Mannheim. „Almanach für das Mannheimer Pressefest 1924!“ prangt mit Zierborde umrandet auf der Vorderseite einer marmorierten Kartonmappe in Altrosa. In dem darin liegenden Buch künden Faksimile-Gedenksprüche davon, was vor einem Jahrhundert bewegte. Ein „MM“-Leser hat den kleinen Schatz aus dem Nachlass seiner Urgroßmutter einer Journalistin übergeben. Und die machte sich auf Spurensuche.
Eine Mini-Umfrage innerhalb der schreibenden Zunft mündet in Kopfschütteln. Nein, von einem Mannheimer Pressefest im Geburtsjahr der Weimarer Republik hat niemand eine Ahnung. Dabei hat sich die vom damaligen Reichsverband der Presse im Rosengarten organisierte Veranstaltung durch „außerordentlich starke Beteiligung“ ausgezeichnet, wie das Marchivum in seiner Rubrik „Chronikstar“ informiert. Zu den Gästen gehörte sogar Reichspräsident Friedrich Ebert.
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Dass die Zwei-Fluss-Stadt für das Ereignis ausgewählt wurde, dürfte nicht nur mit der zwei Jahrzehnte zuvor eröffneten Jugendstil-Festhalle, wie der Rosengarten gern umschrieben wurde, zu tun gehabt haben. Dazu trug vermutlich auch das noch üppige Angebot an täglichen Druckerzeugnissen bei. Schließlich galt die nordbadische Industriemetropole während der Weimarer Republik als eine der führenden Zeitungsstädte. Der „General-Anzeiger“ hatte sich gerade in „Neue Mannheimer Zeitung“ umbenannt und strebte so viele Abonnementen wie „Die Neue Badische Landes-Zeitung“ an. Sieben große Tagesblätter spiegelten bis Anfang der 1930er Jahre die politische Bannbreite in der Quadratstadt. Mit der Machtergreifung der Nazis begann das Ende der Pressevielfalt. Nicht nur an Rhein und Neckar.
Das Schicksal der Pfalz sorgte für Zündstoff
Von diesem Szenario dürfte beim Mannheimer Pressefest am 1. März 1924 wohl niemand eine Vorahnung gehabt haben. Ohnehin beschäftigten die Schatten der Vergangenheit - insbesondere die im Versailler Vertrag festgelegten Auswirkungen des verlorenen Weltkrieges. In unserer Region sorgte obendrein das Schicksal der französisch besetzten, aber noch zu Bayern gehörenden Pfalz für Zündstoff. Die Gemengelage, dass Separatisten gegen die Bevölkerung eine „autonome Pfalz“ ausrufen wollten, und dass Frankreich dies zwecks Schwächung des Deutschen Reiches tolerierte, sollte sich kurz vor dem Mannheimer Pressefest zuspitzen.
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Bei der Recherche findet sich ein Beitrag des Historikers Sebastian Parzer, der davon ausgeht: Die Rosengarten-Veranstaltung wurde als „getarnte“ Kundgebung“ genutzt, um den rund 30 0000 ausgewiesenen und nun in Mannheim lebenden Pfälzern „moralische Unterstützung“ zu gewähren - verstärkt mit einem Auftritt des Reichspräsidenten. Friedrich Ebert, so Autor Parzer, habe vor seiner Rede beim Pressefest mit anderen Regierungsvertretern an Gesprächen im Mannheimer Rathaus und einem Essen teilgenommen, das die Stadt im Parkhotel am Wasserturm, damals „bestes Haus am Platze“, ausgerichtet hatte.
Wer nach hundert Jahren in dem herausgegebenen Almanach blättert, hat das Problem, die Gedenksprüche der 80 Zeitgenossen nur bruchstückhaft entziffern zu können. Die Faksimiles prangen in schnörkeliger Kurrentschrift auf dem Büttenpapier.
In lesbaren Passagen blitzt auf, dass die Pfalz-Geschehnisse leidenschaftlich diskutiertes Thema waren. Ins Auge sticht die Signatur eines Pfarrers namens Korell, die mit dem Hinweis verknüpft ist: „Ausgewiesen aus Ingelheim am Rhein“.
Neben Politikern der Weimarer Republik und Schriftstellern wie Thomas Mann, der 1924 seinen Roman „Zauberberg“ veröffentlichte, sind auch regionale Persönlichkeiten vertreten. Beispielsweise der Mannheimer Anwalt Max Hacheburg, der wegweisende Kommentare zum Handelsrecht verfasst hat und dessen Namen die kaufmännische Schule am Tattersall trägt.
Oder der weitsichtige Heidelberger Nationalökonom Professor Alfred Weber, der einige Jahre später, 1933, als einer der wenigen Universitätsangehörigen selbst seine Lehrtätigkeit niederlegen wird. Frauen fehlen in dem Almanach - obwohl es erste Parlamentarierinnen in die Weimarer Nationalversammlung geschafft haben.
Das Pressefest anno 1924 im Rosengarten ist auch insofern geschichtsträchtig, als dort der letzte Mannheim-Auftritt von Reichspräsident Friedrich Ebert stattfinden sollte. Ein knappes Jahr später starb der aus Heidelberg stammende Sozialdemokrat an einer Blinddarmentzündung. Weil bei seinem überraschenden Tod gerade Mannheims dritte Neckarquerung in Planung war, beschloss der Gemeinderat diese nach dem ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt Deutschlands zu benennen. Bekanntlich gibt es die Friedrich-Ebert-Brücke bis heute.
Wer das Almanach-Deckblatt inspiziert, entdeckt im oberen Feld eine angeraute Stelle. Hier dürfte der im Inhaltsverzeichnis angegebene, aber nicht mehr vorhandene Druck des Malers Hans Thoma sorgsam losgelöst worden sein. Wie der verschwundene Wandersmann auf einer Wiese liegend in Wolken schaut, kann digital betrachtet werden. Im Internet wird der 100 Jahre alte Pressefest-Almanach antiquarisch angeboten. Samt Thoma-Titelbild.
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