Sport

Trainerin von TSV Neckarau: „Beim Frauenfußball ist in Mannheim Luft nach oben“

Die EM hat einen Hype um Frauenfußball entfacht. Kann der Sport davon langfristig profitieren? Spielerinnen, Trainerinnen und Funktionäre aus Mannheim äußern sich zurückhaltend - und nennen dafür Gründe

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Sebastian Koch
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Begeisternd: Spielführerin Alexandra Popp (r.) bejubelt ihren Treffer zum 2:0 gegen Österreich mit Mitspielerin Jule Brand. © dpa

Mannheim. Lucy Junger hat zwei Vorbilder: Robert Lewandowski und Jule Brand. Klar, beim ehemaligen Bayern-Star liegt das auf der Hand: Zweifacher Weltfußballer, Triple-Sieger, x-facher Torschützenkönig. Und Brand? „Sie spielt gut und versteht sich mit den Mitspielerinnen auf und neben dem Platz“, erklärt die C-Jugendspielerin von Polizei Mannheim.

Brand, in Germersheim geboren, stand bei der Europameisterschaft in allen Spielen auf dem Platz - auch im unglücklich verlorenen Endspiel gegen England. Das hat Lucy Junger gesehen, wenngleich der Großteil des Turniers an ihr eher vorbeigegangen sei. „Ich spiele lieber Fußball und schaue es nicht so gerne“, sagt sie. Maximilian Hiemenz, Trainer der Polizei-Damen und der B-Juniorinnen, betont aber: „Man hat während der EM gehört, dass manche Spielerinnen viel über die Spiele gesprochen haben.“

TSV Neckarau gegen VfB Stuttgart

Auch Lena Trentl hat das Turnier verfolgt. Als Trainerin steht sie bei den Damen von TSV Neckarau in der viertklassigen Oberliga an der Seitenlinie. „Wenn Deutschland gespielt hat, habe ich mitgefiebert - die anderen Spiele habe ich als Trainerin angeschaut“, sagt sie. „Wir haben gesehen, dass das Spiel schneller und athletischer geworden ist.“ Das sei keine Überraschung, wenn man die Bundesliga verfolge. „Jetzt ist das auch der Masse bewusst geworden.“

Atmosphäre, viele Fans im Stadion, Einschaltquoten, Berichterstattung: Die EM hat Maßstäbe gesetzt. Manche sprechen von einer Euphorie, andere gar von einem Hype, der den Frauenfußball ereilt hat und ihm einen Schub geben soll. Die Mannheimer Protagonistinnen sind da eher zurückhaltend. „Die Männer sind immer noch stark im Vordergrund“, sagt Tanja Junger, Mutter von Lucy und Trainerin der C-Juniorinnen von Polizei Mannheim. „Es war vielleicht ein kleiner Hype, mit dem man Sommerfußballmomente abdecken konnte“, bilanziert Trentl. „Ob das nachhaltige Auswirkungen hat, bleibt abzuwarten - und liegt daran, was wir daraus machen.“

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Dass der Frauenfußball einen Schub benötigt, davon ist Michael Mattern überzeugt. Der stellvertretende Vorsitzende des Fußballkreises ist Abteilungsleiter für Frauen- und Mädchenfußball beim TSV Neckarau. „Das Grundproblem ist: Der Frauenfußball wird immer nur von ganz wenigen begleitet.“ Auch fehle auf lokaler Ebene oft die Berichterstattung, um den Frauenfußball attraktiver zu gestalten, stimmt er mit Trentl, Hiemenz und Junger überein.

Man dürfe Frauenfußball aber nicht mit Männerfußball vergleichen. „Das ist ein anderes Spiel, das man erst verstehen muss.“ Ein Spiel, das strukturell auch in Mannheim Probleme hat. „Es gibt im Kreis seit Jahren nur eine Hand voll Vereine, die Mädchen- oder Frauenmannschaften melden - neue kommen kaum dazu“, sagt Mattern. Dafür benötige es meist Ehrenamtliche, die Strukturen aufbauen. „Wir werden keinen nachhaltigen Erfolg erleben, wenn es diese Menschen nicht gibt.“

Schiebt der Funktionär damit nicht Verantwortung ab, der eigentlich der Kreis nachkommen müsste? „Wir sprechen Vereine an und bieten ihnen jede Hilfe an, die gebraucht wird, um Mädchenfußball aufzubauen“, verspricht Mattern. Es bringe nichts, Mädchen zu begeistern, wenn es keine Vereine gebe, die sie aufnehmen. „Wir brauchen die Vereine, und die brauchen Ehrenamtliche, die sich dafür engagieren.“

Trentl ist einst aus Karlsruhe nach Neckarau gewechselt. „In Karlsruhe engagieren sich mehr Vereine, obwohl Mannheim und Karlsruhe etwa gleich groß sind“, sagt sie. „Im direkten Vergleich hat Mannheim da Luft nach oben.“ So bekomme auch Neckarau Anfragen von Mädchen, denen der Verein dann manchmal aber keine Jugend bieten könne. „Jeder Junge, der Fußball spielen will, findet im Umkreis von fünf Kilometern einen Verein“, sagt Trentl. „Bei Mädchen ist es so, dass sie oft weiter fahren müssen.“ Das bestätigt auch Tanja Junger. „Zu uns kommen Mädchen aus ganz Mannheim, nicht nur aus der Umgebung.“

In der Oberliga trifft Trentl mit Neckarau in dieser Saison auf den VfB Stuttgart. „Wenn große Vereine Frauenfußball anbieten, ist die Strahlkraft auch auf Mädchen viel größer“, sagt sie. Wenn man nachhaltig etwas bewirken wolle, brauche man diese Vereine. „Vielleicht ist das auch für den Waldhof ein Thema“, hofft Trentl.

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Fehlende Infrastruktur

Der SV Waldhof bietet aktuell keine Mannschaft an. Vor zwei Jahren habe der Verein seine beiden Mädchenteams „schweren Herzens“ auflösen müssen, erklärt Vizepräsident Horst Seyfferle - die Infrastruktur am Alsenweg habe nicht ausgereicht. Beispielsweise hätten Umkleiden gefehlt, wenn gleichzeitig Männermannschaften trainiert haben. „Wir konnten Frauen und Mädchen nicht gerecht werden und haben deshalb die Mannschaften aufgelöst.“ Verantwortliche machten sich Gedanken, wie der Frauenfußball zurückkehren könnte. „Aktuell haben wir aber viele Baustellen, hinter denen diese Frage ansteht.“ Seyfferle stellt klar: „Wir sind nicht gegen Frauen- und Mädchenfußball, die Infrastruktur fehlt einfach.“

Um den Frauenfußball zu fördern, müssten auch in großen Vereinen entsprechende Strukturen vorhanden sein, mahnt Trentl. „Wenn Frauenmannschaften in Vereinen hinter der Profiabteilung und einem Leistungszentrum bis zur U8 das fünfte Rad am Wagen sind, ist das auf Dauer auch nicht förderlich.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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