Frau und Beruf

So helfen Mannheimer Expertinnen Mütter bei der Karriere

Die Kontaktstelle Frau und Beruf in Mannheim fordert flexiblere Arbeitszeiten und mehr Beteiligung der Partner bei der Care-Arbeit. Co-Leiterin Corinna Schneider über Elternzeit, Jobsharing und wie eine Steuerreform helfen könnte

Von 
Ilgin Seren Evisen
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Als ein strukturelles Problem bezeichnet Expertin Corinna Schneider die Kinderbetreuung. © Julian Stratenschulte/dpa

Mannheim. Die Kontaktstelle Frau und Beruf unterstützt Frauen der Region bei allen beruflichen Fragen, auch zur Gründung. Das vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium geförderte Projekt wird von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Mannheim als Trägerin unterstützt. Mit kostenfreien Beratungsangeboten begleitet das fünfköpfige Team erwerbstätige Frauen bei Anliegen zur Berufstätigkeit, Umorientierung oder Gründung eines eigenen Unternehmens.

Co-Leiterin Corinna Schneider agiert seit 2020 als Beraterin und hat in dieser Rolle Hunderte Frauen auf ihrem Karriereweg unterstützt. Von Unternehmen fordert sie familienfreundlichere Arbeitsmodelle, von der Politik flächendeckende Betreuungsangebote, um Frauen die Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

Frau Schneider, beeinflusst die Mutterschaft die Karriereentwicklung von Frauen?

Corinna Schneider: Natürlich. Mutterschaft ist nach wie vor ein großes Thema für die Frauen. Weil sie in der Regel längere Elternzeit nehmen, im Schnitt 14,6 Monate, wohingegen Väter kürzere nehmen. Es folgt eine Karriereunterbrechung in der Berufstätigkeit, was sich langfristig ausprägt. Zum Beispiel auch durch geringere Aufstiegschancen und geringere Gehaltszuwächse.

Die meisten Mütter kommen nach der Elternzeit oft nur in Teilzeit zurück in den Beruf. Das wiederum wirkt sich auf die Einkommenschancen aus, langfristig auch auf die Rente. Frauen verdienen oft sowieso weniger, aber durch die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit verringert sich ihr Lohn nochmal. Aktuell bemühen sich große Firmen in der Region, das zu ändern, indem sie Väter unterstützen, ebenfalls Care-Arbeit zu übernehmen und so eine gleichberechtigte Berufstätigkeit zu ermöglichen.

Corinna Schneider - Zur Person



  • Corinna Schneider ist 60 Jahre alt.
  • Sie studierte Geschichte und Philosophie, ist langjährige Gründungsberaterin für Frauen.
  • Seit 2020 ist Schneider Beraterin bei der Mannheimer Kontaktstelle Frau und Beruf, seit 2022 als Co-Leiterin dort tätig.
  • Ehrenamtlich engagiert sie sich im Vorstand des Vereins Frauen & Geschichte und als Delegierte im Landesfrauenrat Baden-Württemberg. ise/lok

 

Wieso schaffen es Mütter seltener als Nicht-Mütter, beruflich voranzukommen?

Schneider: Ein strukturelles Problem ist gerade in Ballungsräumen die Kinderbetreuung, ein anderes die Unternehmenskultur: Es müssten flexiblere Möglichkeiten der Arbeitsaufteilung geschaffen werden oder Jobsharing-Möglichkeiten für Führungspositionen. Bei größeren Firmen ist dies schon möglich, bei kleineren eher selten. Ohne eine Flexibilisierung der Arbeitszeit wird das nicht gehen. Das dritte Hemmnis ist die nicht bezahlte Sorgearbeit in Familien, auch dies sollte partnerschaftlich aufgeteilt werden. Auch Männer müssen sich an dieser Care-Arbeit beteiligen, damit Frauen arbeiten können.

Wie werden Mütter auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert? Ist das Thema bei Ihnen?

