Weihnachten

So wurde bei Kurfürst Carl Theodor gebacken

Historische Rezepte neu interpretiert: Schüler der Justus-von-Liebig-Schule haben Weihnachtsplätzchen wie in der Barockzeit gebacken - und hier sind die Rezepte zum Nachbacken

Von 
Peter W. Ragge
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Backen wie in der Barockzeit: v. l. Meryem Celihhaya, Claudia Hennicke-Pöschk und Leyla-Dilara Kaya in der Backstube der Justus-von-Liebig-Schule. © Michael Ruffler

Mannheim. Sie müsste gerade überall sein. „Nicht zu viel Zimt!“, mahnt sie da, während gleichzeitig die Frage kommt, wie viel Abrieb von einer Zitrone denn nötig ist. Claudia Hennicke-Pöschk, Konditor- und Bäckermeisterin sowie Fachbetreuerin an der Justus-von-Liebig-Schule, backt mit Schülern Plätzchen – aber es sind besondere Plätzchen. Die angehenden Bäcker und Bäckereifachverkäuferinnen stellen Gebäck nach Rezepturen aus der Zeit von Kurfürst Carl Theodor her, der jetzt gerade 300 Jahre alt geworden wäre.

Mit Eiklar bestreichen: Meryem Celihhaya in der Backstube. © Ruffler

„Es sind eigentlich recht einfache Rezepturen, denn so viele Zutaten gab es ja damals nicht“, sagt die Meisterin. Meist sei Butter, Mehl und Zucker enthalten, dazu Mandeln, „denn die konnte man ja in der Pfalz ernten“, weiß sie. Dennoch hat sie die alten Rezepturen „optimiert, um sie in aktuelle Rezepturen umzuwandeln, die nachgebacken werden können“, so Hennicke-Pöschk – jetzt von den Schülern und auch von „MM“-Lesern, denn denen stellt sie die Rezepte zur Verfügung. „Denn die Sprache war ja früher ganz anders, man hat auch viel als bekannt vorausgesetzt“, sagt sie.

Handschriftliches Kochbuch aus den Jahren um 1700

Die Idee geht auf Helen Heberer zurück. Die langjähriger Stadträtin hat als Vorsitzende des Vereins Stadtbild dafür gesorgt, dass das Carl-Theodor-Jahr in Mannheim intensiver gefeiert wurde als geplant. Zunächst ist sie mit Hiram Kümper, Inhaber der Carl-Theodor-Professur an der Universität, auf die Suche gegangen. „Ich habe mich durch halb Deutschland durchtelefoniert, um solch alten Rezepten auf die Spur zu komme“, so Heberer. Aber Erfolg hatte sie direkt in Mannheim bei Eva-Maria Günther von den Reiss-Engelhorn-Museen. Sie verfügte über ein Kochbuch, das auf einem handschriftlichen Original des 18. Jahrhunderts basiert.

  • Zutaten

140g Weizenmehl

65g Butter

40g Zucker

30g Weißwein

20g Eigelb (1 Stück)

100g Zucker

4g Zimt

  • Zubereitung

Butter und Mehl verreiben

Zucker, Weißwein und Eigelb zufügen und kurz zu einem glatten Teig verkneten

In Formen drücken (Bärentatzen) und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen

mit Eiklar bestreichen und Zimtzucker aufstreuen

Backen 180°C

ca. 20 - 25 Minuten

„Die Rezepte stammen sämtlich aus dem handschriftlichen Kochbuch der Sidonia Philippina, ‘Reichs-Edlen von Behr’, die mit einem kurpfälzischen Hofrat aus der berühmten Familie von Sickingen verheiratet war“, erläutert Hiram Kümper. Es sei in den Jahren um 1700 angelegt und über mehrere Jahrzehnte, bis weit in die Carl-Theodor-Zeit, fortgeführt worden – stets in der „Haus-Bibliotheque“ der adeligen Besitzerinnen. Heute werde diese Kostbarkeit in der Universitätsbibliothek Mannheim verwahrt.

„Das Kochbuch enthält vor allem köstliche (und oft sehr ungesunde) Süßspeisen, die ganz dem Geschmack der Zeit entsprachen – mit sehr viel Schmalz, Zucker und Fett, vielen Eiern, Anis und anderen Gewürzen, aber auch modischen Südfrüchten der Zeit: vor allem Zitronen und Orangen, die italienische Händler über die Alpen nach Mannheim brachten“, erläutert der Historiker.

