Mannheim. Der Taxifahrer, der die Todesfahrt auf den Planken gestoppt hat, gilt für viele Mannheimer nach seinem geistesgegenwärtigen Handeln wahrscheinlich als ein Held. Doch das will er gar nicht sein. „Ich bin kein Held. Ich bin Muslim. Ich bin Mannheimer“, sagt A. Muhammad ganz bescheiden am Mittwochnachmittag bei einem Treffen mit Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) im Stadthaus N1.
Vielmehr sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, helfend einzugreifen. „Zu dem Zeitpunkt habe ich gar nicht richtig gewusst, was ich gemacht habe. Aber ich habe nach meiner Religion gehandelt“, betont Muhammad, der seinen Vornamen nicht in den Medien lesen will, dass er sich dem Amokfahrer aus moralischen Gründen in den Weg stellte.
Mittlerweile habe er sich von dem Schock erholt. „Mir geht es schon wieder besser“, sagt der Taxifahrer im Gespräch mit dem Oberbürgermeister. Am Montag jedoch war das anders. „Ich hatte Bluthochdruck und einen Herzkatheter, meine Atmung war nicht richtig“, erzählt Muhammad, wie es ihm nach seinem mutigen Einschreiten erging, bei dem mit einer Schreckschusspistole auf ihn geschossen worden war.
Taxifahrer fährt Mannheimer Amokfahrer hupend hinterher
Doch von vorn: Gegen 12.15 Uhr, als der Amokfahrer durch die Planken raste, hielt sich Muhammad mit seinem Taxi am Paradeplatz auf. Normalerweise stehen die Taxis dort auf sechs Halteplätzen in Fahrtrichtung Wasserturm. Da er aber das siebte Auto war, musste er sein Taxi, wie es üblich ist, wenn alle sechs Plätze besetzt sind, in Fahrtrichtung Rathaus abstellen, wie der Taxifahrer erklärt. Zehn oder 15 Minuten habe er dort Pause gemacht. Die Ruhe aber änderte sich abrupt.
„Hinten habe ich dann einen Autofahrer gesehen. Da habe ich schon gesehen, dass er zwei, drei Menschen umgefahren hat“, erzählt Muhammad, wie er auf die Todesfahrt aufmerksam wurde. Er habe sich an ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland erinnert und deswegen den Amokfahrer auf keinen Fall davonkommen lassen wollen. „Dann bin ich sofort hinterhergefahren. Ich habe gedacht: ,Das ist nicht normal‘“, schildert der Taxifahrer: „Ich habe Gas gegeben, meine Fenster waren runter, ich habe die ganze Zeit gehupt und zu den Leuten laut gesagt, dass sie bitte aufpassen und aus dem Weg gehen sollen.“
Wäre es eine echte Waffe gewesen, dann wäre es jetzt vorbei
Er folgte dem Amokfahrer daraufhin bis zum Quadrat E 7, wo der Täter sein Auto wendete. Schließlich standen sie sich mit ihren Fahrzeugen gegenüber. „Er hatte eine Waffe“, schildert Muhammad weiter. Zu dem Zeitpunkt habe er nicht gewusst, dass es sich dabei „nur“ um eine Schreckschusswaffe gehandelt habe. „Wäre es eine echte gewesen, dann wäre es jetzt vorbei“, sagt er.
Doch es blieb glücklicherweise bei einem Knallgeräusch: „Ich habe mich erschreckt“, beschreibt er die Situation, als der Täter abdrückte. Es sei laut gewesen, Feuer sei aus dem Lauf sichtbar gewesen. „Dann bin ich einfach weggerannt“, erzählt Muhammad. Zugleich sei auch der Amokfahrer weggelaufen. „Dann bin ich wieder sofort zurück zu meinem Auto.“ Er habe den Schlüssel geholt und das Taxi abgeschlossen. „Vielleicht nimmt er mein Auto, dann wird es noch schlimmer“, habe er sich dabei gedacht. Nach etwa fünf Minuten sei schließlich die Polizei vor Ort gewesen.
Eigentlich wollte sich Muhammad gegenüber den Medien nicht äußern. Er hatte Bedenken aufgrund seiner eigenen Sicherheit und die der Familie, lässt sein Anwalt Naweed Mansoor verlauten. Die Entscheidung habe er sich nicht leicht gemacht, und nach wie vor bestünden Bedenken. Grund dafür seien etwa die Berichte der Online-Plattform Exif, in denen es heißt, dass der Amokfahrer Teil vom sogenannten „Ring Bund“ sei, eine Gruppe aus dem Spektrum der Reichsbürger, geführt von Neonazis. Exif bezeichnet sich als „unabhängige, antifaschistische“ Plattform, die sich mit der rechten und neonazistischen Szene befasst.
Vor 15 Jahren aus Pakistan nach Deutschland geflüchtet
Dann habe sich Muhammad nach reiflicher Überlegung aber doch anders entschieden, um damit ein Zeichen gegen Hass und Spaltung in der Gesellschaft zu setzen. Ihm gehe es um Zusammenhalt und Zivilcourage. Und darum, dass Mannheim seine Toleranz und Offenheit bewahren und schützen müsse, sagt Mansoor zu den Beweggründen des Mitglieds der Ahmadiyya-Gemeinde. „Liebe für alle, Hass für keinen“ lautet deren Motto. Vor etwa 15 Jahren sei Muhammad wegen seines Glaubens in seiner Heimat Pakistan verfolgt worden und habe daraufhin Schutz in Deutschland gesucht. Noch heute werde sein Glaube dort kriminalisiert, sagt der Anwalt.
Mannheim hat mir in zehn Jahren so viel gegeben. Da war das eine kleine Sache
„Seit 2017 bin ich Deutscher“, sagt Muhammad stolz. Das sage er auch immer seinen Fahrgästen, wenn sie fragen, woher er stamme. Deutschland sei seine erste Heimat, Pakistan die zweite, sagt der Familienvater, der seit acht Jahren sein eigenes Taxi-Unternehmen hat. In allererster Linie ist er aber Mannheimer, betont er. Hier fand er Schutz und entdeckte neue Chancen. Eigentlich habe er deswegen nur etwas zurückgeben wollen. „Mannheim hat mir in zehn Jahren so viel gegeben. Da war das eine kleine Sache“, sagt er abschließend zu seiner Heldentat, die ja keine sein soll.
Oberbürgermeister Specht jedenfalls ist – Heldentat hin oder her – dankbar für Muhammads Handeln. Und viele Mannheimer dürften das auch sein. „Sie haben viel bewirkt, viel Schaden und vielleicht auch Verletzte und Tote durch Ihr unglaublich vorbildliches Verhalten verhindert“, sagt Specht, der das Einschreiten des Taxifahrers als „geistesgegenwärtig und mutig“ bezeichnete.
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