Schneider: In der Beratung begegnen wir Anfragen von Frauen, die aus der Elternzeit zurückkehren. Weil sie wie so oft in Teilzeit zurückkehren, werden sie in Firmen nicht adäquat eingesetzt, bekommen also weniger Aufgaben zugewiesen. Sowas kann man beobachten, aber auch andere Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg: Wenn Kinder da sind, sind bestimmte Arbeitszeiten kaum möglich. Aktuell gibt es natürlich Ansätze, diese strukturellen Probleme zu lösen, aber da ist noch viel Luft nach oben. Es kommt auch vor, dass Frauen ihren Arbeitsplatz ganz verlieren, weil sie nicht mehr wie vorher arbeiten können. Verschärft ist die Situation für Alleinerziehende ohne weitere familiäre Unterstützung.

Was unternehmen Ihre Klientinnen, um beruflich durchzustarten?

Schneider: Sie sprechen mit ihren Unternehmen über flexible Arbeitszeiten, falls möglich, oder über eine vollzeitnahe Teilzeit, also zum Beispiel 75 oder 80 Prozent. Falls sie keine Stelle mehr haben und eine neue suchen, bewerben sie sich auf passende Vollzeitstellen, und falls sie damit erfolgreich sind, verhandeln sie dann über eine Reduzierung der Arbeitszeit auf zum Beispiel eine vollzeitnahe Teilzeit.

Wenn Kinder da sind, sind bestimmte Arbeitszeiten kaum möglich.
Corinna Schneider

Fühlen sich Ihre Klientinnen von ihren Partnern bei der Aufteilung der Kinderbetreuung unterstützt?

Schneider: Mehrheitlich eher nicht oder nur teilweise. Auch in der Praxis ist es so, dass Frauen deutlich mehr Care-Arbeit übernehmen, im Durchschnitt etwa doppelt so viel wie Männer. Dazu zählen neben der Sorgearbeit für Kinder oder andere pflegebedürftige Personen auch die komplette Hausarbeit.

Vor welchen geschlechtsspezifischen Herausforderungen stehen Frauen, die gründen möchten?

Schneider: Gründerinnen mit Kindern haben wie andere erwerbstätige Frauen auch oft ein Vereinbarkeitsproblem. Andererseits bietet die Selbstständigkeit auch mehr Flexibilität. Oft gründen Frauen daher erstmal im Nebenerwerb, auch um ihre Geschäftsidee auszuprobieren. Brauchen Frauen für die Umsetzung ihrer Geschäftsidee einen Bankkredit, haben sie größere Schwierigkeiten, besonders wenn sie Risikokapital benötigen. Die Kontaktstelle Frau und Beruf unterstützt Gründerinnen mit Beratung und dem Gründerinnen:Netz RNK.

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Welche Unterstützungsangebote helfen Ihren Klientinnen, ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen?

Schneider: Unsere Beratungsgespräche helfen beim Sortieren der Problemlage und beim Festlegen einer Strategie, also den weiteren Schritten. Unsere Workshops helfen zum Beispiel dabei, sich erfolgreich zu bewerben. Wir befähigen die Frauen, ihre Kompetenzen und Stärken klarer zu sehen und besser nach außen kommunizieren zu können. Längerfristige Kurse, wie „Design your job“ oder das „Frauen-Erfolgsteam“, empowern die Teilnehmerinnen und klären ihre Ziele.

Was könnte dabei helfen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen zu verbessern?

Schneider: Man könnte die Väter mehr in Verantwortung nehmen, ihnen auch die Elternzeit ermöglichen. Das ist sehr früh wichtig, um die gleichberechtigte Rollenverteilung in Familien von Anfang an möglich zu machen. Dass das flächendeckend zur Normalität wird, sollte von der Politik unterstützt werden. Denn wir wissen: Firmen setzen Angebote eher um, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Ein anderer Ansatz wäre das Ende des Ehegattensplittings. Dieses Steuermodell hält denjenigen, der weniger verdient, zuhause, weil es sich angeblich nicht lohnt zu arbeiten. Ein weiterer Punkt ist natürlich die Kinderbetreuung. Klar, es gibt gesetzliche Vorgaben zum Ausbau der Kinderbetreuung, aber ohne Fachkräfte ist es eben nicht möglich, die Vorgaben umzusetzen.

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