Mannheim. Man sagt, wer fest an sich glaube, könne die ganze Welt erobern. Medial ist das Julien Ferrat gelungen. Selbst seriöse Zeitungen – sogar „Süddeutsche“ und „FAZ“ online – berichteten über die „Bildungsreise“ ins französische FFK-Swinger-Resort Cap d‘Agde, für die der Einzelstadtrat im städtischen Amtsblatt geworben hatte.
Nun konnte er auch internationale Boulevard-Medien auf sich aufmerksam machen. Erst in Österreich, der Schweiz und in Tschechien. Dann stieg die britische „Daily Mail“ ein, die „New York Post“ sowie weitere Portale in den USA, Australien, Indonesien, Taiwan und Serbien.
Die Belege schickt Ferrat in etwa alle drei Tage beim „MM“ eingehenden Mails. Auch aus Brasilien, Kanada, Israel, Hongkong, Ungarn, Irland und der Slowakei werde Interesse signalisiert, berichtet der 33-Jährige und frohlockt: „Noch nie zuvor dürfte ein Mannheimer Stadtrat so viel internationale Aufmerksamkeit erzeugt haben.“
Christian Höttings „Hirnverbrannt“-Zitat zu Ferrats „Swinger-Reise“ geht ebenfalls um die Welt
Mit Ferrat geht Christian Hötting durch die Boulevardwelt. „Meine Begeisterung hält sich in engen Grenzen“, sagt der CDU-Kreisvorsitzende. Er hatte die „Bildungsreise“ als „hirnverbrannt“ und „zum Fremdschämen“ bezeichnet. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, die Anfang Mai die Lawine ins Rollen brachte. Womöglich hätten seine Zitate dazu beigetragen, weiß Hötting. „Heute würde ich vielleicht entscheiden, mich dazu besser gar nicht zu äußern.“ Einerseits könne man das Ganze ja unter der Rubrik „Darüber lacht die Welt“ verbuchen. Andererseits finde er schon traurig, dass weitaus wichtigere Themen sehr viel weniger Beachtung bekämen.
Ferrat hat kräftig geworben. Sogar mit einer Pressemitteilung auf Englisch. In der baute er Höttings „hirnverbrannt“ freudig als „harebrained“ ein und schickte sie gezielt Journalisten, die schon über Sex-Themen berichtet hatten. Als Meilenstein bezeichnet er ein Telefoninterview auf Englisch, das er daraufhin der „Daily Mail“ gab.
Bei „Kristschän Hotting“ hat noch kein englischsprachiger Reporter angerufen. Die schrieben das alle voneinander oder aus Ferrats Pressemitteilungen ab, ahnt der Christdemokrat. Ihm missfällt, als „der spaßbefreite Herr Hötting“ dazustehen. Dabei habe er überhaupt kein Problem damit, wenn Ferrat seinem Hobby nachgehe. Aber der solle das bitte nicht als politische Aktion verkaufen.
RTL berichtet zwischen Herz in Plastikeimer und schweinischem Gasthof über Ferrat
Nach seinen Zitaten meldete sich allein RTL bei Hötting. Der Privatsender, der mit „Tutti Frutti“ 1990 das erste sogenannte Erotik-Format im deutschen Fernsehen startete, lud ihn zum Interview an den Wasserturm, Ferrat vors Rathaus. Auch mehrere Passanten kamen zu Wort, durchweg kopfschüttelnd. Eine Seniorin schickte indes„erschdemol“ voraus, in ihrem Alter sei das nichts. „Der will vun mir nix wisse, sondern bschdimd äh Jungä, Hübschä.“
Vor und nach jenem Beitrag berichtete RTL über eine Frau, die ihr Herz nach einer Transplantation im Plastikeimer herumträgt, und über einen im Wortsinn schweinischen Landgasthof in Thüringen. Dort wird mit den Gästen geschlachtet, das Fleisch verwurstet und gegrillt. Als Absacker gibt es Strohrum mit eingelegten Schweinenasen.
Ein RTL-Reporter reiste auch nach Cap d‘Agde, kam aber nur bis zur Rezeption des eingezäunten Resorts. Ferrat will auf der Reise Anfang August auch der Frage nachgehen, ob Mannheim ebenfalls für einen großen Swinger- und Nudistentreff geeignet ist. Dass er dazu erst drei Hintergrundgespräche in acht Tagen vereinbart hat, wurde im TV-Beitrag als sehr dürftig bezeichnet und resümiert: „Unterm Strich dürfte es sich eher um ein provokantes Privatvergnügen zu PR-Zwecken als ernsthaften politischen Willen handeln.“
Über das Resümee des RTL-Berichts ärgert sich Ferrat
Über dieses Fazit hat sich Ferrat per Mail beim Sender beschwert. Ihn ärgert auch, dass so getan werde, als nehme er seine Arbeit im Gemeinderat nicht ernst. Wie sehr er das tue, zeigten schon seine vielen Anträge, allein 300 bei den jüngsten Haushaltsberatungen.
Nun will der Einzelstadtrat der selbst gegründeten Initiative „Die Mannheimer“ seinen Zeitaufwand für die „Bildungsreise“ etwas zurückschrauben. „Bisher waren es im Schnitt rund zwei Stunden täglich.“ Das sei als ehrenamtlicher Politiker und hauptberuflicher Geschäftsführer im Online-Handel dauerhaft zu viel.
Doch stört den studierten Sozialwissenschaftler, dass im spanisch- und vor allem im französischsprachigen Raum noch gar nicht berichtet wurde. Das will der Sohn einer Französin später noch gezielt in seiner Muttersprache angehen. Dann fänden sich sicher hochrangige Gesprächspartner vor Ort. Auch ein „Stern“-Reporter wolle für ein, zwei Tage mitkommen. Mittlerweile hätten sich 17 Männer und acht Frauen für die Tour angemeldet, im Alter zwischen 28 und 63. Unter ihnen acht Mannheimer. Kennenlernen sollen sie sich Ende Juni bei einem Trainingslager für „Outdoor-Sex“ auf der Friesenheimer Insel.
Hötting wird an der „Bildungsreise“ trotz mehrmaliger Aufforderung seines Kollegen nicht teilnehmen. Aber er hat für ihn einen Rat parat: „„Herr Ferrat sagt ja oft, dass er ernstgenommen werden will. Dann muss er sich auch so verhalten, dass man ihn ernstnehmen kann. Solche Aktionen tragen dazu definitiv nicht bei.“
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