schock ist überwunden. Kein Wunder - die Zeit drängt: Etwa 70 000 Bücher müssen umgeräumt werden, nachdem am Montagmorgen wahrscheinlich die Sprinkleranlage ausgelöst und nicht nur in drei Stockwerken der Bibliothek einen noch kaum absehbaren Wasserschaden verursacht hat.
Auch Rittersaal des Mannheimer Schlosses vom Wasserschaden betroffen
Direkt unter der Bibliothek liegt der Rittersaal des Schlosses. „Wir hoffen, dass die Schäden oberflächlich sind. Das wird sich aber erst in den nächsten Tagen herausstellen“, erklärt der Leiter des zuständigen Amts Vermögen und Bau, Marco Grübbel.
Am Dienstag hat bereits ein Restaurator vom Boden aus das Fresko an der Decke des Saals erstbegutachtet. Zu welchen Ergebnissen der Experte gekommen sei, dazu kann Grübbel am Nachmittag noch nichts sagen. Mithilfe eines Raumgerüsts, das nun aufgestellt wird, soll in den nächsten Tagen eine genauere Untersuchung des Gemäldes möglich werden.
Ebenfalls noch unklar ist, ob und welche Schäden das Parkett erlitten hat. Am Dienstag wird der Boden weiterhin mit Luftentfeuchtern getrocknet. „Wir können noch nicht absehen, wie lange der Saal geschlossen bleiben muss“, sagt Grübbel. Die Staatlichen Schlösser und Gärten teilen unterdessen mit, dass die Eintrittspreise für Erwachsene auf acht Euro gesenkt werden.
Blaue Schläuche saugen das Wasser aus der Bibliothek in Mannheim
Im ersten Stock der Bibliothek erinnert indes nichts mehr daran, dass sich hier bis vor ein paar Stunden noch viele Studentinnen und Studenten auf ihre Prüfungen vorbereitet haben. Das Zimmer ist fast vollständig geräumt. Man kann am Dienstag nur ahnen, mit welcher Geschwindigkeit die Angestellten der Bibliothek am Tag zuvor Bücher weggeräumt und Regale abgebaut haben, um sie vor der Feuchtigkeit zu schützen.
Blaue Schläuche saugen nun das Wasser aus dem Boden, der gleichzeitig die Decke des Rittersaals ist. Sechs Luftentfeuchter sind über das Zimmer verteilt - die zum Teil immer noch beschlagenen Fensterscheiben zeugen ebenfalls von dem mutmaßlichen Unfall vom Montagmorgen. Warum die Sprinkler Unmengen von Wasser gespritzt haben, ist noch unklar. Über die Gründe wollen weder Gehrlein noch Grübbel spekulieren. „Die genaue Ursache ist für uns im Moment ein Rätsel“, sagt Letzterer.
Das Wasser stand im Mannheimer Schloss teilweise knöchelhoch
Kleinere Wasserschäden habe es aus verschiedenen Gründen auch in der Vergangenheit immer mal gegeben, sagt Gehrlein. „Aber noch nie in diesem Ausmaß.“ Teilweise knöcheltief seien sie am Montagmorgen in den Räumen der Bibliothek im Wasser gestanden.
2000 der 70 000 Bücher sind dabei so nass geworden, dass sie nach Olpe gefahren wurden, wo sie von einer Spezialfirma gefriergetrocknet werden. Das sei die beste Möglichkeit, überhaupt noch eine Chance zu haben, sie zu erhalten, erklärt Viktor Boecking, Leiter der Bibliothekskommunikation. „Wenn die Bücher nach 48 Stunden nicht trocken sind, kann man sie wegwerfen.“
Die restlichen 68 000 Bücher werden danach angeschaut, ob sie noch trocknen müssten oder ob sie über Schutzvorrichtungen an Regalen vom Wasser verschont geblieben sind. Der Teppich, auf dem in den oberen Stockwerken die zum Teil bereits leeren Regale stehen, ist noch immer nass. In den nächsten Stunden werden auch diese Flure leergeräumt und die Regale abgebaut.
Wenn die Bücher nach 48 Stunden nicht trocken sind, kann man sie wegwerfen.
Weil die in Schienen und Wänden verankert sind, ist auch das ein organisatorischer Aufwand. Das finanzielle Ausmaß ist auch in der Bibliothek noch nicht absehbar. „Der Schaden am Gebäude ist höher als der an den Büchern“, sagt Gehrlein aber und erklärt auf Nachfrage, die Sprinkleranlage werde regelmäßig gewartet.
Wann der Mittelbau der Bibliothek wieder öffnet, ist unklar
Auch noch unklar ist, wie lange der Mittelbau der Bibliothek nun geschlossen bleiben muss. Vor allem Literatur für Geschichte und Jura war hier zu finden. „Besonders für Jura-Studierende ist der Zeitpunkt deshalb extrem ungünstig, weil das Staatsexamen kurz bevorsteht“, erklärt der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses, Marco Haupt, dieser Redaktion. Der Studierendenvertreter bezeichnet die transparente Kommunikation von Bibliothek und Universität als positiv. Man sei schnell und unkompliziert in einen Dialog gekommen.
Die Zeit aber drängt weiterhin. Der Teil der Bibliothek ist beliebt und wird von Studentinnen und Studenten entsprechend stark frequentiert. Gehrlein und Boecking bezeichnen ihn gar als „Schmuckstück“. Meist dauere es nur wenige Minuten, bis alle Plätze belegt sind.
Weil die Studentinnen und Studenten nun aber eben auf andere Teile der Bibliothek ausweichen müssen, würden die absehbar an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, fürchtet Haupt. Spätestens dann, wenn die Prüfungsphase auch für alle anderen Studiengänge beginnt, könnte das zu einem Problem werden. „Wir hoffen, dass sich das schnell klären lässt.“ Auch der Studierendenvertreter will über die genauen Ursachen nicht spekulieren. „Wir haben aber keinen Grund zur Annahme, dass man sich nicht oft genug um die Anlage gekümmert hat“, sagt Haupt.
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