Mannheim. Tierfreunde können kaum mit ansehen, wie schlecht es den Stadttauben geht. Sie finden kein artgerechtes Futter, sprich Körner, und müssten daher alles fressen, was sie ergattern können. Davon bekämen sie Durchfall, und dann hagele es Beschwerden über den Taubenkot.
Eine kleine Exkursion: Ringeltauben (weißer Fleck am Hals) und Türkentauben (klein, grau) sind Wildtauben. Die Stadttauben, die meist an den grün-violett-schillernden Brustfedern erkennbar sind, stammen von Zuchttauben ab – es sind verwilderte Haustiere, für die die Menschen Verantwortung übernehmen müssten.
Stadttauben in Mannheim: Helfen betreute Taubenschläge?
Ihnen wurde angezüchtet, unerlässlich zu brüten. „Ab sechs Monaten sind sie geschlechtsreif, dann brüten sie alle sechs bis acht Wochen zwei Eier aus, egal, welches Wetter und welche Jahreszeit“, sagt Ivana Marhöfer, Tierschutzpartei, die sich zusammen mit Stadtrat Andreas Parmentier für das Stadttaubenprojekt einsetzt. „Die Evolution rückt es nicht gerade, die Tauben passen sich nicht im Lauf der Generationen den Umständen an.“ Die einstigen Haustiere brauchen quasi wieder ihre Behausungen, um artgerecht leben zu können.
Dabei könnten betreute Taubenschläge helfen, bei denen Tierschützer die Eier gegen Attrappen austauschen können, um die Population zu begrenzen. Betreut werden die Taubenschläge von Ehrenamtlichen und Minijobbern vom Tierschutzverein. „In der Innenstadt wurde bereits ein Dachboden gespendet, doch dieser ist viel zu voll. Wir bräuchten Orte, an denen wir Container aufstellen könnten“, so Marhöfer. Tauben sind Nischenbrüter, daher bekommen sie eine Art Regal mit vielen Fächern hingestellt, in dem sie ihre Nester bauen. In Mannheim gibt es in der Nähe der Kurpfalzbrücke Taubentürme, die jedoch äußerst baufällig und verschmutzt sind, da sie nicht mehr betrieben werden – bei diesen Türmen kommen die Tierschützer nicht an die Nester dran, bei den Containern ist dies möglich.
64.200 Euro für zehn Taubenschläge in Mannheim
Bereits 2021 haben die Mitglieder der LTK (Die Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste) eine Zählung der Stadttauben initiiert und kamen auf rund 5.100 Vögel, was aber laut Marhöfer „nicht alle abdeckt“, es dürfte mit mehr gerechnet werden. 2022 wurde ein Konzept eingereicht, wie viele Taubenschläge in der Innenstadt und den Stadtteilen vonnöten wären. Der Antrag wurde genehmigt. Für die Haushaltsjahre 2024 und 2025 wurden jeweils 64.200 Euro aus dem Haushaltsbudget für vorerst zehn Taubenschläge zur Verfügung gestellt. Es wurde ein vielversprechend klingendes Konzept ausgearbeitet.
Taubenschläge sollen nur dort errichtet werden, wo „der Standort für die Tauben attraktiv ist“, heißt es in dem Konzept. Die Fütterung der Tauben wäre kontrolliert abgelaufen – keine Krümel von Brötchen und Streuseln, die beim Bäcker auf den Boden fallen, sondern artgerechtes Vogelfutter. Die Schläge wären regelmäßig gepflegt und überwacht worden, die Eier mit „Kunsteiern“ ausgetauscht.
Was vielversprechend klang, endete mit einer Enttäuschung. „Letztes Jahr hieß es seitens der Stadt, es gebe keine Standorte. Egal, was wir vorschlugen, es war nicht machbar“, sagt Andreas Parmentier. Dann kam in diesem Jahr der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest hinzu, und die Kapazitäten der Verwaltung sind seitdem gebunden. Das Taubenschlag-Projekt wurde verschoben, doch für das Budget tickt die Uhr. Es fließt Ende des Jahres ungenutzt zurück in den Haushalt, der Tierschutz geht leer aus. Dabei wurde das Konzept in anderen Städten erfolgreich umgesetzt, wie zum Beispiel in Augsburg, wo es insgesamt zehn Taubenschläge und zwei Türme gibt, die regelmäßig gesäubert werden.
Wohin mit verletzten Tauben?
Die Schläge sind in verschiedenen Augsburger Gebäuden wie zum Beispiel Parkhäusern oder Dachstühlen städtischer Verwaltungsgebäude untergebracht. Nach diesem Projekt wurde das „Augsburger Modell“ benannt, und es hat sich bewährt. Die Taubenpopulation ging zurück, mit ihr die Verschmutzung durch Kot, die Tauben bleiben gesund, da sie artgerecht gefüttert werden.
Ein weiteres Problem lautet: Wohin mit verletzten Tauben? „Andere Städte haben Taubenschutzbeauftragte, sie haben das Problem erkannt. Wir bringen Tauben zu Pflegestellen. In Mannheim gibt es wenige, und sie sind alle ehrenamtlich. Wir setzen uns ein für einen hauptamtlichen Beauftragten, man muss aus dem Ehrenamt raus“, sagt Parmentier.
Doch bis dahin heißt es, nach jedem Strohhalm greifen. Zum Beispiel gibt es eine Facebook-Gruppe „Stadttauben Mannheim-Heidelberg-Ludwigshafen“, in die man posten kann, wenn man eine verletzte Taube oder ein hilfloses Küken gefunden hat und Hilfe braucht. Ivana Marhöfer kümmert sich ehrenamtlich um die Tiere. „Haustauben können bis zu 20 Jahre alt werden, schaffen aber nur bis zu dreien wegen der schlechten Bedingungen draußen. Die Sterblichkeitsrate bei Jungvögeln ist im ersten Jahr 80 bis 90 Prozent, und trotzdem gibt es so viele Tauben“, meint die Tierschützerin.
Doch es gibt auch Positives zu berichten: Tauben sind keine erwähnenswerten Krankheitsüberträger für den Menschen, eine Ansteckungsgefahr ist nicht größer als bei anderen Tieren. Und: Wenn Tauben Pärchen bilden, bleiben sie ein Leben lang zusammen – am besten in einem Taubenschlag mit Regalen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-tierschutz-in-mannheim-wird-das-budget-fuer-die-taubenschlaege-noch-rechtzeitig-abgerufen-_arid,2331419.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Pfauentauben und Stadttauben: Ein Appell für Mitgefühl