„Bildungsreise“ an Swinger-Ferienort

Der Mannheimer Stadtrat Julien Ferrat und sein Kampf um Aufmerksamkeit

Julien Ferrats „Bildungsreise“ nach Cap d‘Agde sorgt bundesweit für Aufsehen. Es ist nicht die erste kuriose Aktion. Was der Einzelstadtrat zum Medienecho sagt.

Von 
Steffen Mack
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Auch die "Bild"-Zeitung berichtete über Julien Ferrats jüngsten Vorstoß. © Julian Ferrat

Mannheim. Julien Ferrat kann sehr zufrieden sein. Dass der Einzelstadtrat vorige Woche via Amtsblatt Interessierte aus Mannheim zu einer „Bildungsreise“ in den französischen Swinger- und Nudisten-Ferienort Cap d’Agde eingeladen hat, erregt bundesweit große Aufmerksamkeit. Nicht nur Boulevardmedien berichteten begeistert, auch seriösere wie ntv oder stern.de und sogar die sehr seriöse Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Medien-Echo auf Julian Ferrats Anzeige zur Bildungsreise in den Swingerclub

Die garnierte das Ganze noch mit Zitaten des Mannheimer CDU-Kreisvorsitzenden Christian Hötting („hirnverbrannt“, „zum Fremdschämen“) und einer Stellungnahme des Rathaussprechers, die Stadt habe auf die allen Gemeinderatsmitgliedern zustehenden Veröffentlichungen im Amtsblatt keinen Einfluss.

Hat Ferrat mit dieser enormen Resonanz gerechnet? „Ja und nein“, sagt der 33-Jährige. Gehofft habe er zumindest darauf. Und dann sei vor allem der dpa-Bericht natürlich „sehr hilfreich“ gewesen. Er hatte das Ganze auch professionell angereichert mit einem Foto von sich, das ihn fast nackt am Strand von Cap d’Agde zeigt, und süffisanten Formulierungen, etwa „Sex on the beach“ werde dort wörtlich genommen. Viel Beachtung fand auch das angekündigte „Trainingslager für Outdoor-Sex“ auf der Friesenheimer Insel.

Julien Ferrat, Einzelstadtrat der Wählervereinigung „Die Mannheimer“, zeigt das aktuelle Amtsblatt mit seiner Einladung zu einer „Bildungsreise“ an einen Swinger-Ferienort. © Uwe Anspach/dpa

Völlig zufrieden ist Ferrat allerdings noch nicht. Vor dem Telefonat am Montag hat er sich per Mail beim „Mannheimer Morgen“ beschwert, dass ausgerechnet die örtliche Tageszeitung über seinen jüngsten Vorstoß zunächst nur online berichtete. Den Printlesern werde „dieses Bildungsangebot oder dieser Aufreger (je nach Sichtweise) bisher vorenthalten“, kritisiert Ferrat.

Brief an Beetz, der solle ein neues Waldhof-Stadion selbst bezahlen

Fakt ist: Es kommt nicht selten vor, dass der „MM“ von Ferrat verfasste Angebote oder Aufreger ignoriert, auch trotz seiner Proteste. Zuletzt etwa einen Brief an Bernd Beetz, in dem er dem Waldhof-Präsidenten vorschlug, angesichts des Abstiegskampfes sei es doch besser, wenn der Mäzen sein neues Stadion selbst baue und vor allem bezahle.

Doch obwohl die Zahl seiner direkt gelöschten Pressemitteilungen die der behandelten deutlich übersteigt, berichtet er mitunter auch über sehr Interessantes. So entdeckte er nach der Bundestagswahl kurz vor 2 Uhr in der Nacht auf der Homepage der Bundeswahlleiterin, dass es Mannheim als einzige Kommune noch nicht geschafft hatte, ihr Ergebnis zu übermitteln. Der Einzelstadtrat der von ihm gegründeten Wählerinitiative „Die Mannheimer“ war es auch, der auf die von der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft abgeschafften Bargeldzahlungen in Bussen und Großkontrollen in Straßenbahnen aufmerksam machte.

Allein bei den jüngsten Haushaltsberatungen hat er 300 Anträge gestellt

In der Lokalpolitik muss man den studierten Sozialwissenschaftler ebenfalls nicht auf sein selbst gewähltes Klassenclown-Image reduzieren. Vor allem in seiner ersten Amtszeit als Stadtrat von 2014 bis 2019 sucht er zwar immer wieder mit gezielten Provokationen Aufmerksamkeit. So handelten ihm selbstgedrehte Videos eine offizielle Rüge des Gemeinderats und eine Beleidigungsanzeige des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Peter Kurz ein, die fällige Geldstrafe arbeitete er mit Sozialstunden ab. Aber in Ferrats Anträgen finden sich durchaus auch inhaltlich berechtigte Anliegen. Schon die schiere Masse – allein 300 waren es in den jüngsten Haushaltsberatungen – verhindert indes in aller Regel, dass sich jemand damit ernsthaft auseinandersetzt.

In der jüngsten Sitzung kritisierte der 33-Jährige Christian Specht dafür, dass der CDU-Oberbürgermeister zuletzt im Hauptausschuss einen Antrag von Ferrat mit der Begründung nicht aufgerufen habe, der sei ja gar nicht da. Weil er als Einzelstadtrat in Ausschüssen ohnehin kein Rederecht habe, könne er sich die Beratungen genauso gut im Livestream anschauen, argumentierte Ferrat. Leider sei auf dem städtischen Youtube-Kanal die Chat-Funktion nicht aktiviert, sonst hätte er Specht direkt darauf hingewiesen.

Bereits mehr als 30 Interessierte an Swinger-„Bildungsreise“

Specht fragte ungläubig: „Sie wollten mit mir chatten?“ Dann erklärte er, Ferrats Kritik „mit einem Augenzwinkern“ zur Kenntnis zu nehmen und ihn künftig als Online-Zuhörer zu berücksichtigen.

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Auch die Swinger-Thematik hat Ferrat schon in den Gemeinderat gebracht. So beantragte er vergeblich, das im Herzogenried entstehende Kombibad einmal monatlich für entsprechende Sauna-Abende zu nutzen. Das muss die „Bild“-Zeitung im „Mannheimer Morgen“ überlesen haben. Zudem hielt der gebürtige Mannheimer mal eine Bürgersprechstunde am FKK-Strand ab. Und nachdem er 2024 erneut gewählt wurde, nannte er beim Treffen für ein Porträt auch unaufgefordert sein größtes Hobby: eine Woche Swingerclub in Südfrankreich mit seiner Lebensgefährtin.

Julien Ferrat: 30 Interessenten für Bildungsreise zu FKK-Strand

Für seine „Bildungsreise“ nach Cap d’Agde hätten sich bereits mehr als 30 Interessenten aus ganz Deutschland gemeldet, berichtet der Sohn einer französischen Mutter. Da er nur eine Hütte für zehn gemietet habe, müsse er jetzt auswählen. Menschen aus Mannheim würden bevorzugt, dann gehe es nach geographischer Nähe, also zunächst etwa Ludwigshafener oder Ilvesheimerinnen. Und eine Zuschrift habe ihn am meisten gefreut. Darin stehe: „Ich finde es wundervoll, dass sich endlich jemand öffentlich für die Belange von Swingern einsetzt.“

Will er das nach dieser enormen medialen Resonanz nun häufiger tun? Auch da antwortet der Stadtrat: „Ja und nein.“ Einerseits sei es ihm schon ein besonderes Anliegen. Andererseits gebe es doch auch viele andere wichtige Themen, zu denen er sich weiter äußern wolle.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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