Tarifkonflikt

Streik in Mannheim für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege

Im Tarifstreit des öffentlichen Diensts zündet Verdi die nächste Eskalationsstufe. Am Freitag gingen Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen in Mannheim auf die Straße.

Von 
Valerie Gerards
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Beschäftigte der Universtätsmedizin Mannheim und der Gesundheitszentren Rhein-Neckar GRN Schwetzingen und Weinheim beim Warnstreik. © Valerie Gerards

Mannheim. Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag!“, ertönt der Schlachtruf der Streikenden durch die Breite Straße in Mannheim. Viele Passanten zücken ihre Handys, machen Aufnahmen von dem Zug, der sich vom Mannheimer Gewerkschaftshaus zum Toulonplatz bewegt.

Rund 350 Beschäftigte der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und der Gesundheitszentren Rhein-Neckar GRN Schwetzingen und Weinheim sind dem Ruf der Gewerkschaft Verdi Rhein-Neckar gefolgt, um mit ihrem Warnstreik für bessere Arbeitsbedingungen und für bessere Löhne kämpfen.

Bei der Streikorganisation die Anschläge von München und Mannheim im Hinterkopf

„Wir haben eine Tarifrunde, in der die Arbeitgeber sich erstmals nicht einmal in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot gemacht haben. Es ist eine sehr angespannte Situation in der Tarifbewegung“, sagt Kathrin Biero, Geschäftsführerin von Verdi Rhein-Neckar. Doch seit dem Anschlag auf den Verdi-Demonstrationszug am 14. Februar in München, bei dem zwei Menschen gestorben und 60 verletzt wurden, haben die Organisatoren über die größtmögliche Sicherheit nachgedacht. „Nach München – und Mannheim hat es bestätigt – haben wir überlegt, wie wir die Demonstrationen für alle möglich machen können. Wir haben die Kundgebungsorte sowohl für den Frauenstreiktag heute als auch für den großen Streiktag am 12. März auf befriedeten Plätzen geplant“, erklärt Biero.

FBeschäftigte der UMM Mannheim und Gesundheitszentren Rhein-Neckar GRN Schwetzingen und Weinheim beim Warnstreik. © Valerie Gerards

Die Streikenden haben deshalb die Möglichkeit, mit dem Bus zum Toulon-Platz zu gelangen. Doch der bleibt leer am Gewerkschaftshaus stehen, alle laufen zu Fuß. Die Seitenstraßen werden von Motorradfahrern der Polizei gesichert, am Schluss des Zuges fahren ein Fahrzeug der Polizei und eines der rnv. Auf die Frage, ob er ein mulmiges Gefühl habe, ganz hinten zu laufen, schüttelt ein Ordner den Kopf. „Nein“, sagt er.

„Ein starkes Zeichen auf jeden Fall, richtig gut“, sagt die Moderatorin, als sich alle Demonstrierenden auf dem von Eisenpollern umfriedeten Toulonplatz eingefunden haben. „Es passieren schreckliche Dinge, und trotzdem haben wir das Recht, für unsere Arbeitsbedingungen einzustehen.“

Kritikpunkte der Streikenden im Gesundheitswesen: Fehlende Anerkennung und schlechte Bezahlung

Dann kommen mehrere Teilnehmer zu Wort. Sabine Leber-Hoischen, Verdi-Vertrauensfrau und Teil des Sozial- und Erziehungsdienstes sagt, Beschäftigte in sozialen und Gesundheitsberufen würden tagtäglich Kinder, Familien in der Krise, Obdachlose, Kranke und im Sterben liegende Menschen betreuen. „Diese Arbeit ist für die gesamte Gesellschaft grundlegend und bedeutsam. Wirtschaft und Industrie würden zusammenbrechen ohne die Arbeit in den sozialen Berufen“, meint sie. Sie kritisierte die schlechten Arbeitsbedingungen aufgrund mangelnder Personalausstattung und fordert, dass die Arbeit von Beschäftigten in sozialen und Gesundheitsberufen entsprechend vergütet werden müsse: „Die fehlende gesellschaftliche Anerkennung drückt sich immer noch in der Bezahlung aus.“

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Rahel Adel
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Bernd Gräf, Betriebsrat an der UMM, richtete den Blick auf die Abläufe im Uniklinikum nach der Amokfahrt in Mannheim am Montagmittag. Er habe zufällig mit dem Notfallkoordinator zusammengesessen, als der Anruf hereingekommen sei. Wenige Minuten später sei an der Uniklinik eine eingeübte Maschinerie losgegangen, bei der jeder wisse, was er zu tun habe. Es seien Notfallteams zusammengetreten, alles für Notfallseelsorge freigemacht worden, OP-Kapazitäten, die schon vorbereitet waren, und Intensivbetten, die immer voll belegt seien, freigeräumt worden und vieles mehr. „Das ist richtig hart, das macht sich nicht von allein“, berichtet Gräf.

Streikende aus dem Gesundheitswesen ziehen durch Mannheim. © Valerie Gerards

„Wie sind nicht nur Kostenfaktor - wir sind überhaupt kein Kostenfaktor! Wir sind Leistungsträger“, fasst Gräf seine Botschaft an die Stadt Mannheim zusammen, für die er viel Applaus der Demonstrierenden erntet, „das merken die Menschen leider immer nur dann, wenn man uns mal kurz braucht. Und dann ist es auch schnell wieder vergessen. Als Leistungsträger haben wir Respekt und Wertschätzung verdient, und diese Wertschätzung drückt sich auch in Kohle aus.“

Azubis im Gesundheitswesen fühlen sich von Arbeitgebern angeschmiert

Ties, Auszubildender an der UMM, meint, er sei zwar froh, dass er als Physio-Auszubildender überhaupt Gehalt bekomme – das sei nicht überall der Fall. „Bei den Verhandlungen bezüglich der Azubi-Tarife mit 200 Euro mehr Gehalt wurde von den Arbeitgebern einfach mal nichts angeboten. Da fühlt man sich auch ein bisschen angeschmiert dafür, dass man als Azubi teilweise den Laden am Laufen hält“, kritisiert Ties. Dann gibt es eine kleine Musikpause, „Bück dich hoch“ von Deichkind schallt über den Platz zwischen Zeughaus und Reiss-Engelhorn-Museen. „Fleißig Überstunden, keine Wahl. Unbezahlt, scheißegal, keine Wahl“, singen viele mit, einige tanzen.

Silvia, Praxisanleiterin an der UMM, berichtet von ihrem Berufsalltag. Sechs bis acht Azubis leite sie zum Teil gleichzeitig an, auf ihrer Station sei sie die einzige Praxisanleiterin. Wegen der vielen Nachtdienste sei es aber schwierig, mit ihnen zusammen eine Patientengruppe zu betreuen oder für das Examen zu üben. „Ohne unsere Azubis haben wir keine zukünftigen Mitarbeiter und Kollegen. Ohne die schaffen wir es einfach nicht“, antwortet Silvia auf die Frage nach ihrer Motivation, „es ist unsere Zukunft, wir können es nicht alleine stemmen.“

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