Sie saßen in vollen Klassenzimmern, manche auch in übervollen Hörsälen mit überbordenden Polit-Debatten. Und jene, die sich für eine Ausbildung entschieden, mussten häufig um eine Lehrstelle kämpfen. Obendrein gilt: Ihr Berufsleben ist entweder beendet oder befindet sich auf der Zielgeraden. Die Rede ist von den Babyboomern vor dem „Pillenknick“. Was die 50- bis 75-Jährigen heute für eine Rolle spielen beziehungsweise welche Bedürfnisse sie haben, das erforscht das Projekt „Ageing Smart - Räume intelligent gestalten“. Zu den sieben Modellräumen gehört Mannheim.
40 Prozent mit Region verwurzelt
Das Publikum im Technischen Rathaus ist übersichtlich, als Annette Spellerberg, Leiterin des Fachgebietes Stadtsoziologie der Rheinland-pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau, und ihr Mitarbeiter Benjamin Stefan einige zentralen Ergebnisse der Untersuchung präsentieren. Zu den intensiv erläuterten Fragekomplexen gehört beispielsweise: Bleiben Babyboomer in ihrer Region - und wenn ja, wie wohnen sie? Vier von zehn der Männer und Frauen aus den geburtenstarken Jahrgängen geben an, schon immer in der Quadratestadt zu leben. Und von jenen, die in den letzten zwei Jahrzehnten zugezogen sind, kamen die meisten aus beruflichen Gründen.
Das Forschungsprojekt
Für das Forschungsprojekt „Räume intelligent gestalten“ gab es Befragungen in den Städten Mannheim, Jena und Kaiserslautern, außerdem in den Räumen Nieder-Olm, Remshalden, Kusel-Altenglan und Geisaer Land.
In Mannheim haben sich 17 Prozent der repräsentativ ausgewählten Personen, 492 Frauen und Männer, an der Befragung beteiligt – vor allem Babyboomer mit hohem Bildungsabschluss. Menschen mit Migrationshintergrund sind so gut wie nicht vertreten.
Das Forschungsprojekt wird im Wesentlichen von der Carl-Zeiss-Stiftung im Rahmen des Programms „Durchbrüche“ gefördert. Wissenschaftlich beteiligt sind neben der TU Kaiserlautern-Landau auch das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering. wam
Befragt nach ihren Wohnwünschen nennt die große Mehrheit Selbständigkeit, ob in der (Miet)Wohnung oder im eigenen Haus. Auch wenn jeder Fünfte ankreuzt, das eigene Domizil sei inzwischen „(etwas) zu groß“ geworden, beispielsweise durch Auszug der Kinder, erweist sich die tatsächliche Bereitschaft für einen Umzug als eher gering - vor allem bei der älteren (längst pensionierten) Babyboomer-Gruppe.
Am vertrauten Ort bleiben
Dieses Befragungsergebnis wird besonders intensiv diskutiert. Denn eigentlich sind Kommunen daran interessiert, Senioren, die in günstigen Familien-Wohnungen leben, zu motivieren, sich zu verkleinern. Warum Wohnungstauschbörsen üblicherweise nur mäßigen Erfolg haben, kommentiert die Soziologie-Professorin anhand der Untersuchung: Ältere Menschen wollen an ihrem vertrauten Standort samt den gewachsenen sozialen Beziehungen bleiben. Und wenn sie innerhalb ihres angestammten Gebiets umziehen, dann nur, wenn damit ein spürbarer Vorteil verbunden ist - entweder finanzieller Art (weniger Miete), eine altersgerechte Ausstattung (beispielsweise Fahrstuhl) oder eine deutliche Umweltverbesserung (weniger Lärm).
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Für Menschen im Alter von 50 bis 75, so offenbart die Untersuchung, spielen Freizeitmöglichkeiten und Kultur eine wichtige Rolle. In Mannheim äußert sich mehr als die Hälfte, nämlich 60 Prozent, mit den Angeboten zufrieden - wenngleich die Antworten stark von dem jeweiligen Stadtteil und seiner Sozialstruktur abhängen.
Handy weit verbreitet
Auch wenn die Fragebögen überwiegend handschriftlich ausgefüllt und per Post verschickt wurden, so gilt auch für Babyboomer: Die große Mehrheit, nämlich gut 90 Prozent, besitzt ein Smartphone. Selbst bei den 68- bis 75-Jährigen liegt der Anteil bei 81 Prozent. Und immerhin fühlt sich gut die Hälfte im Umgang mit dem Internet „(eher) kompetent“. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss: „Smartphone- und Internetnutzung sind selbstverständlichen geworden.“
Die Befragungen dienen als Baustein eines Gesamtkonzepts, das Kommunen wie auch ländliche Räume dabei unterstützen soll, den demographischen Wandel unter dem speziellen Aspekt der großen Gruppe von Babyboomern zu sehen, die gerade dabei sind, aus dem aktiven Berufsleben auszuscheiden. In Mannheim haben vier von zehn Befragten angegeben, dass sie bereits im Ruhestand sind.
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