Verkehr

„Umleitungschampion 2025“! Wie eine Mannheimerin das Baustellenchaos mit Humor nimmt

Jeden Tag findet sie neue Umleitungen. Josefin Hoyer verbringt viel Zeit im Mannheimer Stau. Doch die zweifache Mutter hat Tricks, wie sie die Nerven behält.

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Tim Feldmann
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Josefin Hoyer muss mehrmals täglich durch die Baustelle auf der Waldstraße in Käfertal. © Tim Feldmann

Mannheim. Wer von Franklin in die Gartenstadt will, kommt nicht weit. An der Kreuzung Wald-/Wasserwerkstraße versperren vergitterte Bauzäune den Weg. Weitläufig grenzen sie die Straße ein – und Fußgänger, Rad- und Autofahrer aus. Der Grund: Straßenumbau. Die Kreuzung soll den Weg in den neuen Stadtteil Franklin eröffnen. Die Stadt baut den Mannheimerinnen und Mannheimer hier einen zweispurigen Radweg, gesäumt von neu gepflanzten Bäumen. Zu Fuß umgeht man die Baustelle eine Straße weiter. Für Autofahrer bedeuteten die Umbauarbeiten: Umleitung, Spursperrung, Stau.

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Thorsten Langscheid
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Auf der anderen Seite der Baustelle, in der Gartenstadt, wohnt Josefin Hoyer. Ihr geht es wie vielen Mannheimerinnen und Mannheimern. Die berufstätige Mutter von Zwillingen verbringt täglich ihre knappe Zeit in Baustellenstaus. Ihre Bewältigungsstrategie ist Humor; etwa, wenn die 39-Jährige sich als „Mannheimer Umleitungschampion 2025“ bezeichnet.

Hoyer betreut ambulant Jugendliche mit seelischer Behinderung und schult Integrationshilfen. Sie muss vielfach am Tag ins Auto steigen, um zu ihren Klienten und Mitarbeitern zu fahren – oder ihre beiden 14-jährigen Zwillinge zur Schule nach Neuostheim. Für ihre Söhne bedeute den Bus zu nehmen, eine Stunde früher aufstehen, erklärt die Mutter.

Als sie an diesem Montagmorgen aus dem Haus zum Auto geht, bellen Hoyer ihre Hunde über die eigene Baustelle hinterher. Die Hoyers bauen ihren Garten um. Die Zwillinge trotten voraus. Hoyer hat ihren dicken Wollschal bis unters Kinn gebunden. Sie weiß, jeden Morgen warten drei weitere Baustellen auf sie: erst Straßenumbau auf der Waldstraße, dann Gleiserneuerung am Aubuckel und zuletzt eine gesperrte Abbiegespur in die Hans-Thoma-Straße in Neuostheim. Dazwischen immer wieder kleinere Bauarbeiten. Ihr Ziel: die Schule ihrer Kinder. Ihr Weg: quer durch Mannheim – und seine Baustellen.

Mit der Baustelle Wald-/Wasserwerkstraße wird der neue Stadtteil Franklin von der Gartenstadt aus erschlossen. © Tim Feldmann

Über den Mannheimer Himmel zieht sich an diesem Tag eine Wolkendecke. Im Auto spielt der Song „Solang die Sonne scheint“ von Mono & Nikitaman. Während die Drei in den morgendlichen Stop-And-Gos des Baustellenstaus stecken, machen sie sich ein Spiel daraus, wie ihre Route heute verlaufen wird. Denn die ändert sich fast jeden Tag. „Jede Umleitung führt letztlich wieder in die nächste Baustelle“, sagt Hoyer. Auf halber Strecke zur Schule wettet die Mutter mit ihren Söhnen, ob die nächste Abbiegung heute durch Warnbaken versperrt ist. Die Drei haben Glück und freie Fahrt. Die Zwillinge besonders, denn die haben auch noch die Wette gewonnen: „Also muss ich Kuchen backen“, sagt Hoyer. Die Zwillinge wollten eigentlich auf Schulfrei setzen.

Baustellen kosten sie fast die doppelte Zeit - aber Hoyer hat eine Lösung

Diesen Morgen um Viertel vor acht fließt der Verkehr erstaunlich gut. Das wird 50 Meter hinter dem Auto der Hoyers klar. Hier entdeckt einer der beiden Jungs den Schulbus. Der wartet 50 Meter hinter ihrem Auto im Stau der Baustellenampel.

Laut Navi benötigt Josefin Hoyer – oder der Bus – für den Schulweg der Kinder 15 Minuten. Jetzt ist sie schon 25 Minuten unterwegs als sie die Abfahrt zur Schule nimmt. „Hier biegen wir eigentlich rechts ab und wären gleich an der Schule. Eigentlich.“ Die Abbiegespur auf die Hans-Thoma-Straße ist von rot-weiß gestreiften Baken zugestellt. Nächste Ausfahrt also.

Vor der Schule selbst befindet sich keine Baustelle. Trotzdem, erzählt Hoyer, stauten sich hier oft die Autos der Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen. Am Schuleingang fährt sie heute vorbei: „Jungs, ich lasse euch auf dem Parkplatz raus, sonst werde ich wieder angehupt.“ Wenn die Zwillinge aus dem Auto sind, muss Hoyer sich allein die Zeit vertreiben. Sie wische dann gelegentlich Staub auf dem blitzblanken Armaturenbrett. Natürlich nur, wenn sie mal wieder stehe.

Auch dieses Mal manövriert Josefin Hoyer durch eine veränderte Baustellenführung an der Kreuzung Wald-/Wasserwerkstraße. © Tim Feldmann

Die 39-Jährige verliert durch die Staus nicht nur Nerven, sondern vor allem Zeit. Das Herumstehen stresse sie, weil es in ihre Arbeitszeit falle. Und was sie über den Tag verliert, muss Hoyer abends nacharbeiten. Der Abend ist für sie eigentlich Familienzeit. Eigentlich. „Aber ich stehe nun mal hier und kann daran nichts ändern.“ Sich aufzuregen, bringe nichts.

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Josefin Hoyer
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Ein wartendes Auto, das links vorbei will, hupt von hinten. „Ich muss bei mir bleiben.“ Wenn ihr aber andere die Nerven raubten, dann werde sie auch mal wütend, sagt Hoyer. „Und wenn ich wütend bin, verarbeite ich das mit Humor.“ Dann schreibt sie Mails an die Zeitung oder ans Baudezernat, in denen sie um „Baustellen-Dauerkarten“ bittet: „Zehn Umleitung = einen Kaffee“. Oder vergleicht den Mannheimer Verkehr mit einem "Escape Room XXL". Bisher habe es ihr gereicht die Mails nur zu schreiben, bis die Wut verfliegt. Diesmal hat Hoyer sie auch abgeschickt.

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