So sehen sie aus: Die Plätzchen nach Rezepten aus der Barockzeit. © Ruffler

Auf Initiative von Bürgermeister Thorsten Riehle und Heberer erklärte sich zunächst die Bäckerinnung bereit, die Plätzchen nachzubacken. Übernommen hat es schließlich die Justus-von-Liebig-Schule, die den Nachwuchs dieses Berufsstands ausbildet. „Wir machen das gerne, denn wir arbeiten eng mit der Innung zusammen“, sagt Steffen Götz, stellvertretender Bereichsleiter Nahrung der Schule, während die Schüler Mehl wiegen, Teig anrühren und die Zutaten abwiegen.

  • Zutaten

125g Puderzucker

100g weiche Butter

100g Eier (2 Stück)

etwas Zitronenabrieb

etwas gemahlene Nelke

etwas Zimt

180g Mehl

80g gemahlene Mandel

  • Zubereitung

Puderzucker und die weiche Butter vergreifen, die Gewürze zugeben, zum Schluss die Eier zufügen

Das Mehl sieben und mit den Mandeln mischen

kurz zu einem glatten Teig

verarbeiten

200g Stücke abwiegen

40cm lang rollen, 2cm breit schneiden - den Rest zu 10g Stückchen abwiegen.

Kleine Kugeln rollen und zu Hörnchen formen

auf ein Blech mit Backpapier (oder eine Silikonmatte)

setzen

Backen 180°C ca. 10 Min

 

Im ersten Lehrjahr werden die angehenden Bäcker und die „Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk“, wie die Berufsbezeichnung offiziell lautet, zusammen unterrichtet. „Auch die Verkäuferinnen sollen ein Gefühl dafür kriegen, was passiert, bevor sie es verkaufen, und wie es in der Backstube läuft“, erklärt Gwendolyn Berbner, Leiterin Fachbereich Nahrung der Schule. Schon deshalb habe man die Chance gerne aufgegriffen, mit den Plätzchen aus der Zeit des Kurfürsten mal etwas Besonderes zu machen.

Ein Popstar seiner Zeit – aber bei Schülern unbekannt

Carl Theodor sei „wie ein Popstar“ in seiner Zeit gewesen, versucht einleitend Claudia Hennicke-Pöschk, den Schülern den Kurfürsten nahezubringen. Er wäre „für die Region sehr wichtig“ gewesen und habe viele Bauten hinterlassen wie das Mannheimer und das Schwetzinger Schloss, die Karlsbrücke und das große Fass in Heidelberg, erläutert sie und zeigt entsprechende Bilder.

Ly Tran Thi und Chi Mai Bui in der Backstube der Schule. © Ruffler

Fragt man später in der Klasse, ist aber fast allen der Name Carl Theodor vorher noch nie begegnet. „Ich habe ihn mal gehört“, sagt nur ein Mädchen. Sonst heißt es nur „Nö“, „kenne ich net“ oder „Ich komme aus der Pfalz, nie gehört“, während der Teig ausgerollt, in kleine Stücke geschnitten und in Formen gedrückt wird. Dann bestreichen die Schülerinnen die Plätzchen mit Eiklar und Zimtzucker, und fertig ist das „Weingebackene“.

  • Zutaten Teig

250g Mehl (sieben)

15g Hefe

125g lauwarme Milch

50g Zucker

Zitronenpaste

Salz

50g Butter

  • Zutaten Füllung

125g gemahlene Mandeln

8g Rosenwasser

125g Zucker

90g Eiklar

  • Zubereitung

Mehl, Hefe, Milch, Zucker,

Zitronenpaste Salz und Butter zu einem glatten Teig kneten

ca. 10 - 15 Min ruhen lassen

ca. 2mm dünn ausrollen

und Muffinförmchen damit auslegen

Für die Füllung Mandeln, Rosenwasser, Zucker und Eiklar vermischen

Die Füllung in die mit Teig

ausgelegt Förmchen legen und die Füllung einfüllen.

Vom dünn ausgerollten Teig dünne Streifen schneiden und über die Füllung legen

Bei dieser Rezeptur habe sie zunächst die Mengen neu berechnen müssen, sagt Claudia Hennicke-Pöschk: „Ein Esslöffel kann ja groß oder auch kleiner ausfallen, so dass wir ein Gewicht festlegen mussten“, so die Konditormeisterin. Auch die Butter- und Eigelbmenge habe sich als zu hoch herausgestellt. „Aber dann war der Teig gut formbar und ließ sich hervorragend ausformen und backen“, so Claudia Hennicke-Pöschk. Bei den „Hirschhörnern“ habe es für die Form des Gebäckes keine genaue Anleitung gegeben, sondern nur den Hinweis „formiere ihn wie du wilt“. „Daher haben wir uns für die Form unserer Vanillekipferl entschieden“, sagt die Konditormeisterin.

Redaktion Chefreporter

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